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Direktvermarktung: Worauf Sie achten sollten!

Lesezeit: 7 Minuten

Seit rund einem Jahr vermarkten viele Windmüller ihren Strom an der Börse. Die ersten Erfahrungen sind positiv. Das System hat aber Tücken.


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Bernhard Temmen ist beim Blick in die Abrechnungen zufrieden. Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt ein großer Stapel an Aktenordnern. Einen davon hat er aufgeschlagen. Darin befinden sich die Abrechnungen von seinem Stromhändler. Dem liefert der Emsländer Strom aus vier Bürgerwindparks, an denen neben seinem Arbeitgeber, die Raiffeisen- und Warengenossenschaft Emsland Süd, auch 200 Kommanditisten aus der Region beteiligt sind.


Temmen erhält somit für die Anlagen nicht wie sonst üblich eine feste Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), sondern der Händler versucht, die Energie höchstbietend an der Leipziger Strombörse zu vermarkten.


Und das lohnt sich offensichtlich: Mit der sogenannten Direktvermarktung erlösen Temmen und Co. rund 0,33 bis 0,4 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh) mehr, als wenn sie ihren Strom einfach nur ins Netz einspeisen und dafür die Vergütung nach dem EEG kassieren. „Pro Anlage sind das bei einer Jahres-Strom-Produktion von rund 2 bis 3 Mio. Kilowattstunden ca. 7 000 bis 12 000 € Mehrgewinn“, rechnet er vor (Stand Januar 2013).


Risiken abgesichert:

Obschon der Strom am freien Markt gehandelt wird, geht Temmen nur ein geringes Risiko ein. Dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. So steht ihm mindestens ein Preis zu, den er auch nach dem EEG erhalten würde. Je nach Geschick des Händlers aber eben auch mehr (siehe Kasten auf Seite 52).


Temmen arbeitet bei der Vermarktung seines Stromes aus den insgesamt 54 Megawatt (MW) Windkraftleistung mit der Gela Energie-GmbH zusammen. Das Unternehmen bündelt Strom aus erneuerbaren Energien und verkauft diesen zusammen mit einem der größten Händler, der Energy2Market aus Leipzig, direkt an der Strombörse in Leipzig.


Partner der Landwirtschaft:

Gegründet haben die Gela die WLV-Service Gmbh, eine Tochter des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes aus Münster (WLV), die VR Agrarberatung, die BBV-Landsiedlung, die TerraVis und Temmens Arbeitgeber. Zwar könnten die Betreiber der Anlagen ihren Strom auch an die Konzerne wie die Rheinisch-Westfälischen Energiewerke (RWE) vermarkten. „Mit der Gela als Zwischenhändler haben die Landwirte aber einen ihnen verbundenen Partner an der Seite“, betont Doris Nienhaus vom WLV in Münster.


Mittlerweile veräußern Deutschlands Windmüller den Strom aus 24 000 MW Windstrom-Leistung (Onshore) an der Börse. Das sind rund 80 % der gesamten auf dem Festland installierten Windkraftanlagen. Die Gela bündelt die Energie aus Anlagen mit einer Leistung von bundesweit rund 325 MW aus Wind- und Photovoltaikanlage. Hinzu kommen ca. 75 MW Biogasleistung. Dort sehen die Betreiber die Direktvermarktung bislang jedoch etwas skeptisch. „Vor allem dieser Bereich hat aber enorme Potenziale“, sagt Ulrike Lücke-Bauer von der Gela.


Sicherheit geht vor Rendite:

Bevor Temmen mit der Vermarktung starten konnte, mussten die Verträge der Gela geprüft werden. „Sicherheit geht vor Rendite“, sagt er. Unter anderem haben Anwälte des Bauernverbandes, der beteiligten Banken und Fachanwälte die Klauseln auf Fallstricke hin durchleuchtet. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat die Gela außerdem eine Bürgschaft mit der Deutschen Bank abgeschlossen. Die übernimmt ausstehende Forderungen, wenn der Stromhändler zahlungsunfähig sein sollte. Die Emsländer haben sich allerdings nur den Stromerlös abgesichert, denn nur dieser wird vom Vermarkter an den Anlagenbetreiber gezahlt. Sowohl die Markt- als auch die Managementprämie zahlen die Netzbetreiber und stehen den Windmüllern der Anlagen per Gesetz zu (s. Kasten auf S. 52).


Abgesichert werden sollte der Erlös für mindestens drei Monate. Wenn der Energiehändler nämlich – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr zahlen kann, muss der Anlagenbetreiber sich einen neuen Vermarkter suchen. Das braucht Zeit und nimmt erfahrungsgemäß rund drei Monate in Anspruch.


