Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Waldumbau Seelische Gesundheit Steuern in der Landwirtschaft

Mäuse

Den Mäusen schmecken diese Dämmstoffe nicht

Naturdämmstoffe fristen ein Nischendasein. Dabei haben sie mehr positive als negative Eigenschaften, und vor allem die Papierzellulose ist für Landwirte interessant.

Lesezeit: 8 Minuten

Naturdämmstoffe fristen ein Nischendasein. Dabei haben sie mehr positive als negative Eigenschaften, und vor allem die Papierzellulose ist für Landwirte interessant.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Keine Frage: Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind umweltschonend. Sie enthalten nicht nur weniger Chemikalien als herkömmliche Produkte. Sie lassen sich auch noch sehr energieeffizient herstellen.


Den meisten Landwirten dürfte das als Verkaufsargument aber nicht ausreichen. Dämmstoffe müssen mehr können. Sie sollen nicht nur das Haus warm halten, sondern auch für ein gesundes Wohnklima sorgen, Schall dämpfen und Feuchtigkeit tolerieren, ohne dass sich Schimmel bildet. Doch können Naturdämmstoffe wie Zellulose, Schafswolle oder Korkplatten in diesen Punkten mit Steinwolle, Styropor & Co. mithalten?


„Naturdämmstoffe haben Stärken und Schwächen. Allerdings überwiegen die Vorteile.“ Davon ist man im Handwerksbetrieb „Röwekamp & Stumpe“ aus Telgte-Raestrup in Westfalen überzeugt. Zu einem echten Verkaufsschlager hat sich dort die Papierzellulose entwickelt. Vereinfacht dargestellt, handelt es sich dabei um zerkleinertes Papier, das ähnlich gute Eigenschaften aufweist wie Glas- oder Mineralwolle.


Für das Naturmaterial spricht auch dessen einfache und flexible Handhabung: „Wir blasen die Zellulose mit Luftdruck beispielsweise auf Geschossdecken oder in Hohlräume“, erklärt Hans Stumpe, einer der beiden Teilhaber des Unternehmens. Das aufwendige Verlegen der herkömmlichen Dämmmatten entfällt somit. „Außerdem ­lassen sich mit dieser Technik Hohlräume erreichen, die andernfalls kaum gedämmt werden können“, fügt Norbert Hesselkamp hinzu. Der Geschäftsführer des Dämmstoffzentrums „H2 Therm“ aus Greven vertreibt Dämmstoffe und stellt zusammen mit seinen Partnern auch eigene Materialien her.


Weniger Schimmel:

Zellulose kann allerdings noch mehr. Wie fast alle Naturdämmstoffe nimmt sie bis zu einem gewissen Grad relativ gut Feuchtigkeit auf und behält dabei ihre dämmenden Eigenschaften. Normalerweise verwenden Bauprofis Dampfbremsen beim Dämmen. Diese Folien verhindern, dass sich warme Feuchtigkeit in oder an der kalten Dämmung niederschlägt und Schimmel bildet. „Noch besser sind hingegen diffusionsoffene Bauweisen, die die Feuchtigkeit hindurchlassen“, erklärt der Architekt Andreas Brückner von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Denn die Folien bieten nur dann hundertprozentigen Schutz, wenn sie lückenlos verlegt werden, was in der Praxis nicht immer der Fall ist.


Um auf die Dampfsperre verzichten zu können, benötigt man aber entsprechende Stoffe, die zu einem gewissen Grad Feuchtigkeit tolerieren – und dazu zählen die Naturmaterialien. Wie gut ein Dämmstoff das kann, beschreibt die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl (Übersicht 1). Je geringer dieser Wert, desto hochwertiger das Material. So kommt Polystyrol beispielsweise auf Werte zwischen 30 und 100. Zellulose oder Matten aus Hanf erreichen hingegen Werte zwischen 1 und 2.


Mäuse ade:

Auch Alexander Drenkpohl aus Everswinkel (NRW) hat sich aus diesem Grund für die Papierzellulose entschieden. Sein Bauernhaus ist mittlerweile 65 Jahre alt und in die Jahre gekommen. Zwar wurde die Zwischensparrendämmung in den 80ern erneuert. „Die hat aber ihre beste Zeit hinter sich“, so der Sauenhalter und zeigt auf ein Fach in seinem Dach. Dort, wo eigentlich Mineralwolle zu sehen sein müsste, klafft ein Loch. „Die Dämmung ist zusammengesackt und liegt am Boden“, erklärt er. Weil er ohnehin seinen Dachstuhl ausbauen will, erneuert er die Dämmung gleich mit.


