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Dick oder dünn: Wer macht das Rennen?

Lesezeit: 8 Minuten

Um den Platz an der Sonne streiten zwei Tech-nologien: Siliziumpaneelen gelten als effizient. Dünnschichtmodule bringen bei Schwachlicht gute Leistungen. Wer hat die Nase vorn?


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Raus aus der Atomkraft, rein in die Sonnenenergie, das wünschen sich viele. Nur der Weg ist noch umstritten, selbst bei der technischen Ausrüstung wie den Solarpaneelen, die das Licht direkt in elektrische Energie umwandeln. Befürworter und Skeptiker liefern sich dazu in Betreiberforen des Internets sogar heiße Debatten. Zum Beispiel Max Meier (Name geändert). Der Landwirt aus dem oberpfälzischen Cham berichtet froh, dass er sich für die Dünnschicht entschieden hat. Im September 2006 installierte er Module aus Cadmium-Tellurid (CdTe) mit 30 Kilowatt (kW) Gesamtleistung auf dem Dach seiner Scheune.


Praktiker zufrieden: Schon von Beginn an war Meier überrascht, wie gut seine Anlage lief: Bei gleicher Ausrichtung, Einstrahlung und Wechselrichtermarke erntete sie in den Herbstmonaten Oktober bis Dezember 2006 rund sechs Kilowattstunden (kWh) mehr Strom (Frage: pro Kilowatt Anlagenleistung?) als das benachbarte 30 kW-Sonnenkraftwerk aus herkömmlichen multikristallinen Siliziummodulen. „Bei diffusem Licht habe ich meist wesentlich mehr Ertrag, aber auch bei richtig gutem Sonnenschein hat meine Anlage meist ein paar Prozent mehr“, teilte Meier seinen Betreiberkollegen im Februar 2007 im Photovoltaikforum mit.


Nach vier Jahren intensivem Vergleich ist der Landwirt überzeugt: Seine Dünnschichtanlage kann locker mit den kristallinen Kraftprotzen in der Region mithalten. 2009 habe er 1 093 kWh/kW, im vorigen Jahr 976 kWh/kW Jahresernte eingefahren. „Die besten kristallinen Anlagen in der Umgebung laufen mit rund 1 000 kWh/kW nicht besser“, resümiert der Landwirt.


Erfahrungsberichte wie dieser finden sich im Internet immer häufiger. Nicht nur Cadmium-Tellurid schneidet darin gut ab, sondern auch die anderen beiden Dünnschichttechniken Kupfer-Indium-Diselenid (kurz CIS) und amorphes Silizium erzielen laut ihren Betreibern pro kW installierter Leistung oft höhere Erträge als ihre kristallinen Konkurrenten. Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Dünnschichtmodule Billiger und Besser“ im Energiemagazin 3/2011.


„Dabei hatten viele Experten das amorphe Silizium wegen seines geringen Wirkungsgrads fast schon abgeschrieben. In Kombination mit mikrokristallinem Silizium oder als Triplezelle mit drei übereinander liegenden Zellenschichten erweist sich das Material aber als überaus guter Photonenabsorber. Mikromorphe Anlagen des taiwanesischen Herstellers Nexpower zum Beispiel werden in den Foren dank guter Erträge sehr gelobt.


Aufgekommen zu Zeiten des Sili-ziumengpasses im Jahr 2007, sollte Dünnschicht die teuren kristallinen Module als führende Solartechnik ablösen. Siliziumzellen, so das Argument, nutzten bei 180 bis 250 Mikrometern Dicke nur 20 Mikrometer für die Lichtumwandlung, das restliche Material diene der Stabilität der Zelle. Warum also nicht für den gleichen Effekt auf das teure Silizium verzichten?


Geringer Wirkungsgrad: Immer mehr Hersteller ersetzten die dicken Wafer durch billige Glasscheiben, die sie mit hauchdünnen halbleitenden Schichten überzogen. Der große Durchbruch der Dünnschicht blieb aber bisher aus. Zum einen war Silizium dank rascher Produktionserweiterungen der Chemiekonzerne bald wieder reichlich und billiger verfügbar, zum anderen kann die Technik nach wie vor nur mit relativ geringer Effizienz aufwarten. Noch immer dümpeln einfache amorphe Siliziummodule bei einstelligen Wirkungsgraden, während die kristallinen Absorber mindestens 14 % Effizienz erreichen. Das schmälert die Attraktivität der Dünnschicht erheblich. „Der geringere Wirkungsgrad ist oft das Knock-out-Kriterium für die Technik“, bestätigt Philipp Vanicek, Projektingenieur bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) viele Dünnschicht-Skeptiker.


