Ein Kommentar von Patrick Liste, Chefredakteur beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Nicht schlecht – wäre das Politik-Theater nicht, sagte kürzlich ein Landwirt. Der Satz fasst die Stimmung der Branche zusammen. Er regt aber auch zum Nachdenken an.
Die eine Denkrichtung ist dabei klar: Seit Monaten frustrieren politische Protagonisten den Agrarsektor. Zum Jahresende 2022 hat sich das verhärtet. Brüssel will weiter schärfere Emissionsauflagen für Tierhalter und strikte Verbote von Pflanzenschutzmitteln.
Vergleich mit Drogensüchtigen
Weil es Gegenwind gibt, hat die EU-Parlamentarierin Sarah Wiener nun die Schlammschlacht eröffnet. Sie vergleicht Landwirte beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Drogensüchtigen. Dieses Bild ist eine Unverschämtheit!
In Berlin treibt Agrarminister Cem Özdemir Haltungskennzeichen und Tierwohlförderung voran. Das hört sich gut an, schließt aber die meisten Tierhalter aus.
Obendrein kommen klammheimlich neue Auflagen, wie gerade größere Bewegungsbuchten in der Sauenhaltung. So endet der gewünschte Umbau der Tierhaltung im realen Abbau! Und dafür entstehen anderswo in Europa neue Ställe.
Erfreuliche Entwicklungen
Die andere Denkrichtung ist nicht so offensichtlich. Wer aber das politische Treiben ausblendet, erkennt auch erfreuliche Entwicklungen:
Viele Rinderhalter und Ackerbauern profitieren von den aktuell hohen Erzeugerpreisen. Sie können wirtschaftlich durchatmen, Löcher stopfen, Investitionen nachholen und Reserven anlegen.
Für Schweinehalter gilt das nicht, aber immerhin liegen die Ferkel- und Schweinepreise auf relativ hohem Niveau mit Luft nach oben.
Die Deutschen diskutieren seit dem Ukraine-Krieg wieder über die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und Energie. Das weckt verloren gegangenes Interesse an der heimischen Landwirtschaft.
In Gesprächen punktet die Branche, weil sie so vielfältig und regional aufgestellt ist. Das kann nachhaltig Gehör finden.
Beliebter Beruf
Trotz aller Kritik erkennen viele Verbraucher die Leistung auf den Höfen an. Nach „Arzt“ und „Pfleger“ halten sie „Landwirt“ für den Beruf, der auch in Zukunft besonders wichtig für die Gesellschaft ist – gleichauf mit „Polizist“ und „Lehrer“.
Diese Ergebnisse einer aktuellen i.m.a.-Umfrage machen Mut, dass Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft rückt.
Agrarwirtschaft fasziniert junge Menschen. Die Ausbildungszahlen sind zuletzt gestiegen. Der Nachwuchs glaubt an die Zukunft der Branche. Und bringt oft Innovationen sowie einen anderen Blick auf die Dinge mit.
Zugegeben: Auch in diesem Jahr steht uns Politik-Theater bevor, gibt es Marktturbulenzen und dürften Nicht-Regierungs-Organisationen oder Typen wie Hannes Jaenicke sich selbst inszenieren.
Dennoch: Es gibt 2023 auch weiter positive Entwicklungen – allgemein und individuell. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien im neuen Jahr möglichst viele davon – und dass Sie die Zeit finden, diese Momente wahrzunehmen.