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Der Biomethan-Profi aus Dannenberg

Lesezeit: 7 Minuten

Landwirt Horst Seide aus Niedersachsen verkauft aufbereitetes Biogas über das Erdgasnetz an BHKW-Betreiber und Autofahrer.


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Eine Biogasanlage steht direkt am Hof und produziert mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) Wärme und Strom: So sieht das klassische Modell der landwirtschaftlichen Biogasproduktion in den meisten der über 5 000 Biogasanlagen in Deutschland aus.


Der niedersächsische Landwirt Horst Seide aus Landsatz (Landkreis Lüchow-Dannenberg) beschreitet dagegen neue Wege, um das Biogas vielseitig zu vermarkten und so die Wertschöpfung deutlich zu erhöhen.


Auch Seide betreibt seit 1998 eine Biogasanlage am Hof, die von ehemals 100 kW auf heute 255 kW elektrische Leistung gewachsen ist. Doch für mehr Leistung war die Hofanlage nicht geeignet, zumal keine ausreichende Wärmenutzung möglich ist.


Darum entschied er sich, eine neue Biogasanlage im Gewerbegebiet Dannenberg zu errichten. Der Standort ist gut gewählt: In der Nähe befinden sich eine Gasleitung, eine gut besuchte Tankstelle sowie mehrere Gewerbebetriebe mit Wärmebedarf.


Die Anlage ist mit 690 kW im Jahr 2007 ans Netz gegangen. Seide füt-tert heute nachwachsende Rohstoffe wie Mais, Hirse und Hühnertrockenkot.


Außerdem hat er eine Nachgenehmigung erhalten, um pflanzliche Nebenprodukte wie z. B. Gewürzpflanzen und Obsttrester aus Anhang 5 des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) einsetzen zu können.


Seide plant jetzt eine Anlagenerweiterung. Mit der Erhöhung der Fütterungsmenge will er die Faulraumbe-lastung von derzeit 5 kg auf 8 bis 9 kg oTS je m3 Fermentervolumen und Tag erhöhen.


Breite Vermarktung


Aufgrund der günstigen Lage der Biogasanlage hat der Landwirt heute mehrere Möglichkeiten für die Verwertung des zusätzlich gewonnenen Gases, die der findige Biogas-Pionier voll ausschöpft (siehe auch Übersicht):


j 1. Er erzeugt mit den beiden Blockheizkraftwerken weiterhin Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird.


j 2. Die dabei anfallende Abwärme will er ab Herbst teilweise an mehrere Industriebetriebe im Gewerbegebiet verkaufen, unter anderem an einen Geflügelverarbeiter, der 400 kW Wärme ganzjährig benötigt. Das dafür nötige Fernwärmenetz soll noch im Herbst gebaut werden.


j 3. Einen weiteren Teil der Abwärme nutzt er, um damit eine Gasaufbereitungsanlage zu betreiben. Das aufbereite Biogas (Biomethan) wird in ein Versorgungsnetz der E.on mit 700 mbar Druck eingespeist. Das Gas verkauft Seide anschließend an mehrere Betreiber von Blockheizkraftwerken.


j 4. Außerdem will Seide aufbereitetes Gas ab Herbst an der Tankstelle verkaufen. Dafür hat er bei dem benachbarten Raiffeisen-Autohof in Dannenberg einen Stellplatz gemietet, um dort eine eigene Tanksäule zu errichten. Der Autohof übernimmt für ihn als Dienstleistung die Abrechnung mit den Kunden.


j 5. Einen kleinen Teil des Biomethans vermarktet er direkt an eine landwirtschaftliche Spedition, die aus Marketingzwecken Biomethan als Kraftstoff einsetzen will.


Mit dieser Palette an Möglichkeiten betritt Seide beim Biomethan-Verkauf Neuland. Als Kraftstoff will er nur das Gas verkaufen, das er aus den pflanzlichen Nebenprodukten erzeugt hat. Diese Stoffe bringen zwar viel Biogas und kosten ihn bis auf den Transport wenig, so dass er mit ihnen günstig Biogas erzeugen kann. Dafür erhält er für sie aber nicht den Bonus für nachwachsende Rohstoffe. Im EEG sind für Reststoffe Standard-Gaserträge in kWh elektrischer Energie je Tonne Frischmasse angegeben, anhand derer der Netzbetreiber die Strommenge bestimmt, für die es keinen Nawaro-Bonus, sondern nur die Grundvergütung gibt.


Diese Möglichkeit hatte der Gesetzgeber mit dem neuen EEG im Jahr 2009 geschaffen. Mit dem Kraftstoffverkauf erhöht sich die Wertschöpfung für Seide, denn er bekommt ungefähr 20 % mehr als beim Stromverkauf.


Den weitaus größten Teil des Biogases, das Seide mit der vorhandenen Anlage zusätzlich produzieren will, wird seit September in einer Gasaufbereitungsanlage auf Erdgasqualität mit 99 % Methangehalt aufgewertet.


Aber anders, als bei den meisten existierenden Biomethananlagen verkauft Seide das Rohgas nicht an einen Energieversorger, sondern hat selbst für rund 1,2 Mio. € in eine Gasaufbereitungsanlage mit der dazugehörigen Peripherie investiert. Seide hat sich dabei für eine Aufbereitungsanlage entschieden, die mit der drucklosen Aminwäsche arbeitet. Dieser Anlagentyp benötigt viel Wärme, die er über die Abgaswärme aus dem BHKW kostenlos zur Verfügung hat (siehe Grafik auf S. 18). Und da er das Gas ins Niederdrucknetz mit 700 mbar einspeist, benötigt er auch keinen höheren Gasdruck. Daher kommt ihm das drucklose Verfahren entgegen.


