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„Die Chinesen brechen das Handelsrecht“

Lesezeit: 5 Minuten

Über der deutschen Solarindustrie kreist der Pleitegeier. Viele Hersteller machen dafür den Preiskrieg der Chinesen verantwortlich. top agrar sprach darüber mit SolarWorld, dem letzten großen Modulbauer in Deutschland.


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Seit einigen Wochen steht fest, dass SolarWorld seine Schulden neu ordnen muss. Können Sie uns kurz über die aktuelle Situation auf den neuesten Stand bringen?


Nitzschke: Eine erste, vorläufige Einigung mit unseren wesentlichen Schuldscheingläubigern haben wir bereits vermelden können. Es folgen jetzt Gespräche mit unseren Anleihegläubigern.


In den vergangenen Monaten sind viele Ihrer Mitbewerber vom Markt verschwunden. Vor allem der rasante Preisverfall der Module von bis zu 40 % pro Jahr ist dafür verantwortlich, heißt es. Ist das tatsächlich der Hauptgrund?


Nitzschke: Ja! Seit nun schon zwei Jahren verkaufen chinesische Anbieter ihre Produkte unter ihren Herstellungskosten und kommen so auf einen Marktanteil von über 80 %. Mit diesem Dumping werden Schäden in Milliardenhöhe verursacht. In China kommt der Staat dafür auf. In Europa leben wir aber in einer Marktwirtschaft. Da werden Sie nicht von Staatsbanken finanziert und können dauerhaft unter Kosten verkaufen. Deswegen sind Bosch, Schott, Sovello und andere inzwischen ausgestiegen.


Es gibt Experten, die geben auch Ihnen, den Herstellern, Mitschuld an der misslichen Lage. Sie hätten zu wenig auf Innovationen gesetzt und die Kosten der Produktion nicht rechtzeitig gesenkt. Was sagen Sie dazu?


Nitzschke: Das ist schon frech. SolarWorld beispielsweise beschäftigt über 100 Wissenschaftler in einer eigenen Forschungsgesellschaft. Sie werden in chinesischen Fabriken kaum etwas finden, das nicht mindestens ein Jahr vorher in Europa schon gelaufen ist. Die guten europäischen Hersteller sind China technologisch immer noch das entscheidende Stück voraus. Leider geht es aber im Moment nicht nur um technologische Überlegenheit, sondern darum, wer den besten Geldgeber im Rücken hat. Und das ist nunmal der chinesische Staat. China hat einen eigenen Fünfjahresplan zum Ausbau der eigenen Solar­industrie, mit dem Ergebnis, dass dort mit 60 Gigawatt Produktionskapazität rund doppelt so viele Module gebaut werden können, wie weltweit nachgefragt werden.


Kann die Politik das Ruder noch wieder „rumreißen“ und den deutschen Herstellern damit zur Hilfe kommen? Und wenn ja, wie?


Nitzschke: Es ist ganz einfach. Wir leben in einem Rechtsstaat. Und darin gilt auch das internationale Handelsrecht. Alles, worum es geht, ist, chinesischen Unternehmen zu untersagen, dieses Recht Tag für Tag zu brechen. Dumping ist verboten, nach WTO- und EU-Recht. Das ist so wie bei der Tour de France. Die Organisatoren haben lange geglaubt, sie könnten Doping totschweigen und weiter so machen wie bisher. Irgendwann wollte sich aber niemand mehr das Rennen ansehen, wenn immer nur die Gedopten gewinnen. Ich glaube, ohne Lance Armstrong wird es jetzt spannender. Dann gewinnen auch wieder die besseren Fahrer.


Mittlerweile haben viele europäische Hersteller sich zu einem Verbund zusammengeschlossen. Sie wollen gemeinsam Solarmodule entwickeln, um so schlagkräftiger am Markt agieren zu können. Kommt die Initiative noch rechtzeitig?