Wirkungsgrad zweitrangig: Dabei sagt der Wirkungsgrad nichts über den Ertrag einer Solaranlage aus. Er gibt lediglich an, wie viel Prozent des Lichts auf einer bestimmten Fläche in Strom umgewandelt wird. Das heißt: Ein Dünnschichtmodul braucht mehr Platz. Der Flächenbedarf spielt jedoch eine untergeordnete Rolle, wenn etwa auf einem landwirtschaftlichen oder Industriegebäude genug bebaubares Solarareal zur Verfügung steht.


Bei der Entscheidung helfen auch die übrigen technischen Daten auf dem Modul-Datenblatt kaum weiter. Die hier angegebenen Werte wie Füllfak-tor, Nennleistung oder Wirkungsgrad werden im Labor unter genormten Standardtestbedingungen gemessen: Bei 1 000 Watt Einstrahlung pro Quadratmeter und einem bestimmten Strahlungsangebot und 25 Grad Celsius Zellentemperatur.


Experten sind sich einig, dass die realen Betriebsbedingungen erheblich von den Standards abweichen und einen viel größeren Einfluss auf den Ertrag haben. „Die Aussagekraft von Wirkungsgrad und maximaler Leistungskraft sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Solaranlage irreführend“, erklärt der Elektroingenieur Stefan Krauter vom Photovoltaik-Institut in Berlin, das Module prüft und zertifiziert. „Für den Ertrag maßgeblich sind Faktoren wie Einstrahlung, Breitengrad, Jahreszeit, Tageszeit, Luftmasse, Wolkendecke und Luftverschmutzung.“ Außerdem senke eine steigende Zellentemperatur, beeinflusst durch Außentemperatur, Einstrahlung und Wind, die gewonnene Energiemenge, so Krauter.


Vorteil bei wolkigem Himmel: „Gerade bei Hitze sowie geringer Einstrahlung hat die Dünnschicht Vorteile“, sagt Hans-Dieter Mohring vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart. „In der Tendenz zeigen Module aus amorphem Silizium und Cadmium-Tellurid ein besseres Schwachlichtverhalten als die kristalline PV.“ Während Siliziummodule mit sinkendem Lichtangebot deutlich an Effizienz einbüßten, zeige CdTe seine Stärken besonders bei mittlerer Einstrahlung von 500 Watt pro Quadratmeter. Dünnschichtsilizium wiederum nutze das gesamte Einstrahlungsangebot konstant gut aus, erklärt Mohring. „Im Vergleich zum kristallinen Silizium sind die Materialien empfindlicher gegenüber Diffuslicht mit hohem Blauanteil, wie es vor allem bei bedecktem Himmel vorkommt.“


Demnach scheint die Dünnschicht für das oft wolkenverhangene Deutschland bestens geeignet zu sein. Auf dem Modultestfeld des ZSW in Widderstall in Baden-Württemberg zum Beispiel kommen im Jahr nach Angaben des Instituts in über der Hälfte der Zeit weniger als 650 Watt Einstrahlung pro Quadratmeter an. Über 650 Watt sind es nur in 45 Prozent der Zeit. Der niedere und mittlere Einstrahlungsbereich ist also hierzulande wichtig.


Nun wird häufig argumentiert, die kristalline Technik liefere dafür bei hohem Strahlungsangebot bessere Erträge als die Dünnschicht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Unbestritten ist, dass Siliziummodule ihre maximale Empfindlichkeit bei rötlichem Licht bei hoher Direktstrahlung haben. Nur herrschen bei kräftigem Sonnenschein oft auch hohe Temperaturen. Und Wärme können die kristallinen nur schwer ertragen.


