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Auf dem Weg zum energieautarken Hof

Lesezeit: 9 Minuten

Der bayerische Lehr- und Versuchsbetrieb in Almesbach muss dank Biogas, Holzheizung, Photovoltaikanlagen plus Speicher fast keine Energie mehr zukaufen. Das Modell könnte Schule machen.


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Deutschland will sich mit der Energiewende bis zum Jahr 2050 unabhängig von Energieimporten machen, die Energiekosten senken und gleichzeitig das Klima schützen. Lässt sich das auch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb umsetzen? Dieser Frage geht das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Almesbach (LVFZ) bei Weiden (Oberpfalz in Bayern) bereits seit dem Jahr 2006 nach. „Damals mussten wir unsere alte Ölheizung ersetzen, weil sie die Abgaswerte nicht mehr erfüllte. Das war der Startschuss, uns mit erneuerbaren Energien zu beschäftigen“, berichtet Helmut Konrad, Leiter des LVFZ Almesbach.


Doch während Deutschland für die Energiewende mehrere Jahrzehnte ansetzt, hat das LVFZ dafür keine zehn Jahre gebraucht.


Das Konzept:

So sieht das Energiekonzept des LVFZ bis heute aus:


  • Wärme: Eine Hackschnitzelheizung mit 300 Kilowatt (kW) Leistung hat den alten Ölbrenner mit 780 kW ersetzt. Hackschnitzel aus dem eigenen Wald sowie aus der Landschaftspflege ersetzen 65 000 Liter Heizöl pro Jahr. Bei der Wärme ist der Betrieb autark.
  • Strom: Mit mehreren Photovoltaikanlagen (197 kW) und einer Hofbiogasanlage mit 75 kW erzeugt der Betrieb 260 % des benötigten Stroms. Da die Biogasanlage bedarfsgerecht Strom erzeugt und Solarstrom für die Nacht in zwei Batterien gespeichert wird, hat das LVFZ nicht nur bilanziell den Strom­einkauf fast auf null reduziert.
  • Kraftstoffe: Mit einem umgerüsteten Schlepper hat das LVFZ 21 % des Kraftstoffbedarfs durch Rapsöl von eigenen Feldern ersetzt. Mit weiteren Maßnahmen wie Elektro-Betriebsfahrzeug und E-Hoflader soll der Kraftstoffbedarf weiter sinken.


Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien will sich der Betrieb selbst unabhängig von den Energiekosten machen, aber auch anderen Landwirten zeigen, ob und wie eine Energiewende möglich ist.


1. Die Holzheizung:

Das LVFZ nutzt heute eine Hackschnitzelheizung bestehend aus zwei Kesseln mit je 150 kW. Der Betrieb hat einen Wärmebedarf von 650 000 kWh, nicht zuletzt wegen des Internatbetriebes für die überbetriebliche Ausbildung. Als Brennstoff setzt das LVFZ jährlich 900 m3 Holz aus dem 29 ha großen Wald sowie Landschaftspflegeholz ein. Die unterschiedlichen Hackschnitzelqualitäten haben sich als Brennstoff bewährt. Im Jahr 2006 konnte sich der Betrieb komplett selbst versorgen. Da die Wärme 50 % der benötigten Energie auf dem Betrieb ausmacht, war die Energiewende allein mit der Hackschnitzelheizung zur Hälfte geschafft.


2. Solarstrom mit Speicher:

Seit dem Jahr 2010 gibt es auf dem Betrieb eine Photovoltaikanlage mit 97 kW. Dazu hat die Lehranstalt eine Dachfläche für 20 Jahre an einen Investor vermietet, der den Stromerlös kassiert. Das LVFZ erhält 28 €/kW als jährliche Pacht – ein damals üblicher Preis.


Seit 2015 betreibt das LVFZ auch eine Photovoltaikanlage mit 100 kW zur Selbstversorgung, die 100 000 kWh Strom im Jahr erzeugt. Allerdings kann der Betrieb den Sonnenstrom nicht komplett selbst verbrauchen, da Erzeugung und Verbrauch zeitlich nur zu 30 % übereinstimmen. Daher hat sich das LVFZ in diesem Jahr für zwei Batteriespeicher entschieden: Einen mit Blei-Batterien und einer nutzbaren Speicherkapazität von 31 kWh sowie einen Lithium-Ionen-Speicher mit 5 kWh. Nutzbar bedeutet am Beispiel des Bleispeichers: Er hat 63 kWh Speicherkapazität, kann aber physikalisch bedingt nur zu 50 % seiner Kapazität entladen werden. Lithium-Ionen-Speicher dagegen haben eine Entladetiefe von 90 %.


