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Biogas: Bakterien mögen lieber Brei als Brocken

Lesezeit: 9 Minuten

Eine Biogasanlage kann mehr Gas erzeugen, wenn die Rohstoffe richtig aufbereitet werden. Ob und wie sich das rechnet, zeigt ein Beispiel aus Schleswig-Holstein.


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Mit Aussagen wie „30 % mehr Biogas mit unserer Substrataufbereitung“ preisen viele Hersteller von Zerkleinerungsanlagen ihre Technik an. Die Begründung ist immer die gleiche: Mit einer besseren Vorzerkleinerung der Biomasse sollen die Bakterien im Biogasfermenter das eingefüllte Substrat schneller und intensiver aufschließen können, als wenn es einfach nur aus dem Silo über Schnecken in den Fermenter transportiert wird.


Auf den ersten Blick klingt das plausibel. Doch die Aufbereitungstechniken kosten teilweise 50 000 € und mehr. Daher muss sich jeder Anlagenbetreiber vor der Investition die Frage stellen: Lässt sich damit wirklich ein Mehrertrag erzielen und reicht er aus, um die Investition zu refinanzieren? Außerdem frisst die Substrataufbereitung immer zusätzlichen Strom und verursacht höhere Betriebskosten z. B. wegen des Verschleißes.


Kosten und Nutzen abwägen

Biogasberater Dr. Dietrich Clemens von der Unternehmensberatung Treurat und Partner hält daher eine Kosten-Nutzen-Analyse für ernorm wichtig und warnt vor zu hohen Erwartungen: „Bei Standard-Biogasanlagen mit 100 bis 110 Tagen Verweilzeit liegt der Abbaugrad des Substrats bei 80 %. Wo sollen da 30 % mehr Biogas herkommen?“


Als Kenngröße zur Einordnung der eigenen Anlageneffizienz empfiehlt Clemens die Netto-Strommenge, die sich aus einer Tonne Trockensubstanz erzeugen lässt. Die Netto-Strommenge ist die mit der Anlage insgesamt erzeugte Strommenge abzüglich des Eigenstrombedarfs, also des Strombedarfs beispielsweise von Rührwerken und Aufbereitungstechnik.


Die Biogasanlagen in der Beratung von Treurat und Partner kommen im Durchschnitt auf einen Wert von 1 350 Kilowattstunden je Tonne Trockensubstanz (kWh/t TS), suboptimale Anlagen erreichen dagegen kaum Werte über 1 200 kWh/t TS.


Flüssigfütterung besser:

Tendenziell liegen Anlagen mit einer längeren Verweildauer oder mit Flüssigeintrag eher über dem Durchschnitt, hat Clemens beobachtet. Der Grund: Das Substrat wird mit Gülle oder Rezirkulat bereits vor der Vergärung gemischt und gelangt so homogener in den Fermenter. „Das ist bereits ein Hinweis darauf, dass es bei den Anlagen nicht unbedingt auf die Zerkleinerung des Substrates, sondern mehr auf die Verbesserung der Homogenität im Fermenter ankommt“, schlussfolgert der Berater daraus.


Verweilzeit, Durchmischung und Art der Einsatzstoffe sowie TS-Gehalt und Viskosität im Fermenter sind also wichtige Erfolgsfaktoren für die Stromausbeute je Tonne TS. Mit einer Substrataufbereitung kann man diese Faktoren beeinflussen. Dabei lassen sich verschiedene Verfahren in der Praxis unterscheiden:


  • Es gibt mechanische Verfahren, die beispielsweise mit Hammermühlen, Ultraschall oder Schlägeln arbeiten.
  • Biochemische Verfahren arbeiten mit Enzymen oder anderen Zuschlagstoffen.
  • Physikalische Verfahren verwenden Stromspannung, um die Zellen zum Platzen zu bringen.


Die meisten Aufbereitungsverfahren werden vor dem Fermenter angeschlossen, bearbeiten also das gesamte Inputmaterial. Es gibt auch Verfahren, die im Fermenter oder dahinter erst eingesetzt werden.


Um die Wirkung von Fütterung und Aufbereitung bei einer durchschnittlichen Biogasanlage bewerten zu können, hat Clemens die Ergebnisse des Betriebes von Rainer Bonnhoff aus Klein Offenseth-Sparrieshoop im Landkreis Pinneberg (Schleswig-Holstein) ausgewertet.


Bonnhoff besitzt seit 2007 eine Biogasanlage mit 1,25 MW elektrischer Leistung. Er setzte bislang Mais, Grassilage sowie maximal 10 % strohreichen, gehäckselten Pferdemist ein. Die Raumbelastung liegt bei 3,3 kg organische Trockensubstanz je Kubikmeter Fermenter-volumen und Tag und damit über dem Schnitt anderer Biogasanlagen mit Rundbehältern.


