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Biogas: So klappt’s auch mit den Nachbarn

Lesezeit: 7 Minuten

Viele Anwohner haben Vorbehalte gegen Biogasanlagen. Sie befürchten Lärm und Gestank. Mit der richtigen Öffentlichkeits­arbeit nehmen Sie den Kritikern den Wind aus den Segeln.


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Auf den ersten Blick ist alles im grünen Bereich: 97 % der Bevölkerung spricht sich für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien aus. 70 % der Bürger würde auch eine Anlagen in direkter Nachbarschaft akzeptieren. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter 3 000 Bundesbürgern, die die Agentur für Erneuerbare Energien (Berlin) im Dezember 2008 veröffentlicht hat.


Schaut man genauer hin, bewerten die Befragten die Energieträger aber sehr unterschiedlich (siehe Übersicht). Einen Solarpark würden demnach 76 % der Bürger in der Nähe ihres Wohnortes akzeptieren. Kein Wunder: Ein derartiger Park ist sehr flach, fällt kaum in der Landschaft auf und verursacht weder Lärm, Geruch noch Schattenwurf. Anders bei der Windenergie: Hier sind nur 55 % der Bürger bereit, in der Nähe einer Anlage zu wohnen, bei einer Biomasseanlage sogar nur noch 41 %.


Das Bild spiegelt vieles wider, was sich derzeit vor Ort abspielt. Wie so häufig messen viele Bürger mit zweierlei Maß: Sie halten erneuerbare Energien für geeignet, um den Klimawandel und steigende Energiepreise zu stoppen. Aber wenn es um das eigene Umfeld geht, machen sich Angst, Skepsis und Ablehnung breit.


In vielen Regionen entsteht fast re-flexartig eine Bürgerinitiative, sobald erste Pläne zum Bau einer neuen Biogasanlage bekannt werden. Hauptkritikpunkte: Die Anlagen stinken, machen Lärm, erhöhen den Verkehr und fördern den Maisanbau. Auch Wertverlust von Grundstücken oder Gesundheitsrisiken tauchen als Gegenargumente in Flugblättern und Internetaufrufen immer wieder auf.


Alles soll bleiben wie es ist


Doch diese Gründe sind zum Teil nur vorgeschoben, beobachtet Carsten Wachholz, Referent für Energiepolitik und Klimaschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Autor des „Kommunikationsratgebers zum Ausbau Erneuerbarer Energien“: „Viele Proteste richten sich nicht in erster Linie gegen Biomasse, sondern zunächst gegen eine bauliche Veränderung im Umfeld. Das kann auch eine Umgehungsstraße oder ein Industrieanlage sein“, weiß Wachholz, der als Berater und Moderator bei unterschiedlichen Konfliktfällen mitgewirkt hat. Daher kommt man bei diesen Protesten mit Sachargumenten wenig weiter (Lesen Sie dazu auch das Beispiel aus Niedersachsen auf Seite 114).


Zusätzlich verschärft sich das Problem seiner Meinung nach, weil viele Bürger aus den Städten ins Dorf gezogen sind. Der normale landwirtschaftliche Alltag ist ihnen fremd, sie wollen ihre Ruhe und ein ungestörtes Wohnumfeld.


Doch nicht immer sind die Bedenken der Bevölkerung unbegründet. „Es gibt auch Negativbeispiele wie den Umbruch von Grünland in Naturschutzgebieten oder eine mangelhaft betreute Anlage verbunden mit Geruchsemissionen, die schnell in einer Region die Runde machen“, schildert Wachholz.


Viele Betreiber denken nicht an die Öffentlichkeit, weil sie davon ausgehen, dass die Biomassenutzung und Energieerzeugung politisch gewollt sind. Wenn die Bevölkerung aber erst aus der Presse oder während des Genehmigungsverfahrens von den Plänen erfährt, ist der Ärger abzusehen.


Grund: Häufig präsentieren Investoren, Planer oder Projektierer die vermeintlich bestmögliche Lösung mit dem Argument, sich über Standort, Substratversorgung oder Verkehrsführung ausreichend Gedanken gemacht zu haben. „Aber genau dabei fühlt sich der Bürger übergangen. Denn meist sind Standortfrage oder Anlagenkonzept in dem Stadium des Genehmigungsverfahrens nicht mehr verhandelbar“, berichtet Wachholz aus der Praxis.


Den ersten Schritt bei einem neuen Projekt sollte die Vorstellung beim Bürgermeister oder im Gemeinderat sein. Ist mit Widerständen aus der Bevölkerung zu rechnen, sollten der Landwirt oder die Gemeinde anschließend aber nicht mit einer großen Info-Veranstaltung an die Öffentlichkeit gehen. Bei 100 Leuten im Saal reichen vier Kritiker aus, um richtig Stimmung zu machen. Besser ist es, wenn man mit entscheidenden Persönlichkeiten vorher spricht. Das ist eine Form von Wertschätzung und wichtig, um die Luft heraus zu nehmen.