Die Speicher sollen weniger den Strombedarf nachts decken, da die Kapazität dafür nicht ausreicht. Denn der Betrieb braucht auch nachts 15 kW Leistung. Vielmehr sollen sie dazu dienen, Stromspitzen abzufangen, um den Leistungspreis zu senken. Denn die wenigen Leistungsspitzen bestimmen den Strompreis eines ganzen Jahres. Der Betrieb nutzt zwar einen Melkroboter im Kuhstall, der anders als der ebenfalls vorhandene Melkstand kontinuierlich Strom verbraucht. Aber Milchkühlung und die Reinigung im Melkstand verursachen Stromspitzen.


Erfahrungen mit den Speichern liegen noch nicht vor, sie wurden erst im Juni 2015 installiert. „Aber wir wollen jetzt prüfen, inwieweit sich die wetterabhängige Solarstromerzeugung mit der Batterieladung und der Lastverschiebung für mehr Eigenverbrauch aufeinander abstimmen lassen“, erklärt Konrad. Außerdem will er testen, inwieweit die Anlage notstromfähig ist.


3. Biogasstrom nach Bedarf:

Im Jahr 2015 ist eine Biogasanlage dazugekommen. Sie erfüllt die Voraussetzungen einer nach EEG 2014 definierten „kleinen Biogasanlage“ mit maximal 75 kW.


Die Anlage in Almesbach ist aber zusätzlich für den Lastfolgebetrieb ausgelegt. Das bedeutet: Sie soll den Strombedarf im Betrieb, abhängig vom Verbrauch, möglichst jederzeit decken. Dafür ist der Gasspeicher vergrößert, er kann zehn Stunden lang Gas aufnehmen, während das Blockheizkraftwerk (BHKW) steht. Bei Bedarf könnte die Anlage also bedarfsgerecht morgens und nachmittags jeweils vier Stunden laufen und den Rest der Zeit stehen.


Der Betrieb bekommt eine Einspeisevergütung von 23,5 ct/kWh. „Da wir 23 ct/kWh für den Zukaufstrom bezahlen, sind wir nahe an dem Punkt, ab dem wir auch Biogasstrom für die Selbstversorgung nutzen könnten, schildert Konrad.


Die anfallende Abwärme aus dem BHKW fließt in das Nahwärmenetz, womit der Betrieb von März bis November so gut wie keine Hackschnitzel mehr benötigt. Von den rund 100 kW thermisch benötigt die Anlage 25 kW für die Fermenterheizung.


Ziel war es, für die Biogaserzeugung möglichst wenig Nutzfläche zu verbrauchen. Als Substrate setzen die Almesbacher über 90 % Gülle und Festmist sowie Futterreste ein. Das abgedeckte Gärrestlager ist isoliert, sodass das Substrat noch weiter vergärt. „Wir rechnen mit rund 10 % Mehrertrag dadurch“, beschreibt der Leiter. Da die Gülle per Schieberentmistung frisch in den Fermenter gelangt, ist die Gasausbeute höher als ursprünglich veranschlagt. „Wir hatten mit einem höheren Maisanteil gerechnet, konnten diesen aber reduzieren“, erklärt Konrad. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, könnte die Anlage auch als reine Reststoffanlage allein mit Gülle, Mist und Futterresten betrieben werden.


Die Vorgrube, die als Zwischenlager für die Gülle dient, soll künftig auch Gülle von anderen Betrieben aufnehmen. Den Gülleanteil will Konrad vor allem im Sommer mit Fremdgülle erhöhen, weil dann die Abwärme aus dem BHKW zur Erwärmung der Fermenter auf 45 Grad sicher ausreicht. Im Winter muss sich erst zeigen, wie viel Wärme bei sehr niedrigen Außentemperaturen noch zur Verfügung stehen.


Außerdem will er mit dem Fremdgülleeinsatz zeigen, wie sich eine Hofanlage auch in Gemeinschaft mit mehreren Landwirten betreiben ließe.


Der Nachgärer ist mit 1 800 m3 so groß, dass die Gülle-Lagerkapazität auf über neun Monate angestiegen ist. Damit könnte der Betrieb die Vorgabe der DüngeVO einhalten – falls diese wie geplant umgesetzt wird. „Das ist noch ein Grund, warum sich auf vielen Betrieben eine kleine Biogasanlage lohnen könnte“, berichtet Konrad.


