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Wenn trockene Gräben Wasser führen: Muss ich Randstreifen und Abstand beachten?

Monatelang hat es geregnet und erstmals führten im Frühjahr zur Pflanzenschutzsaison noch Gräben Wasser, die sonst fast immer trocken waren. Ändert das die Anforderungen zum Gewässerabstand?

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Den trockenen Stoff vorweg: Die seit September 2021 bundesweit geltende Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) schreibt in § 4 a das Einhalten von Abständen zu Gewässern beim Anwenden von Pflanzenschutzmitteln (PSM) auf landwirtschaftlichen Flächen vor. Dies kann entweder durch die Anlage eines 5 m breiten, dauerhaft begrünten Randstreifens oder durch einen Abstand von 10 m bei der Applikation von PSM erfolgen.

In NRW konkretisiert ein Erlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) aus dem Jahr 2021, welche Gewässer von dieser Verpflichtung betroffen bzw. ausgenommen sind. Eine Checkliste hierzu sowie zahlreiche Informationen zur PflSchAnwV hat der Pflanzenschutzdienst (PSD) auf der Homepage der Landwirtschaftskammer NRW veröffentlicht.

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Wir haben bei Andrea Claus-Krupp nachgefragt, wie sich der viele ­Regen seit dem Herbst auf die Einstufung der Gräben und Gewässer auswirkt. Sie ist Referentin für Umwelt- und Verbraucherschutz beim Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

"Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben": Einige Landwirte berichteten uns in den vergangenen Wochen von Problemen bei Pflanzenschutzkontrollen. Dabei ging es um den Abstand zu Gräben, die aktuell Wasser führen, nach Aussage der Landwirte aber in den vergangenen Jahren fast durchgehend trocken ­waren und damit als gelegentlich wasserführend gelten müssten. Wie lange muss ein Graben/Gewässer denn Wasser führen, damit er vom gelegentlich zum periodisch oder gar ständig wasserführenden Gewässer wird?

Andrea Claus-Krupp: Die Niederschlagssituation seit dem Herbst hat in der Tat dazu geführt, dass viele Flächen wassergesättigt sind und angrenzende Gräben – keine Gewässer im eigentlichen Sinne – aktuell Wasser führen, obwohl sie viele Jahre trocken waren. Das macht die Gräben aber nicht generell zu einem abstandspflichtigen Gewässer nach PflSchAnwV. Kurz gesagt: „Gräben“ müssen so lange bzw. so ­häufig Wasser führen, dass sie zu einem „Gewässer“ werden. Dem eingangs beschriebenen Erlass des MULNV zur Folge sind Abstände dann einzuhalten, wenn die Gewässer ständig oder periodisch – das heißt regelmäßig über einen gewissen Zeitraum im Jahr – Wasser führen. Als Suchkulisse für ständig oder periodisch wasserführende Gewässer gelten demnach die in der Gewässerstationierungs­karte (aktuelle Version GSK 3E) dargestellten Gewässer, die Landwirte online über TIM-Online oder ELWAS-WEB abrufen können. Die Links hierzu mit Erläuterungen und Erklärvideo finden Sie in der Checkliste über den Link unten.

Führen Gewässer oder Gräben nur gelegentlich, also an einzelnen ­Tagen im Jahr zum Beispiel nach Starkregenereignissen, Wasser, müssen keine Randstreifen unbehandelt bleiben. Diese Gewässer erkennt man daran, dass sich am Grund keine typischen Sedimentablagerungen einer Gewässersohle befinden und keine Wasserpflanzen wie Rohrkolben oder Brunnenkresse vorkommen. Stattdessen wachsen dort Gräser oder Brennnesseln bis auf den Grund des ­Grabens. Ob es sich im Einzelfall um ein „gelegentlich wasserführendes Gewässer“ handelt, können sowohl Landwirte als auch Kon­trolleure im Zweifel anhand dieser Merkmale beurteilen.

