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Warum Bauern gegen ein Biosphärengebiet kämpfen

Baden-Württemberg will in der Region Allgäu-Oberschwaben ein Biosphärengebiet mit bis zu 150.000 ha ausweisen. Die Landwirte fürchten massive Nachteile und wollen das Projekt stoppen.

Lesezeit: 5 Minuten

Es gibt nur wenige Regionen in Deutschland, wo eine ertragsstarke Landwirtschaft und naturräumliche Highlights so eng beieinander liegen wie in Oberschwaben. Die Gegend nördlich des Bodensees ist wegen des milden Klimas und reichlicher Niederschläge ein Gunststandort für die Milcherzeugung und für den Anbau von Sonderkulturen. Die Land- und Forstwirtschaft ist dort seit jeher ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und bietet vielen Familien eine Existenzgrundlage.

Schnell gelesen

  • In Oberschwaben läuft derzeit der ­Beteiligungsprozess für ein Biosphärengebiet mit bis zu 150.000 ha.

  • Die Land- und Forstwirte in der Region haben sich zu einer Allianz gegen das Großschutzgebiet zusammengeschlossen.Sie sehen darin keinen Mehrwert und ­befürchten künftig scharfe Auflagen.

  • Weil die Gemeinden über die Ausweisung entscheiden, nehmen die Landwirte jetzt verstärkt Einfluss auf die politische Willens­bildung in den Kommunen.

Zugleich finden sich in der hügeligen Region noch zahlreiche Moore, die vielen bedrohten Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten und einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

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56 Gemeinden, 180.000 ha

Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hat deshalb 2021 in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, für die Region Oberschwaben einen Prozesses für ein Biosphärengebiet (BSG) zu initiieren. Ziele sind der Klima- und Artenschutz sowie die Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe.

Aktuell läuft der Beteiligungsprozess für das Schutzgebiet mit den Interessengruppen und den Kommunen in der Region. Betroffen sind die Landkreise Biberach, Ravensburg und Sigmaringen mit insgesamt 56 Gemeinden und einer Gesamtfläche von mehr als 180.000 ha, auf der nach geeigneten Flächen für das BSG gesucht wird (siehe Karte rechts unten). Dabei geht es, neben den Entwicklungsmöglichkeiten für die regionale Wirtschaft, um die Abgrenzung des BSG, das aus drei Zonen besteht:

Drei Zonen

Die Kernzone sind bisher schon geschützte und landwirtschaftlich nicht genutzte Flächen. Sie sollen mindestens 3 % des BSG umfassen.

Für die Pflegezonen um die Kernzone herum kommen ebenfalls Flächen in Betracht, die bereits einen Schutzstatus haben wie Natura 2000-Gebiete oder Biotope. Kern- und Pflegezonen sollen zusammen mindestens 20 % des BSG ausmachen.

Den Rest nehmen die Entwicklungszonen ein. In der Summe sind das riesige Flächen, weil ein BSG zwischen 30.000 und 150.000 ha groß sein soll.

Allianz gegen Schutzgebiet

Laut dem Prozessteam, das den Beteiligungsprozess in Form von Arbeitskreisen und Einzelgesprächen moderiert, gibt es in den Entwicklungszonen zwar keine Auflagen für die landwirtschaftliche Produktion. Doch für die Land- und Forstwirte in der Region sind sie trotzdem das entscheidende Problem. „Sobald das Land das Biosphärengebiet ausgewiesen hat, haben wir in unserer intensiven land- und forstwirtschaftlichen Region ein Großschutzgebiet, das dem Bundesnaturschutzgesetz, dem EU-Flächenmanagement und der Vorgaben der UNESCO unterliegt“, er­läutert Michael Fick, Sprecher der „Allianz der Landeigentümer und Be­wirtschafter“, zu der sich die Gegner des BSG zusammengeschlossen haben ( biosphaere-oberschwaben.de ). Dem Bündnis gehören u. a. der Bauernverband, der BDM, die Familienbetriebe Land und Forst Baden-Württemberg und die Forstkammer Baden-Württemberg an.