Einzelgespräche suchen


Allerdings sollte man dieses Gespräch nicht unter vier Augen führen, um nicht in den Ruf von Klüngelei zu geraten. Wenn ein Kritiker trotzdem später bei einer Veranstaltung Stimmung machen will, kann man ihm entgegen halten: „Herr X, ihre persönliche Situation haben wir ja schon im Vorgespräch abgeklärt und würden gerne andere Stimmen aus dem Raum hören, wie sie ihre Betroffenheit einschätzen.“ Der Moderator der Veranstaltung kann so differenzieren, was als angeblich gemeinsames Anliegen einer Bürgerinitiative angegeben wird, und was persönliches Interesse ist. Auch lassen sich so die Querulanten isolieren, bevor sie die Bevölkerung hinter sich scharen.


Ebenfalls persönlich sollte man in dem Stadium mit der Lokalpresse sprechen, bevor sie voreingenommen, mit falschen Informationen und einseitig aus Sicht einer Bürgerinitiative berichtet.


Ist der Protest bereits eskaliert, kann eine neutrale Persönlichkeit im Ort wie z. B. der Vorsitzende vom Heimatverein oder eine andere Autorität helfen, die Diskussion wieder auf das richtige Niveau zu bringen. Wenig hilft es dagegen, auf Flugblätter einer Bürgerinitiative mit eigenen Flugblättern zu reagieren.


Nur am runden Tisch verhandeln


Auch für Verhandlungen ist eine Großveranstaltung nicht geeignet. Gerade bei festgefahrenen Konflikten sollten die Beteiligten besser einen runden Tisch mit Interessenvertretern oder auch ein Nachbarschaftsforum ins Leben rufen. „Das kann später auch bei Problemen im laufenden Betrieb oder bei neuen Projekten helfen“, weiß Wachholz.


Bei Info-Veranstaltungen sollte der Investor das Konzept möglichst plastisch darstellen und dann Gelegenheit für erste Reaktionen und Fragen geben. Eine An-einanderreihung von Frontalvorträgen sollte man unbedingt vermeiden!


Auch gehen Vorträge über Klimawandel und energiepolitische Rahmenbedingungen an den Interessen der Leute vorbei, die zu so einer Veranstaltung kommen. Wachholz: „Sie wollen Antworten auf ihre Fragen haben.“


Als Moderator dieser Veranstaltung ist eine neutrale Person mit starker Außenwirkung wie z. B. der Bürgermeister, oder ein externer Moderator am besten geeignet. Am Ende sollte vereinbart werden, wie man weiter vorgehen will.


Zeichnen sich größere Probleme z. B. bezüglich des Standortes ab, wäre spätestens jetzt eine Mediation sinnvoll, mit deren Hilfe die Interessen analysiert und eine gemeinsame Lösung erarbeitet werden kann. Genau wie ein Moderator sorgt auch ein Mediator dafür, dass eine Veranstaltung effizient und strukturiert abläuft. „Während bei einer Moderation die Gruppe in der Regel aber ein gemeinsames Ziel verfolgt, greifen Mediatoren da ein, wo es zum Konflikt gekommen ist“, berichtet Inga Lutosch, Konfliktmanagerin und Mediatorin aus Greifswald, die schon in Konflikten bei Bioenergieanlagen vermittelt hat.


Ihrer Erfahrung nach ist eine Mediation so früh wie möglich im Planungsprozess sinnvoll: „Am besten steigt man ein, wenn noch keine Baugenehmigung vorliegt und noch über das ‚ob‘ verhandelt werden kann. Dann wird von vornherein in eine gemeinsame Richtung geplant.“ Auch ergeben sich im Gespräch mit anderen oft bessere Lösungen.


Grundsätzlich mehr Akzeptanz haben Projekte, an denen sich die Bürger beteiligen können, z. B. als Wärmeabnehmer oder als Kommanditisten. Dadurch empfinden sie die Anlage nicht als Fremdkörper.


Das Angebot zu einer Wärmeversorgung sollte aber nicht erst kommen, wenn der Konflikt bereits eskaliert ist; es könnte sonst so ausgelegt werden: „Der will uns kaufen.“


Um Konflikte langfristig zu vermeiden, stehen auch die Gemeinden in der Pflicht. „Es muss eine offene Debatte darüber geben, welche Energieform zu der Region passt, wo sich die Anlagen sozial- und umweltverträglich ansiedeln lassen und wie die Gemeinde davon profitieren kann“, fordert Wachholz.


Es ginge künftig nicht mehr nur darum, die Anlagen in die Landschaft zu stellen, sondern ein vernünftiges Energiekonzept zu erstellen: „Der Bürger muss merken, welche Vorteile er von der Anlage hat!“ Hinrich Neumann

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