Der Wärmekoeffizient drückt aus, um wie viel Prozent die Leistung eines Moduls mit jedem Grad Zellentemperatur über 25 Grad Celsius abnimmt. „Er ist bei allen Dünnschicht-Techniken geringer“, erklärt ZSW-Forscher Mohring. CdTe, die temperaturbeständigste Variante, liegt bei einem Wert von minus 0,25 Prozent – damit verliert der Halbleiter pro Grad Celsius nur halb so viel Leistung wie Silizium mit einem Wert zwischen minus 0,45 und 0,50 Prozent. Der Irrglaube: Die Siliziumanlage powert, wenn die Sonne heiß vom Himmel strahlt. Wirklich stark ist sie nur an klaren und kühlen Frühjahrs- oder Herbsttagen.


Gegenläufige Ergebnisse: Wie sich die verschiedenen Faktoren konkret auf die Erträge der beiden Techniken auswirken, testete jüngst der TÜV Rheinland. Er hat über ein Jahr hinweg Betriebsergebnisse von einem Dutzend verschiedener Module auf seinem Testgelände in Köln gesammelt. Das über­raschende Resultat: Anders als es die physikalischen Eigenschaften der Dünnschichtmodule erwarten lassen, schnit­ten die schlanken Stromgeneratoren bei durchwachsenem westdeutschen Wetter nicht besser ab als ihre dicken Konkurrenten.


„Wir können Mehrerträge nicht pauschal bestätigen“, sagt Testingenieurin Ulrike Jahn. Skeptiker sehen sich durch die Ergebnisse des TÜV bestätigt: Das gute Schwachlicht- und Hitzeverhalten der Dünnschicht sei ein „Märchen für PV-Betreiber“, sagt zum Beispiel Tina Ternus vom Rüsselsheimer Solarberater und -planer Photovoltaikbüro. „Dahinter steckt viel Marketingprosa der Hersteller.“


Fakt ist aber auch: Dünnschichtkacheln tauchen immer öfter auf den vorderen Rängen der Ertragsportale auf. Auch auf dem Testfeld einer anerkannten Fachzeitschrift, wo seit 2005 Module verschiedener Hersteller unter gleichen Bedingungen ihre Ertragsstärke beweisen müssen, zählen sie zu den Top-Produkten. Die dort installierte CdTe-Paneel wurde schon 2007 aufgestellt, sein Ertrag ist mit mehr als 1000 kWh pro kW Jahr genauso hoch wie der von manch neuem kristallinen Modul.


Nachteile bei der Effizienz: Trotz guter Erträge werden sich die schlanken Absorber gegen die kristallinen Klassiker aber wohl nur schwer behaupten können. „Die Dünnschicht hat keine Lobby“, sagt DGS-Ingenieur Vanicek. Das liegt vor allem daran, dass Langzeiterfahrungen mit der Technik fehlen. Der Marktführer des Segments, die US-Firma First Solar, verkauft seine Module erst seit sieben Jahren. Bisher zeigen sie keine unvorhergesehenen Alterserscheinungen. Aber ob sie, wie First Solar verspricht, weitere zwei Jahrzehnte halten, weiß niemand.


Zudem gibt es Vorbehalte gegen das giftige Cadmium in den CdTe-Modulen. In Verbindung mit Tellur gilt es zwar als ungefährlich, doch lehnen es viele Betreiber ab, mit einem solchen Absorber Grünstrom zu erzeugen. Siliziumanlagen hingegen haben ein besseres Öko-image und ihre Verlässlichkeit bereits bewiesen. Einige von ihnen laufen schon seit fast zwei Jahrzehnten störungsfrei.


Ein weiteres Argument gegen die Dünnschicht ist der relativ hohe Platzbedarf. Daher ist die kristalline Technik bei Einfamilienhausbesitzern meist erste Wahl. Sie müssen aus einer begrenzten Fläche das Maximum an Solarstrom herausholen, um eine möglichst hohe staatliche Förderung zu erhalten. Effizienzsteigerungen könnten der Dünnschicht helfen, die flächenbezogenen Kosten zu senken und in der Gunst der Anwender zu steigen, doch entwickeln sich Innovationen zu langsam.


Hohe Produktionskosten: Da der Fortschritt stockt und bisher keine Massenfertigung etabliert wurde, bleiben auch die Produktionskosten hoch. Der Preis der Siliziumpaneele hingegen hat sich dank Kostenreduktionen durch bessere Produktionen und Massenfertigung in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Dass die „alte“ Technik noch einmal einen solchen Entwicklungssprung vollbringt, hätte zu Zeiten des Siliziumengpasses vor vier Jahren niemand für möglich gehalten. Sascha Rentzing


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