4. Rapsöl als Kraftstoff:

Im Jahr 2010 hat das LVFZ einen großen Ackerschlepper gegen einen Pflanzenöltraktor ersetzt. Der Traktor hat 200 PS. Er ist umgerüstet nach dem Zweitankprinzip. Das bedeutet: Der Start erfolgt mit Diesel, bis der Motor auf Betriebstemperatur ist. Dann stellt er sich selbstständig auf den Pflanzenölbetrieb um. Nach der Arbeit muss der Fahrer zum Spülen der Leitungen und Einspritzpumpen wieder auf Diesel umstellen, damit der Motor beim nächsten Start problemlos anspringt.


Der Schlepper verbraucht bei 700 Betriebsstunden im Jahr 10 000 l Rapsöl. Diese lassen sich nach Konrads Erfahrung auf 7 ha Ackerfläche selbst erzeugen. Denn der Hektarertrag lag im Schnitt der letzten Jahre bei 4 bis 4,5 t pro ha. Daraus lassen sich 1 500 l/ha Rapsöl erzeugen. Gleichzeitig fallen rund 3 t Rapskuchen pro Hektar an. Diesen erhalten die 145 Kühe bei einer Dosierung von bis zu 1 kg pro Kuh und Tag als heimisches Eiweißfuttermittel. Das Rapsöl lässt der Versuchsbetrieb im Lohn bei einer Ölmühle pressen und erhält von dort auch den Rapskuchen.


Der Schlepper hat inzwischen 3 800 Stunden mit Rapsöl absolviert, er ist jetzt fünf Jahre alt und hatte noch keine Schäden, die auf den Biokraftstoff zurückzuführen wären. Er erledigt Arbeiten wie Pflügen, Grubbern, Mähen mit zwei Mähwerken (8,50 m Arbeitsbreite) und viele Transporte.


Weitere Ansätze:

Das Rapsöl ersetzt im Betrieb 21 % des benötigten Dieselkraftstoffs. Für die anderen Fahrzeuge, besonders die Hofschlepper, kommt laut Konrad eine Umrüstung nicht infrage, weil sie zu oft in Teillast laufen. Das ist für den Rapsöleinsatz ungeeignet.


In ferner Zukunft könnte der Betrieb bis zu 40 % des Dieselbedarfs regenerativ erzeugen. Dazu soll ein Betriebs-Pkw mit Elektroantrieb angeschafft werden. Das bisherige Fahrzeug verbraucht im Jahr rund 1 000 Liter Diesel. Den Strom für das Fahrzeug könnte die Solarstromanlage liefern.


Ein Elektroauto ist auf kurzen Strecken heute schon wirtschaftlich, wie Konrad vorrechnet: Wenn ein Pkw 5 Liter Benzin à 1,40 €/l auf 100 km verbraucht, sind das 7 Euro pro 100 km. Das Betriebsfahrzeug des LVFZ fährt im Jahr 20 000 km. Das wäre also jährliche Spritkosten von 1 400 €.


Ein Elektrofahrzeug dagegen braucht 12 kWh Strom auf 100 km. „Wir rechnen mit Solarstromkosten von 12 ct pro kWh aus der eigenen Anlage, das wären also 1,44 pro 100 km oder 288 € bei 20 000 km“. Die Differenz von knapp 1 100 Euro plus etwa 200 € eingesparte Kfz-Steuer gleichen die Mehrkosten aus, die ein Elektro-Pkw gegenüber einem herkömmlichen Pkw vergleichbarer Leistung hat. Das E-Auto amortisiert sich also in circa sieben Jahren. Außerdem soll ein Hoflader mit Elektroantrieb angeschafft werden, der im Jahr 7 000 Liter Diesel ersetzt.


Weitere Maßnahmen für einen höheren Selbstversorgungsgrad:


  • Vorkühlung der Milch mit dem Tränkewasser (spart Strom bei der Milchkühlung).
  • Anschaffung von einer strom- und wassersparenden Waschmaschine in der Hauswirtschaft.
  • Lastmanagement, um Stromspitzen zu reduzieren und so die Stromkosten noch weiter abzusenken. Das könnte beispielsweise das Verschieben der Melkanlagenreinigung oder der Betrieb der Gefrier- und Kühlanlagen in der Schulküche sein auf Zeiten, an denen viel Solarstrom erzeugt wird.
  • Einbau von LED-Leuchten.


Nach neun Jahren produziert das LVFZ 130 % der benötigten Energie selbst. Bis auf den noch benötigten Diesel fließt kaum noch Geld an Energiekonzerne. LVZF-Leiter Konrad bringt es auf den Punkt: „Mit dem nötigen Engagement kann sich fast jeder Landwirt unabhängig von Energiepreisen und von der Energiepolitik machen, Ansätze dazu gibt es viele!“

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