Für die Zellulose spricht aus seiner Sicht nicht nur die Tatsache, dass diese bei fachgerechter Einbringung nicht zusammensackt, sondern noch ein anderer Umstand: In den alten Fächern hatten es sich mit den Jahren Ratten und Mäuse gemütlich gemacht. Deren Unrat und Kot fand er beim Abdecken des alten Daches zuhauf. Mit der Papierzellulose dürfte er damit weniger ein Problem haben. Denn durch die starke Verdichtung, die keine Hohlräume zulässt, haben die Nager es schwer, Gänge und Nester anzulegen. Das mit Borsalz versetzte Altpapier reizt zudem die Schleimhäute der Nager und hält sie von den Flächen fern. Allerdings gibt es auf dem Markt Zellulosen mit unterschiedlichen Salzgehalten. Bei Problemen mit Nagern empfehlen Experten Produkte mit mehr als 8 % Bor.


Davon berichtet Hermann Hustert aus Warendorf. Der Sauenhalter aus dem West-Münsterland hat seine 800 Sauen auf drei Ställe aufgeteilt. Zwei davon sind bereits weit über zehn Jahre alt. Für die Zwischendecken über den Abteilen wählte er damals alubeschichtete Polyurethan-­Platten aus. Die erfüllten 20 Jahre ihren Dienst. Dann allerdings entdeckte er immer öfter mehrere Millimeter starke Spalten zwischen den Platten. Durch diese konnte die warme Luft aus den Ställen ungehindert entweichen und teilweise kondensierte diese auch in den kalten Schlitzen und tropfte wieder herunter.


„Die Platten sind mit der Zeit geschrumpft“, erklärt er das Problem. Woran genau das liegt, kann er nicht sagen. Kollegen von ihm stünden ebenfalls vor dem gleichen Problem. Ein Erklärungsversuch von Experten: Die Weichmacher in Platten haben im Laufe der Zeit ihre Wirkung verloren. Dadurch werde das Material brüchig und ziehe sich nach und nach zusammen. Hustert musste somit handeln und entschied sich für eine Lage aus Zellulose, die einfach über die alte Decke „geblasen“ wurde. „Das war in diesem Fall die einfachste Alternative“, sagt Stumpe, der Hustert beraten hat. Denn die alte Decke brauchte nicht ausgetauscht werden. Im Gegenteil. Sie dient nun als Unterkonstruktion für die neue Schicht. Da die Zellulose sehr leicht ist, gebe es auch keine Probleme mit der Tragfähigkeit der alten Schicht.


Mittlerweile ist die neue Dämmschicht gar nicht mehr so neu und drei Jahre alt. Was Hustert in dieser Zeit aufgefallen ist: Die Zellulose speichert sehr gut Wärme und gibt diese erst langsam wieder ab. Das heißt, dass sich die Ställe vor allem im Sommer nicht so schnell aufheizen und im Winter nicht so schnell auskühlen. Experten nennen dieses Phänomen auch Phasenverschiebung.


Ob ein Stoff diese Eigenschaft besitzt, verrät die Wärmespeicherkapazität. Sie gibt an, wie viel Energie notwendig ist, um 1 kg eines Stoffes um 1 °C zu erwärmen. Gemessen wird sie in Joule pro Kilogramm und Kelvin (J/(kg x K)). Nur Materialien mit hohen Werten gelten dabei als träge. Sie geben die Wärme somit nur langsam wieder ab. Dazu gehören alle Materialien mit Werten ab 1 600 J/(kg x K). Zu den Spitzenreitern zählen beispielsweise Wiesengras oder Hanf (beide 2 200 J/(kg x K, Übersicht 1, Seite 153).


Gutes Klima:

Die Phasenverschiebung kommt auch Husterts Tieren zugute. Das Klima im Stall verbessert sich und die Schweine sind leistungsfähiger, so Hustert. Dieser Effekt schont außerdem sein Portemonnaie: Früher sprang die Heizung bei einer Außentemperatur von unter 2 °C an, heute erst bei -10 °C.