Nitzschke: Innovationsförderung ist in jedem Fall hilfreich. Dazu zählt die Forschungsförderung im Rahmen der Innovationsallianz des Bundes. Dazu zählt aber auch, dass Patente der aus dem Markt ausscheidenden Unternehmen nicht einfach meistbietend verkauft werden, sondern z. B. mithilfe der Fraunhofer Stiftung im Land bleiben.


Auf welche Strategie setzt SolarWorld?


Nitzschke: Technologische Innovation, sinkende Kosten, steigende Wirkungsgrade, bester Kundennutzen und fairer Wettbewerb.


Stichwort „Wettbewerb“: SolarWorld macht sich für Anti-Dumping-Zölle der EU und staatliche Hilfen stark. Ist es dafür nicht zu spät?


Nitzschke: Wenn jemand permanent das Recht bricht und anderen damit massiv schadet, frag ich nicht, ob ich zu spät komme, ihn daran zu hindern. Die EU muss jetzt handeln. Und für die, die noch da sind, ist es dann rechtzeitig.


In China mehren sich die Zeichen, dass auch deren Solarindustrie nicht ins Maßlose wachsen wird. So warnt die chinesische Bankenaufsicht vor der Kreditvergabe an die heimische Solarindustrie. Schöpfen Sie daraus Hoffnung?


Nitzschke: Die Chinesen sind keine Hexenmeister. Irgendwann ist das Geld alle. Aber noch wird vom Staat finanziert. Das wird erst enden, wenn die EU klar macht, dass man in China subventionieren kann, wie viel man will, Dumping bleibt verboten und wird geahndet.


Laut des Branchendienstes Sologico kosten kristalline Zellen deutscher Hersteller im Mittel 78 Cent je Watt, chinesische „nur“ 53 Cent. Können Sie in Zukunft die Produktionskosten überhaupt soweit senken und mit der Konkurrenz aus Fernost mithalten?


Nitzschke: Wir senken unsere Herstellungskosten kontinuierlich. Die chinesischen Preise haben aber nichts mit Kosten zu tun. Mit jedem produzierten Modul wird dort Verlust gemacht.


SolarWorld ist bislang nicht mit einem eigenen Werk in China vertreten. Experten sehen dort aber in Zukunft einen der größten Absatzmärkte. Wird SolarWorld sich irgendwann doch für eine Produktion in Fernost entscheiden?


Nitzschke: Chinas Markt ist nur offen für chinesische Hersteller. Mit 60 Gigawatt Fertigungskapazität sollten sie auch selbst imstande sein, den fünf Gigawatt großen eigenen Markt zu beliefern. Außerdem: Unser Lohnkostenanteil an der Produktion macht gerade mal 10 % aus. Welches Argument sollte es für uns geben, an einen Niedriglohn-standort zu gehen? Damit würden wir uns nur schlechte Umwelt-, Sozial- und Qualitätsstandards ans Bein binden. Wir haben festgestellt, dass es am effizientesten ist, dort zu fertigen, wo wir sind und wo unsere Märkte sind. Und wir erreichen dort die beste Qualität für unsere Kunden.


Sie setzen unter anderem auf das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“. Diese Ware ist aber oftmals teurer als die aus Fernost. Welchen Stellenwert werden Module „Made in Germany“ in Zukunft haben?


Nitzschke: Einen hohen Stellenwert. Denn am Ende zählt, wie lange eine Solarstromanlage wie viel Strom liefert. Und da verlasse ich mich auf unsere Standards „Made in Germany“.


Die steigenden Stromkosten puschen den Eigenverbrauch und die Speicherung von Solarstrom. Steigen dadurch die Marktchancen für deutsche Hersteller wieder?


Nitzschke: Die neue Förderung für Batterien in Deutschland kurbelt den Markt für Gesamtlösungen an. In wenigen Jahren wird jede Haus-PV-Anlage standardmäßig mit einem Speicher kombiniert.Diethard Rolink

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