Im Rahmen einer Flächenkontrolle müssen sich die Prüfer an genau diesen Merkmalen orientieren. So regelt der genannte Erlass ebenfalls, dass „im konkreten Einzelfall“, zum Beispiel im Rahmen ­einer Flächenkontrolle, zu prüfen ist, ob das Gewässer nur gelegentlich Wasser führt und die genannten Kennzeichen aufweist. Ist dies der Fall, gilt es als „von unter­geordneter wasserwirtschaftlicher Bedeutung“ und Bewirtschafter müssen hier keinen Randstreifen anlegen.

Für die Einstufung als abstandspflichtiges Gewässer ist also der Bewuchs entscheidend, nicht die Dauer der Wasserführung oder die aktuelle Wassersituation?

Andrea Claus-Krupp: Richtig. Wenn es sich also wie in der Eingangsfrage beschrieben um Gräben handelt, die nach Aussage der Landwirte „in den vergangenen Jahren fast durchgehend ­trocken waren“, dürften keine gewässertypischen Merkmale vorhanden sein. Nur wenn die periodische oder dauerhafte Wasser­führung bestehen bleibt, stellt sich in solchen Gewässerökosystemen zwangsläufig durch Sediment­ablagerungen eine Gewässersohle mit typischen Pflanzen ein. Erst dann ändert sich der Status.

Wie so oft gibt es aber auch bei der Bewertung von Gewässern nicht nur schwarz und weiß, sondern der Übergang ist fließend und kann sich in diesem Winter eventuell ­geändert haben. Wie gehen Sie hiermit um?

Andrea Claus-Krupp: Der Prüfer kann sich im Rahmen einer Kontrolle natürlich nur an der aktuellen Situation vor Ort orien­tieren. Eine Fotodokumen­tation der vorliegenden Gewässersituation zum Zeitpunkt der Pflanzenschutzmaßnahme ist daher in jedem Fall hilfreich, um die gelegentliche Wasserführung bzw. den terrestrischen Pflanzenbewuchs belegen zu können.

Denn fachlich kann für den Landwirt selbstverständlich nur der Zeitpunkt der Aussaat für die Anlage eines Randstreifens nach § 4 a PflSchAnwV maßgeblich sein, alles andere ist kulturtechnisch gar nicht umsetzbar. Bewirtschafter kennen ihre Flächen und entscheiden im Rahmen ihrer Anbauplanung vorab, wo die Anlage eines 5 m breiten, dauerhaft begrünten Randstreifens notwendig und sinnvoll ist oder eine Kultur vom Gewässer 10 m unbehandelt bleibt.

Sollten sich im Laufe der Kulturführung witterungsbedingt Situationen einstellen, die Einträge von PSM über Gräben und Vorfluter in Gewässer befürchten lassen, müssen sachkundige Pflanzenschutzmittelanwender diese im Rahmen der Guten fachlichen ­Praxis unbedingt verhindern. „Nasse“ Gräben im ­Frühjahr sind jedoch keine Merkmale, die Land­wirte zum Anlegen eines Randstreifens nach PflSchAnwV verpflichten.

Wie gesagt: Gewässertypische Merkmale wie der Bewuchs mit Zeigerpflanzen (z. B. Rohrkolben oder Brunnenkresse) stellen sich nicht nach einem nassen Herbst und Winter und auch nicht „über Nacht“ vor einer Kontrolle ein. Standortbedingte Veränderungen in natürlichen Pflanzengesellschaften dauern eine gewisse Zeit, da die standörtlichen Verhältnisse erst über mehrere Vegetationsperioden die Zusammensetzung von Landpflanzen- zu Gewässerpflanzengesellschaften verändern.

Dass kein Pflanzenschutz bis zur Oberkante des Grabens erfolgen sollte, wenn „Austräge erwartbar“ sind, leuchtet ein. Andererseits ist aber verständlich, dass Landwirte Unkräutern oder Krankheiten in bereits gesäten Kulturen nicht das Feld überlassen wollen. Was sagen Sie diesen Landwirten?