Weil bei der Anlage mit Trockenfermentation rein rechtlich keine Flüssigkeit von außen zugeführt werden darf, maischt der Landwirt die eingefüllten Substrate mit absepariertem Rezirkulat aus dem Fermenter an: Auf eine Tonne Substrat kommen 4 m3 Flüssigkeit.


Bonnhoffs Anlage besteht aus zwei parallel geschalteten Fermentern, einem Nachgärer und einem Gärrestlager. Die Fermenter besitzen jeweils ein langachsiges Paddelrührwerk sowie ein schnell drehendes Tauchmotorrührwerk.


Die Stromausbeute der Anlage lag im mehrjährigen Mittel bei 1 350 kWh/t TS und damit genau im Durchschnitt.


Verbesserungen mit Rüben:

Dass die Anlage noch Reserven hat, zeigte bereits eine Umstellung der Fütterung: Vor rund zwei Jahren hat Bonnhoff begonnen, Zuckerrüben einzusetzen. „Die guten Erfahrungen anderer Betreiber hatten mich animiert, eine Alternative zum Mais einzusetzen“, begründet Bonnhoff den Schritt.


Die Zugabe von Zuckerrüben bis zu einem Anteil von 30 % des Gesamtinputs hat bewirkt, dass der Fermenterinhalt rührfähiger wurde. Denn TS-Gehalt und Viskosität sanken spürbar. Infolgedessen haben sich Zonen im Behälter aufgelöst, in denen das Material vorher nicht gerührt wurde.


Aus diesem Grund ist die Gaserzeugung angestiegen. Sie sackte zwar nach wenigen Wochen wieder ab. Aber das ist wohl darauf zurückzuführen, dass das kurzfristig aufgerührte Material abgebaut war. Die Zucker­rübengabe dagegen sorgte dafür, dass die Gasausbeute deutlich über 1 400 kWh je t TS anstieg (siehe Übersicht 1).


Die Ergebnisse bewertet Berater Clemens so: „Jeweils nur ein Paddel- und ein Tauchmotorrührwerk sind für eine Anlage mit hohem TS-Gehalt deutlich zu wenig. Die Schnellläufer drehen bei einem TS-Gehalt im Fermenter von über 8 % nur in ihrem eigenen Saft.“ Im Behälter bilden sich dann Zonen aus, in denen keine Durchmischung des Substrats stattfindet. Teilweise wird so nur ein Drittel des Behälters genutzt, schätzt der Berater.


Diese so genannten Totzonen kennt er auch von anderen Anlagen. Es gibt Fälle, bei denen im Fermenter ein zäher Substratbrei die Mittelsäule, die das Dach trägt, einfach weggedrückt hat. In diesen Anlagen liefen auch je ein Paddel- und ein Tauchmotorrührwerk. „Der Schaden ist ein untrügerisches Zeichen dafür, dass sich ungerührtes Substrat in Totzonen immer stärker angesammelt hat“, resümiert Clemens.


Substrat wird vermahlen:

: Im April waren die Zuckerrüben im Betrieb Bonnhoff aufgebraucht, weshalb der Landwirt wieder seinen alten Substratmix fütterte. Um die Durchmischung bei bestehenden Rührwerken auch ohne Zuckerrübenfütterung weiter zu verbessern, entschied er sich für die Nachrüstung einer Hammermühle.


Doch anders als viele andere Betriebe ließ er die Zerkleinerung dem Fermenter nachgeschaltet installieren. Hierbei muss nicht das komplette Inputmaterial zerkleinert werden, sondern nur das, was die Bakterien noch nicht aufgeschlossen haben. „Das ist mit dem Wiederkäuen einer Kuh zu vergleichen“, meint Landwirt Bonnhoff.


Da auch Störstoffe wie Steine spätestens im Fermenter abgeschieden sind, können sie der Aufbereitungstechnik nicht schaden. Dadurch sinkt der Verschleiß ernorm. Wie Clemens von den Anlagen anderer Mandanten weiß, sorgt eine Zerkleinerung von trockenem Material vor der Vergärung für deutlich mehr Verschleiß. Außerdem ist der Energieaufwand deutlich höher als bei der Nassvermahlung. Denn bei diesem Verfahren brechen die Zellen des vorvergorenen Materials schneller als im trockenen Zustand.


Die Hammermühle ist am Überlauf vom Fermenter in den Nachgärer installiert. Am Tag gelangen so rund 120 m3 des Fermenterinhalts in die Hammermühle. Das behandelte Substrat gelangt anschließend wieder zurück in den Fermenter. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der spezifische Stromertrag blieb auch nach dem Absetzen der Zuckerrübe auf hohem Niveau und stieg in der Tendenz noch weiter an.