Biomethan fließt nach Schleswig-Holstein


Auch das eingespeiste Biomethan bleibt in Seides Besitz. Das Gas verkauft er größtenteils an einen Bio-Landwirt aus Schleswig-Holstein, der ein BHKW mit 500 kW betreibt. Weitere Mengen sollen an Betreiber kleinerer BHKW im Landkreis Lüchow-Dannenberg gehen, mit denen Seide derzeit verhandelt.


Das Gas stellt Seide dem Landwirt direkt in Rechnung. Er erhält dafür je nach Brennwert zwischen 7 und 7,5 Cent je kWh. In dem zehnjährigen Liefervertrag ist eine Preisgleitklausel enthalten, die den Gaspreis an den Preis für Heizöl koppelt. „Es ist für einen Abnehmer interessanter, Biomethan zu kaufen als Erdgas, weil er die 20-jährige Vergütung für den Strom erhält und so mehr Sicherheit hat“, erklärt Seide.


Im Falle von Erdgas würde er eine Vergütung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz erhalten, die nicht fix ist, sondern sich in jedem Quartal ändert. „Viele Hausbesitzer oder Werkstätten wissen noch gar nicht, dass sie auf diese Weise Biogas nutzen können. Viele meinen, die Biogasanlage müsse dafür in der Nähe sein. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten“, musste der Landwirt erfahren.


Große Hürden zu überwinden


Doch so einfach, wie sich die Direktvermarktung anhört, ist sie in Wirklichkeit nicht. Denn de facto speist Seide in Dannenberg zwar Biomethan ins Erdgasnetz ein. Bei dem Landwirt in Schleswig-Holstein kommt dagegen nur Erdgas an. Damit dieser trotzdem die EEG-Vergütung erhält, muss Seide dem Netzversorger über ein aufwändiges Verfahren nachweisen, dass er die gleiche Menge Biomethan ins Netz eingespeist hat, die der BHKW-Betreiber entnimmt.


Für diese Bilanzierung sind etliche Vorschriften aus dem Gasmarkt zu beachten. Zusätzlich ist sie sehr zeitaufwändig, da sie täglich genau sein muss. „Um mir diese Arbeit zu erleichtern, habe ich für die Bilanzierung einen Dienstleister beauftragt“, erklärt Landwirt Seide (siehe dazu Interview ab Seite 20). Außerdem muss der Einspeiser zahlreiche Verträge abschließen (siehe dazu Kasten auf Seite 19).


Verfahren gegen den Netzbetreiber


Auch die Verhandlungen mit dem Energieversorger waren aufwändig. Für den Gasanschluss hatte Seide gegen den Netzbetreiber sogar ein Verfahren bei der Bundesnetzagentur angestrengt. „Es waren mehrere Punkte im Netzanschlussvertrag unklar. Auch hatte der Netzbetreiber überhöhte Forderungen an die Biogasqualität gestellt“, schildert Seide. Zwar hat er in den meisten Punkten Recht bekommen. Allerdings hat sich der Netzanschluss dadurch über zwei Jahre hingezogen. Für ihn steht heute fest: Die Energieversorger wollen das Gas am liebsten selbst verwerten. „Daher sollte man sich auf harte Verhandlungen einstellen und rechtlich gut beraten sein“, rät er.


Mittlerweile ist jedoch die Gasnetz-Zugangsverordnung novelliert worden (siehe Beitrag ab S. 22). Ein Teil der strittigen Punkte aus Seides Verfahren hat der Gesetzgeber bereits berücksichtigt und den Netzzugang erleichtert.


Als schwierig sieht Seide noch die Verhandlungen mit den Banken an. Denn bis eine Gaseinspeiseanlage geplant, genehmigt und gebaut ist, vergehen schnell zwei Jahre. Zu Beginn der Verhandlung mit der Bank ist aber der Gasverkauf noch nicht gesichert. „Das liegt daran, dass ich nicht zwei Jahre vor der Gaslieferung mit möglichen BHKW-Betreibern verhandeln kann. Denn ein BHKW lässt sich in 3 bis 4 Monaten planen und installieren“, erklärt Seide.


Lösbar wäre dieses Problem aus seiner Sicht nur über ein Gaseinspeisegesetz, das dem Betreiber einen Mindestabnahmepreis für das Gas garantiert und den Banken damit Sicherheit gibt.


Unterm Strich fühlt sich Seide aber gut für die Zukunft gerüstet. Während er beim Rohgasverkauf nur einen Energieversorger als Abnehmer hat, kann er sein Biomethan jetzt bundesweit anbieten. „Ich könnte sogar selbst einen Standort suchen und ein eigenes BHKW als Contractor betreiben“, nennt er eine weitere Möglichkeit.


Fazit


Horst Seide hat sich bei der Erweiterung seiner Biogasanlage mit einer Gasaufbereitung neue Möglichkeiten geschaffen, Energie zu verkaufen. Jetzt kassiert er nicht nur die Stromvergütung, sondern verwertet die Abwärme in der Gasaufbereitung und verkauft Bio-methan direkt an BHKW-Nutzer sowie über eine eigene Tanksäule auch an Autofahrer. Dieser Weg bietet zwar viele Chancen, ist aber auch dornenreich, wie die Verhandlungen mit dem Netzbetreiber oder den Banken gezeigt haben.


Hinrich Neumann

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