Andrea Claus-Krupp: Es ist immer schwierig, fachliche Ratschläge zu geben, wenn man selbst die ökonomischen Folgen nicht tragen muss. Aber es geht definitiv nicht darum, dass Landwirte Unkräutern und Krankheiten „das Feld überlassen sollen“.

Durch meine langjährige Tätigkeit in der Landwirtschaftskammer, insbesondere im Umwelt- und Verbraucherschutz des Pflanzenschutzdienstes, habe ich einen guten Blick auf die Zusammenhänge in der Risikobewertung im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Das ist ein sehr komplexes Thema und Risiko­manage­ment­maß­nahmen wie Abstände zum Gewässer, abdriftminderne Düsen, Einschränkungen von Anwendungsmengen, -zeiträumen oder -standorten werden als bußgeldbewehrte Auflagen bei der Zulassung von PSM vergeben, um Einträge in den Naturhaushalt zu vermeiden. Ohne Risikominderungsmaßnahmen bekämen PSM keine Zulassungen!

Nach der Zulassung gibt es immer ein sogenanntes Nachzulassungs-Monitoring. Werden PSM-­Wirk-stoffe dann wiederholt gefunden, muss die Zulassungsbehörde davon ausgehen, dass das Risikomanagement nicht funktioniert – in der Folge kann die Zulassung dann eingeschränkt oder widerrufen werden, dann ist das PSM ganz weg! Ich sage daher häufig: Alle PSM, die gefunden werden, ­führen früher oder später dazu, dass sie wegfallen – entscheiden Sie also selbst! Ist Ihnen der Spatz in der Hand wichtiger als die ­Taube auf dem Dach? Pflanzenschützer haben einen Sachkundenachweis, um in solchen schwierigen Situationen verantwortungsvoll und bestimmungsgemäß zu handeln.

Sie als Pflanzenschutzdienst sind dafür zuständig, das Einhalten der Abstände zu kontrollieren. Wonach entscheiden Sie, wo und wie oft Sie kontrollieren?

Andrea Claus-Krupp: Dass wir regelmäßige Flächen­kontrollen durchführen, ist sicher allen Landwirtinnen und Landwirten bekannt. Grund dafür ist, dass die Gewährung von Agrar­förderbeihilfen an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Klima und Umwelt, öffentliche Gesundheit und Pflanzengesundheit sowie Tierschutz gebunden ist. Diese Verknüpfung wird als „Konditionalität“ bezeichnet. Bei den Konditionalitäten-Kontrollen werden die sogenannten Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) anhand bestimmter Prüfkriterien kon­trolliert.

Das Auswahlverfahren für Vor-Ort-Kontrollen richtet sich nach EU- und Bundesvorgaben. Die zu kontrollierenden Betriebe wer-den anhand einer Zufalls­auswahl und einer Risikoanalyse ausgewählt und diese erfolgt mithilfe von digitalen Geoinformations-systemen. Zu der risikoorientierten Flächenauswahl gehören unteranderem beantragte Flächen von Betrieben, die an statio­nierte Gewässer angrenzen. Diese gelten ja als Suchkulisse für die abstandspflichtigen Gewässer. Hier soll ­insbesondere kontrolliert werden, ob eine Unterschreitung des Mindestabstands zu Gewässern vorliegt.

Über eine solche risikoorientierte Flächenauswahl werden ebenso Betriebe mit Flächen in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten, hier wird insbesondere das Anwendungsverbot von Glyphosat kontrolliert. Weiterhin werden Betriebe mit Flächen in Naturschutzgebieten auf das Anwendungsverbot für Herbizide und ­bestimmte Insektizide auf Ackerland und seit 2024 Betriebe mit Brachflächen geprüft.

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