Unser Autor: Prof. (i. R.) Dr. Klaus Schlüter, vormals FH Kiel/FB Agrarwirtschaft
Überstehen Biotypen eines Schadorganismus, z. B. Mehltaupilze, eine Behandlung mit einem bis dahin sicheren Wirkstoff, liegt eine Resistenz vor. Als Ursache steht oft der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Verdacht. Das ist aber nicht der Fall. Stattdessen führen erbliche Eigenschaften zur Resistenz.
Schadorganismen treten in unvorstellbar großen Populationen auf, deren Einzellebewesen (Individuen) geringfügige genetische Unterschiede aufweisen. Deshalb gibt es schon bei der Markteinführung eines Wirkstoffes immer einige wenige Schadpilze, aber auch -insekten sowie Unkräuter und Ungräser, die auf einen Wirkstoff gar nicht oder nur in geringem Maße reagieren.
Gauß’sche Normalverteilung gilt bei allen Bioziden
Wie viele dieser Schadorganismen weniger stark auf Mittel reagieren, bestimmt die Natur. In dieser folgen viele Eigenschaften dem mathematischen Prinzip der Gauß’schen Normalverteilung – grafisch in Form einer „Glockenkurve“. Das gilt auch für die Empfindlichkeit gegenüber Fungiziden.
Die Kurve zeigt, welcher Anteil einer Gesamtpopulation durch verschiedene Wirkstoffkonzentrationen abgetötet wird. So lässt sich charakterisieren, wie empfindlich (sensitiv) eine Population auf einen Wirkstoff reagiert. Dieses Prinzip gilt nicht nur für Pflanzenschutzwirkstoffe, sondern für alle Biozide – einschließlich Antibiotika in der Tier- und Humanmedizin.
Wenn die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln schwindet
Auch biologische Verfahren wie der Einsatz von Bacillus thuringiensis (B. t.) gegen Schädlinge sind von Resistenzen betroffen, wenn sie eine spezifische Wirkung haben. So folgten nach langjährigem Einsatz von B. t. weltweit Resistenzen, vor allem bei gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO-Pflanzen) wie B. t.-Mais oder -Baumwolle. Biologicals mit unspezifischem Wirkungsmechanismus – z. B. pflanzliche Biostimulanzien – sind hingegen keiner Resistenzgefahr ausgesetzt.
Wird ein neu entwickeltes Fungizid geprüft, gibt es also immer einen Anteil von Schadpilzen, der sehr empfindlich auf geringe Konzentrationen reagiert. Ein vergleichsweise hoher Anteil ist mittelempfindlich und ein wiederum kleiner Anteil verträgt weitaus höhere Konzentrationen. Diese gering sensitiven Pilze machen zunächst nur einen kleinen Teil der Population aus. Daher sind sie unauffällig. Doch durch den angewendeten Wirkstoff überleben sie Behandlungen, während andere Pilze absterben.
Je länger und häufiger eine Wirkstoffgruppe in einer Saison angewendet wird, desto eher verschiebt sich das Gleichgewicht der Population durch Selektion: Nur diejenigen Organismen überleben, bei denen der Wirkstoff seinen Effekt nicht entfalten kann. So steigt der Anteil von resistenten Individuen. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem trotz einer Behandlung so viele Schadorganismen überleben, dass keine Wirkung auftritt.
Dieser Text stamm aus einem Beitrag der Serie „Fachwissen Pflanzenbau“. Die Autoren der Serie stellen Zusammenhänge im Pflanzenbau kurz und knackig (wieder) her. Themen sind „Boden“, „Bodeneingriff“, „Pflanzenphysiologie“, „Fruchtfolge, Zwischenfrüchte und Kulturen“ sowie „Pflanzenschutz und Wachstumsregler“. Alle Beiträge sammeln wir für unsere Leserinnen und Leser online unter www.topagrar.com/wissen-pflanzenbau