Weil keine Zahlen über den Pflanzenschutzmitteleinsatz in Bayern vorliegen, haben Umweltschützer die Bundeszahlen auf die bayerischen Hektar umrechnen lassen.
Landwirte müssen zwar genau dokumentieren, wann und wie viel Pflanzenschutzmittel sie einsetzen, aber die Mengen werden nicht zentral erfasst, sondern verbleiben auf den Höfen. Weil Bayern aber den PSM-Einsatz bis 2028 halbieren will und Naturschützer immer nach den genauen Zahlen fragen, hat sich der Landesbund für Vogelschutz (LBV) nun selbst ans Werk gemacht, um mal annähernd eine Größenangabe zu bekommen.
Infos vom "Pestizidexperten"
BR24 berichtet, dass die Agrarkritiker eine Studie in Auftrag gegeben haben. Als „Pestizid-Experte“ wird Lars Neumeister von www.pestizidexperte.de genannt, der schon für Greenpeace, WWF, Testbiotech, foodwatch oder die Verbraucherzentralen gearbeitet hat.
Er habe eine Menge von 3.600 t für Bayern als Ausgangsbasis ermittelt. Laut Neumeister sei das eine Umrechnung der bundesweit erhobenen Daten des staatlichen Julius Kühn-Instituts auf die bayerische Anbaufläche.
Dabei soll es sich um Durchschnittswerte von 1.300 Testbetrieben aus ganz Deutschland handeln. Die seien eine sehr sichere Grundlage, um auch die bayerische Landwirtschaft realistisch abzubilden, zitiert der BR den LBV-Vorsitzenden Norbert Schäffer.
Mit 30 Spritzungen pro Jahr sollen die Apfelbäume die meisten Behandlungen bekommen, sagt demnach Neumeister. Danach kämen Wein und Hopfen mit etwa 18 bzw. 13 Spritzungen. Auch Kartoffeln würden mit etwa elf Anwendungen relativ häufig behandelt.
Neumeister empfiehlt aber, das Augenmerk auf Kulturen zu legen, die schon jetzt nur wenig behandelt werden – aber insgesamt mehr ins Gewicht fallen. "Wenn man zum Beispiel bei Wintergerste, Weizen und Mais auf Herbizide verzichtet, dann hat man schon die Hälfte der bayerischen Pestizid-Menge eingespart". Bei diesen Kulturen sei es sinnvoll und möglich, auf null Behandlungen zu kommen – somit könnten große Flächen im Freistaat pestizidfrei werden.
Förderung, mehr Vielfalt und regionale Partnerschaften
Laut Neumeister sind die Landwirte ein Stück weit gefangen in einem System, das sie zwinge, Pestizide einzusetzen. "Man muss den Landwirten unter die Arme greifen. Umweltfreundlich wirtschaften braucht finanzielle Förderung." Der Werkzeugkasten an Maßnahmen sei aber vorhanden. Dazu gehöre, sich nicht auf eine oder wenige Fruchtarten zu spezialisieren, sondern wieder mehr Vielfalt anzubauen.
Auch wenn Landwirte weniger anfällige Sorten wählen, können sie Chemie einsparen. Dafür braucht es aber auch regionale Partnerschaften mit den Mühlen, denn der Weltmarkt verlange standardisierte Ware. "Erzeuger und Verarbeiter in der Region zusammenzubringen, ist ein wichtiger Schritt", sagt Neumeister dem BR.
Er wünscht sich eine EU-Pflanzenschutzsteuer: Je giftiger und gefährlicher, desto höher die Steuer. Das würde dazu führen, dass weniger giftige Mittel eingesetzt werden und nur dort gespritzt wird, wo es absolut notwendig ist, sagt er.