Die Leistungssteigerung führt Clemens vor allem auf die bessere Durchmischung aufgrund einer geringeren Viskosität zurück. Das führt zu einer besseren Verteilung des Substrats und der Bakterien, die für den Biomasseaufschluss verantwortlich sind.


Längere Verweilzeit:

Dazu kommt nach seiner Ansicht ein verstärkender Effekt: Da Landwirt Bonnhoff jetzt bei höherer Gasausbeute pro Tonne Substrat die Fütterungsmenge verringern konnte, verlängert sich bei gleichem Fermentervolumen die Verweildauer des Substrates im Fermenter automatisch – im Fall Bonnhoff um rund 25 Tage. „Das erhöht die Gasausbeute zusätzlich“, erklärt Berater Clemens.


Als weiteres verstellt Bonnhoff jetzt wöchentlich die Stellung der Tauchmotorrührwerke im Fermenter, indem er sie an der Führungsschiene hoch- und herunterlässt. „Den Effekt dieser Maßnahme hatten wir deutlich unterschätzt“, meint der Landwirt. Die Veränderung von Strömungsrichtung und Höhe hat die Rührleistung im Fermenter erhöht und damit zur Leistungssteigerung beigetragen, ist er überzeugt.


Der Eigenstrombedarf ist trotz der zusätzlichen Hammermühle mit 6,5 % gleichgeblieben. Grund: Die Leistung von Rührwerken und Pumpen ist aufgrund der geringeren Viskosität des Materials im gleichen Maße gesunken. Die Maßnahme hat dauerhaft zu einer höheren Stromausbeute von rund 120 kWh/t TS und damit zu einer Effizienzsteigerung von rund 9 % geführt.


Nicht immer wirtschaftlich:

Doch reicht das aus, um die Investition zu refinanzieren? Zur überschlägigen Einschätzung dient die Berechnung in der Übersicht 2 auf Seite 100 für zwei Anlagen mit jeweils 500 kW bzw. 1,5 MW elektrischer Leistung.


Die Investitionskosten einer Hammermühle als Aufbereitungstechnik sind hier mit 150 000 € kalkuliert. Sie schlagen mit 36 775 € pro Jahr zu Buche. Dieser Betrag berücksichtigt Abschreibung, Wartung und Instandhaltung sowie den Strombedarf. Die Stromkosten und damit die Kosten pro Jahr sind bei der größeren Anlage 100 € höher, weil die Aufbereitung hier häufiger läuft. Da der Strombedarf für Pumpen und Rührwerke zurückgeht, wurden hier 400 € als Einsparung veranschlagt.


Dank des höheren spezifischen Strom-ertrags von 100 kWh/t TS muss die Anlage 644 t weniger Substrat füttern. Bei einem Substratpreis von 35 €/t (Frischmasse) würde der Betreiber einer 500 kW-Anlage rund 22 500 € pro Jahr einsparen, bei 38 €/t lägen die Einsparungen bei 24 500 € pro Jahr.


Diese reichen in diesem Fall allerdings nicht aus, um die jährlichen Kosten der Aufbereitungsanlage zu decken. Bei dem angesetzten Substratpreis würde unterm Strich ein Minus von bis zu 14 000 € entstehen. Im Fall der größeren Anlage bleibt unterm Strich ein Plus von 30 000 €.


Was dabei allerdings noch nicht berücksichtigt wurde: Die Aufbereitung kann auch Erntekosten senken. Bei der letzten Ernte hat Landwirt Bonnhoff beispielsweise den Mais auf eine Länge von 12 mm häckseln lassen. „Viele Berufskollegen lassen ja feiner häckseln, damit die Biogasbakterien mehr Angriffsfläche haben. Aber das macht die Lagerung schwieriger“, weiß er aus Erfahrung. Denn aus dem Silo mit feingehäckseltem Mais läuft mehr Sickersaft aus, es geht also Energie verloren.


Bei größerer Häcksellänge verbraucht der Feldhäcksler auch weniger Kraftstoff und die Schlagkraft erhöht sich um 20 %, weil er schneller fahren kann. Auch dadurch spart Bonnhoff Geld ein.


Die Lehren daraus:

Die Ergebnisse zeigen: Nicht jede Investition in eine Aufbereitungstechnik muss zwangsläufig zum Erfolg führen. Wichtig ist, dass der Anlagenbetreiber zunächst die Schwächen seiner Biogasproduktion ermittelt und dann gezielt nach Lösungen sucht.


Grundsätzlich ist die Vermahlung nach der Vergärung genauso wie eine Flüssigfütterung oder die Zugabe von Zuckerrüben geeignet, die Fließ- und Rührfähigkeit des Substratbreis zu erhöhen. Außerdem kann der Betreiber mit der nachgeschalteten Mühle die Viskosität im Fermenter besser einstellen, da der Substratbrei homogener wird.

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