Sichere Einnahmen:

Theoretisch kann Temmen auch zurück ins alte EEG-Vergütungssystem wechseln. Das müsste er nur seinem Netzbetreiber und der Gela mitteilen. Ein Wechsel ist dann zum Ersten des übernächsten Monats möglich. Weil sich die Direktvermarktung aber bislang als lukrativ erwiesen hat, haben die Emsländer daran kein Interesse. Anders als viele andere Händler bietet die Gela ihren Kunden einen fixen Mehrerlös an – unabhängig davon, wie hoch der tatsächliche Erlös an der Börse ausfällt. Das ist bei anderen Händlern oftmals anders. Dort teilen sich beispielsweise Vermarkter und Stromproduzent den Gewinn. Wenn allerdings der Makler für den Windstrom nur einen niedrigen Preis erzielt, fällt nicht nur sein Gewinn, sondern auch der des Windmüllers niedriger aus. Bei einem hohen Stromerlös profitiert hingegen die Gela von ihrem System. „Unsere Kunden haben in jedem Fall einen Mehrerlös, mit dem sie kalkulieren können“, hält Lücke-Bauer dagegen.


Für dieses Jahr verspricht das Unternehmen seinen Betreibern eine Vergütung von mind. 0,33 ct/kWh oberhalb der EEG-Vergütung. Betreiber, deren Anlagen mittels einer Fernsteuerung vom Händler heruntergeregelt werden können, erhalten sogar 0,4 ct. Außerdem winkt in diesem Fall für die nicht erzeugte Energie noch ein Ausgleich in Höhe von 0,11 €/kWh. Das ist dem Umstand geschuldet, dass steuerbare Anlagen seit Januar dieses Jahres auch eine höhere Managementprämie erhalten (Übers. 1, Seite 51). Denn regelbare Anlagen speisen nicht nur Strom ein, sondern können bei negativen Strompreisen ihre Leistung reduzieren. Zum Verständnis: Wenn an der Börse mehr Strom angeboten als nachgefragt wird, sacken die Preise zeitweise ins negative. Wer den Strom „kauft“, bekommt sogar Geld dafür. Daher kann es sich für Stromhändler auszahlen, wenn sie in solchen Zeiten die Leistung ihrer Anlagen einfach reduzieren.


Negative Energie erzeugen:

Dazu muss der Händler bei Bedarf in den Produktionsrhythmus der Anlage eingreifen dürfen. Derzeit bereiten die ersten Anlagenbetreiber ihre Windräder darauf vor. „Technisch ist das kein Problem“, sagt Alexander Sewohl vom Bundesverband für Windenergie. Zum einen ist dazu eine internetfähige Telefonleitung notwendig, über die die meisten Anlagen ohnehin verfügen. Zum anderen müssen die Windmüller eine Art Fernsteuerung installieren. Rund 3 500 € werden dafür pro Einspeisepunkt ins Netz fällig, hat Lücke-Bauer kalkuliert. Um diese Kosten wieder zu erwirtschaften, muss eine Anlage 5 Mio. kWh/Jahr einfahren, so die Ingenieurin. Sie hat die Kosten dabei auf ein Jahr abgeschrieben. Denn schließlich sinkt die Managementprämie von Jahr zu Jahr.


Auch die Emsländer wagen sich in das Neuland. Allerdings gibt es noch ein paar Hürden. Beispielsweise ist noch nicht abschließend geklärt, was passiert, wenn gleichzeitig der Händler als auch der Netzbetreiber auf die Anlage zugreifen wollen. Denn per Gesetz sind fast alle Anlagen dazu verpflichtet, am sogenannten Einspeisemanagement teilzunehmen. Das heißt, wenn das Stromnetz überlastet ist, darf der Netzbetreiber die Anlage herunterregeln. Wenn nun gleichzeitig ein Signal vom Stromhändler die Anlage erreicht, hat zwar das Einspeisemanagement Vorrang, aber welche Vergütung steht dem Betreiber in diesem Fall zu? Die nach dem Einspeisemanagement (orientiert sich an der reinen EEG-Vergütung)? Oder die des Händlers? Schließlich kann es vorkomen, dass der Stromhändler dem Windmüller einen sehr viel höheren Preis zahlen würde als der Netzbetreiber.


Nicht ganz abschalten:

Manch einer sieht sogar noch ganz andere Schwierigkeiten auf die Betreiber zukommen. Durch den Zugriff auf die Anlagen könne es zu Störungen kommen. Dann stelle sich die Frage: Wer kommt für den Schaden auf? Was ist, wenn die Anlage gewartet wird und das Serviceteam benötigt dafür Strom, der Händler aber die Anlage abgeschaltet hat?


„Ganz von der Hand zu weisen sind die Bedenken nicht“, sagt Temmen. Wobei er weniger Angst vor Störungen als vor erhöhtem Verschleiß bei älteren Anlagen hat. Der ist dann besonders hoch, wenn eine Windkraftanlage ab- und wieder angeschaltet wird. „Wir sind noch in der Testphase. Aber vermutlich werden die Anlagen in solchen Phasen höchstens auf 50 % ihrer maximalen Leistung reduziert“, sagt Temmen. Dann sei auch der Verschleiß kein Problem.


Er und Lücke-Bauer sind sich daher sicher: Die offenen Fragen werden sich schnell klären und dann wird die Direktvermarktung in diesem Jahr nochmals interessanter für Windmüller.


Diethard Rolink

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