„Wenn es künftig von der EU, vom Bund oder dem Land neue Auflagen in Schutzgebieten gibt, dann wären wir auf riesiger Fläche betroffen und die Eigentümer und Bewirtschafter könnten sich nicht mehr dagegen wehren“, warnt Fick. Als Beispiele nennt er die gescheiterte Verordnung der EU zur nachhaltigen Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) oder das neue Natur-Wiederherstellungs-Gesetz (nature restoration law) der EU.

Negative Erfahrungen mit FFH-Gebieten

Für Franz Schönberger, den Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Allgäu-Oberschwaben, sind die negativen Erfahrungen der Landwirte bei der Ausweisung von FFH-Gebieten und bei den Biotopkartierungen ein warnendes Beispiel. Hier kamen nachträglich Auflagen, obwohl den Bauern das Gegenteil versprochen wurde. „Wir wollen nicht wieder die Katze im Sack kaufen und verhindern, dass unsere ganze ­Region am Ende zwangsextensiviert wird.“

„Kein Mehrwert für Bauern“

Nach den bisherigen Gesprächen im Beteiligungsprozess sieht der Landwirt keinen Mehrwert durch ein Biosphärengebiet: „Beim Tourismus haben wir mit den Regionen Allgäu und Bodensee schon starke Marken, weshalb nicht mit mehr Übernachtungen zu rechnen ist.“ Und auch bei der Regionalvermarktung sei kein Mehrwert zu erwarten, weil die Molkereien und Käsereien kein Interesse an einer separaten Erfassung der Produkte aus dem Schutzgebiet haben. Zusätzliche Flächenprämien seien ohnehin nicht vorgesehen.

Bereits viele kooperative Naturschutzprojekte

Bei den bestehenden kooperativen Naturschutzprojekten in der Region erhalten die Bauern hingegen einen finanziellen Ausgleich für ihre Auflagen. „Wir haben über Biomusterregionen, Leader-Projekte, Vertragsnaturschutz usw. bereits fast schon alles abgedeckt, was es gibt“, erläutert Schönberger.

Die Diskussionen um das BSG wirkten hier sogar kontraproduktiv. „Viele Bauern sagen, wenn das Gebiet kommt, dann verabschieden wir uns vom bisher freiwilligen Naturschutz.“ Vor allem Junglandwirte sehen das Schutzgebiet als existenzielles Problem. „Sie sagen mir, stoppt das, sonst steigen wir aus der Landwirtschaft aus“, berichtet Schönberger.

Gemeinden entscheiden

Den Hebel dafür sieht er bei den Gemeinden. Denn diese bestimmen selbst, ob sie dem Biosphärengebiet beitreten oder nicht. „Wir haben auf unseren Winterversammlungen mit den Bürgermeistern und Gemeinderäten unsere Fragen zum Biosphärengebiet vorgebracht, was gut angenommen wurde. Und wir haben bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr viele Landwirte ermuntert, für den Gemeinderat zu kandidieren, um direkt mitentscheiden zu können.“ Viele hätten das gemacht und etliche seien auch gewählt worden.

Landwirt wird Stimmenkönig

Auch Biomilchviehhalter Heinrich Vinçon aus Bad Wurzach wurde wieder in den Gemeinderat gewählt. Er sprach sich im Wahlkampf klar gegen das Schutzgebiet aus, obwohl er Flächen im Wurzacher Ried pflegt. „Wenn unsere anderen Flächen ins Biosphärengebiet fallen, sehe ich die Existenz unseres Betriebes gefährdet“, argumentiert Vinçon. Am Ende wurde er sogar Stimmenkönig in seiner Gemeinde.

"Nicht mehr in dieser Legislaturperiode"

Die Entscheidung, ob das BSG kommt, steht noch aus. Laut Prozessteam sollen die Gemeinden erst dann abstimmen, wenn die Karten mit den Zonen des Schutzgebietes, die Verordnung und die Einzelheiten der Finanzierung vorliegen. Bis es soweit ist, kann es noch dauern. Selbst Baden-Würt­tembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen glaubt nicht, dass das BSG in dieser Legislaturperiode noch kommt. Aufgeben will er das Projekt aber nicht.

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