Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

topplus Risiko oder Selbstschutz

Warum Landmaschinenhersteller auf sichere Beifahrer- und Kindersitze verzichten

Landwirte wollen Beifahrer und Kinder in ihren Traktoren mitnehmen. Doch Landmaschinenhersteller bewegen sich wegen der Sicherheitsanforderungen in einer Grauzone. Was Sie wissen müssen.

Lesezeit: 5 Minuten

Es gehört zum landwirtschaftlichen Berufsalltag, auch mal einen Mitarbeiter, Nachbarn, Bekannten oder das eigene Kind im Traktor mitzunehmen. Doch nicht viele wissen, dass der Beifahrersitz dafür nicht die notwendigen Sicherheitsansprüche erfüllt.

Dabei geht es vor allem darum, bei einem möglichen Unfall Verletzungen zu vermeiden. Am Ende können dabei Sie als Betriebsleiter dafür sogar belangt werden. Die Landmaschinenhersteller sind vor allem bemüht, sich schadensrechtlich abzusichern. Daher bieten sie keine sicheren Beifahrer oder Kindersitze an.

Wenn der Beifahrer am Feldrand zuschauen muss

Das Sicherheitskonzept der Landtechnikindustrie ist klar geregelt. Die Mitnahme von Beifahrern auf Traktoren ist rechtlich, unter Beachtung der entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen (Anschnallgurt anlegen, Füße auf den Boden, Tür schließen), auf befestigten Straßen erlaubt. Für alle Traktoren ohne Umsturzschutz ist eine Mitnahme nur dann erlaubt, wenn Mitarbeiter entsprechend eingewiesen werden müssen, oder ein technischer Defekt besteht.

Dass diese Vorschriften nur wenig mit der landwirtschaftlichen Praxis vereinbar sind, liegt auf der Hand. Jedoch gibt es diese Vorschriften nicht ohne Grund. Denn der „Beifahrersitz“ erfüllt auf Traktoren und Landmaschinen nur die minimalsten Sicherheitsanforderungen.

Ein weiteres Problem: Landwirten und vor allem den Betriebsleitern ist das Risiko oft nicht bewusst. Oder ist Ihnen bewusst, dass bei einem Umsturz für den Beifahrer kein passender Umsturzschutz bereitgestellt werden kann?

Der Unterschied steckt im Detail

Das Problem beginnt schon bei der Benennung des zweiten Kabinensitzes. Landmaschinenhersteller unterscheiden in ihren Betriebsanleitungen vor allem zwischen Traktoren und Landmaschinen. Die SVLFG gibt an, dass es sich für neue Traktoren nach EU-Regelung 167/2013 EG ganz klar um einen Beifahrersitz in Traktoren handelt. Dieser sei mit einem normalen Beifahrersitz, wie auch z.B. in PKWs, gleichzusetzen.

Die Landtechnikindustrie benennt den kleinen Kabinensitz zwar ebenfalls als „Beifahrersitz“, stuft diesen in den entsprechenden Sicherheitsnormen aber als reinen „Einweiser-Sitz“ ein. Dadurch wird der „Beifahrersitz“ von einem Beifahrersitz im PKW unterschieden und die Themen Umsturzschutz und Rückhaltesystem nicht zwingend beachtet.

In Bezug auf große Landmaschinen, wie z.B. einen Mähdrescher, greifen Landmaschinenhersteller auf die Regelung 2006/42 EG zurück. In der ISO 4254 7 Norm wird festgehalten, dass es sich nicht mehr um einen Beifahrer-, sondern einen Einweiser-Sitz handelt. Die Folge: Der „Einweiser-Sitz“ benötigt nur ein minimales Sicherheitsangebot, nämlich einen Beckengurt mit minimaler Polsterung am Sitz.

Das Problem der Prävention

Die SVLFG erklärt, dass bei der Prävention von Unfallschäden sowohl eine vorausschauende Fahrweise als auch eine entsprechende Absicherung wichtig ist. Die Fahrweise können Sie als Landwirt beeinflussen, während das grundsätzliche Sicherheitskonzept von den Landtechnikherstellern abhängig ist. Die SVLFG betont dabei, dass ein entsprechender Umsturzschutz nur gewährleistet ist, wenn entsprechende Vorkehrungen (Anschnallen, Füße auf den Boden, Fahrerkabine geschlossen) getroffen werden. 

Doch was stellen die Landmaschinenhersteller als Unfallschutz für den Beifahrer bereit? Die SVLFG erklärt, dass bei Traktoren ein sog. Umsturzbügel (ROPS) in der Fahrerkabine verbaut ist, der bei einem Umsturz dem Fahrer einen Überlebensraum bietet. Dieser Schutz sei nur durch die Kombination aus Umsturzschutz und einem entsprechenden Rückhaltesystem gewährleistet.

Der Beifahrer sitzt sehr nah an der B-Säule im Traktor. Bei Erschütterungen oder einem Umsturz gibt es also keinen ausreichenden Überlebensraum, der den Beifahrer vor einer Kollision mit der Säule bewahrt. Es besteht die Gefahr von Prellungen und schweren Verletzungen.

Aus diesem Grund sichern sich Landmaschinenhersteller ab, indem sie den Beifahrer für die Feldarbeit ausklammern. Dadurch können sie sich bei Schäden rechtlich absichern und umgehen eine entsprechende Anpassung der Fahrerkabine.

Auch die Sicherheitshinweise sieht die SVLFG kritisch. In einfach gehaltenen Piktogrammen in der Fahrerkabine wird auf ein Mitfahrverbot während der Feldarbeit hingewiesen. Ob jeder Fahrer ein solches Piktogramm korrekt versteht oder die Betriebsanleitung genau gelesen hat, bleibt fraglich.

Die Landtechnik steckt in einer rechtlichen Zwickmühle

Um etwas am Sicherheitskonzept Beifahrersitz oder der Fahrerkabine ändern zu können, müssten die Landmaschinenhersteller zunächst den juristischen Weg abgehen. Würden die entsprechenden Regelungen geändert werden, müsse man im nächsten Schritt die Fahrerkabine anpassen.

Es stellt sich die Frage, ob seitens der Landmaschinenhersteller so ein Umbruch überhaupt gewollt ist, denn daraus würde sich ein Kartenhaus an juristischen Fallen für das Unternehmen ergeben.

Die vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung

Laut Maschinenrichtlinie gilt stets „das Konzept der vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung“. Hierzu nennt die SVLFG ein Beispiel in Bezug auf Kinder in Landmaschinen:

Wenn der Hersteller angibt, dass Kinder in Landmaschinen nicht zugelassen sind und er dennoch vernünftigerweise vorhersehen kann, dass sich Kinder in einer Landmaschine während der Arbeit auf dem Feld aufhalten, sind entsprechende Sicherheitsschritte einzuleiten.

Entsprechende Maßnahmen beziehen sich dabei auf Hinweise in der Betriebsanleitung oder durch weitere Schilder und Kennzeichnungen in der Fahrerkabine, die schnell übersehen oder missverstanden werden können. Die SVLFG erklärt, dass dieses Konzept vielleicht für die Industrie ausreiche, als Berufsgenossenschaft reiche das aber nicht.

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten | 1 Jahr für 1̶2̶9̶,̶6̶0̶ ̶€̶ 99 €

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.