Das bessere Raumklima ist für viele Verbraucher auch der entscheidende Grund, weshalb sie bereit sind, ein paar Nachteile in Kauf zu nehmen. Zu den Schattenseiten der Naturdämmung zählt beispielsweise der Kaufpreis. Das liegt allerdings nicht einmal an den Materialien selbst, sondern vielmehr an dem eher noch schleppenden Absatz. So bieten Händler den Kubikmeter Mineralwolle beispielsweise für etwa 32 bis 40 € (ohne MwSt.) an. Die gleiche Menge Holzflexplatten schlägt hingegen mit 50 € zu Buche (ohne MwSt.).


Der reine Preisvergleich ist allerdings schwierig, weil er nur die „halbe Wahrheit“ widerspiegelt. Das wird an der Papierzellulose deutlich. Der Quadratmeter Glaswolle kostet beispielsweise rund 6,30 € (18 cm dick, ohne MwSt.). Für die Zellulose verlangen Händler 1,30 € mehr (7,60 €, ohne MwSt.). Allerdings sind das die reinen Materialkosten.


Hinzu kommen die Ausgaben für das Verlegen. Da sich Zellulose sehr einfach und schnell verarbeiten lässt, fallen die Gesamtkosten in der Regel deutlich niedriger aus als bei der Mineralwolle. Hinzu kommen dann noch die positiven Eigenschaften des Naturproduktes, die sich ebenfalls nicht im Preis widerspiegeln. Hesselkamp ist sich zudem sicher: „Mit steigendem Absatz werden künftig auch die Preise für die Naturdämmstoffe weiter sinken.“ Zu den Nachteilen zählt auch: Die Naturprodukte erreichen oftmals nicht die Dämmwirkung wie von Mineralwolle oder beispielsweise Polystyrol. Wie gut die einzelnen Produkte abschneiden, kann man an der sogenannten Wärmeleitfähigkeit ablesen. Sie gibt den Wärmestrom an, der pro Sekunde durch einen Quadratmeter einer ein Meter dicken Schicht fließt – bei einem Temperaturunterschied von einem Grad Celsius zwischen den beiden Seiten. Fachleute geben im Übrigen die Temperaturdifferenz in Kelvin, kurz K, an. Dabei gilt: Je niedriger der Wert, desto besser dämmt das Material.


Konventionelle Dämmstoffe kommen in der Regel auf Werte zwischen 0,02 bis 0,04 Watt pro Meter und Kelvin (W/(m x K)). Naturdämmstoffe schaffen oft nur maximal 0,04 W/(m x K). Konsequenz: Um die gleiche Dämmwirkung wie bei konventionellen Materialien zu erreichen, muss der Bauherr bei nachwachsenden Rohstoffen eine etwas größere Dämmstoffdicke wählen. Das ist nicht per se ein Problem, kann aber bei einer Innendämmung zum Nachteil werden. Denn dann geht durch die zusätzliche Schicht wertvoller Wohn- oder Stallraum verloren. Beispiel: Wer mit Kork- anstatt Hartschaumplatten seine Wand dämmt, muss eine etwa anderthalb so dicke Schichte einplanen, um die gleiche Dämmwirkung zu erreichen.


Kaum brennbar:

Ein weiterer Kritikpunkt ist die höhere Brandgefahr. „Dämmstoffe werden in unterschiedliche Brennstoffklassen eingestuft. Hier erreichen Naturdämmstoffe nicht die höchste Klasse“, so Brückner. Die meisten Materialien gehören der Baustoffklasse B2 an und gelten daher als normalentflammbar. Der konventionelle Dämmstoff Glas-/Steinwolle gehört in die Kategorie A1 und ist nicht brennbar.


Doch die Gefahr eines Brandes von Naturdämmstoffen wird bei fach­gerechter Planung und Ausführung des Bauteils nicht zwangsläufig erhöht. „So sind bei klassischen Einsatzzwecken wie der Zwischensparrendämmung nachwachsende Dämmstoffe problemlos“, sagt Brückner.


Der Experte sieht sogar Vorteile: „Bei einem Brand entweichen aus den Naturprodukten keine giftigen Stoffe, wie zum Beispiel bei Polystyrol.“D. Rolink

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.