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Biogas

Gas aus Gras –und es geht doch!

Mit der richtigen Technik lassen sich auch große Mengen Grassilage vergären.

Lesezeit: 12 Minuten

An der Grassilage hat sich bisher manche Biogasanlage die Zähne ausgebissen. Doch wenn die Technik angepasst wird, lassen sich auch hohe Grasanteile vergären.


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Die schwankenden Einkommen aus der Milchproduktion mit Hilfe der ­Biogaserzeugung abfedern: Das ist der Wunsch vieler Milchviehhalter in den Grünlandregionen Deutschlands.


Bislang gab es allerdings zwei gute Gründe, warum es allzu oft beim Wunsch blieb und die Biogasbranche um die grasreichen Standorte einen weiten Bogen machte: Mais, die Energiepflanze schlecht­hin, ist dort Mangelware. Und Gras, das zwar in einigen Landstrichen reichlich vorhanden ist, lässt sich mit herkömmlicher Biogastechnik nur in begrenzten Mengen verarbeiten. Denn das Substrat ist langfaserig und zäh, weshalb große Mengen davon in den Anlagen schnell zu Verstopfungen, Bruch und/ oder vorzeitigem Verschleiß führen.


Mittlerweile haben die ersten Praktiker und Berater aber den Dreh raus, wie sich auch hohe Grasanteile von mehr als 50 % am gesamten Substratmix ohne Schwierigkeiten vergären lassen. Worauf es bei der Ernte und Fütterung von Energiegras ankommt, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Außerdem geben Ihnen Praktiker und Berater Tipps, mit welcher Technik Sie das Grün am besten vergären können.


Ernte: So kurz wie möglich häckseln


Die Ernte von Biogas-Gras unterscheidet sich kaum von der für die Milchviehhal­tung. „Das Grün sollte zu einem Zeitpunkt mit hoher Verdaulichkeit gemäht werden und man muss darauf achten, dass möglichst weni­g Sand ins Siliergut gelangt“, rät Jens Geveke.


Der Agraringenieur aus dem Ammerland in Niedersachsen ist einer der ersten überhaupt, der sich an die Grasvergärung gewagt hat. So konzipierte er bereits vor rund fünf Jahren eine 500-Kilowatt-Anlage, die bis zu 60 % Gras vergärt (35 % Rindergülle, 8 % Maissilage und 57 % Gras).


Es gibt aus Gevekes Sicht allerdings eine Besonderheit bei der Energie-Gras-Ernte: Die Halme sollten möglichst kurz sein. Denn so lassen sie sich leichter dosieren, pumpen und rühren. Außerdem ist bei kurzer Silage die Angriffsfläche für die Bakterien größer, was den Abbau der Pflanzen in der Anlage beschleunigt.


„Mit sinkender Halmlänge steigt aber auch der Kraftaufwand für den Häcksler stark an“, sagt Dr. Arne Dahlhoff aus Bad Sassendorf, Biogasberater der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Idealer Kompromiss zwischen dem Kraftaufwand und den Bedürfnissen der Anlage ist aus Sicht unserer Experten eine Länge von 5 bis 7 mm.


Sie können das Gras im Übrigen auch mit einem Ladewagen bergen, aber der schneidet es nicht so gleichmäßig wie ein Häcksler; die Gefahr, dass die Halme zu lang werden für die Biogasanlage, ist bei diesem Verfahren wesentlich größer.


Tipp: Um den Sandanteil in der Silage und damit auch im Fermenter zu minimieren, mäht Geveke das Gras auf einer Höhe von 7 cm ab. Danach wird es mit dem Kreiselwender gezettet und kommt auf den Stoppeln zum Liegen. Der Schwader kann dann so eingestellt werden, dass er nicht mit den Zinken über den Boden kratzt und Sand aufwühlt.


Ertrag: Geringer als bei Mais


Der Gasertrag pro Hektar und Jahr fällt bei Gras um bis zu 20 % geringer aus als bei Energie-Mais. Kalkulieren Sie beim 1. und 2. Schnitt im Mittel mit etwa 200 Kubikmeter Gas je Tonne Frischmasse (m3/t FM), beim 3. und 4. mit rund 150 m3/t FM. Wenn Sie in Ihrer Region fünf Schnitte realisieren können, setzen Sie für die letzte Ernte im Jahr etwa 120 m3/t FM an.


„Die Werte können aber davon abweichen“, warnt Dr. Udo Hölker von Bioreact aus Bonn. Er hat verschiedene Grasproben untersucht und starke Schwankungen je nach Trockensubstanz-Gehalt (TS-Gehalt) ermittelt. Für Silagen mit 25 bis 40 % TS kam er auf Werte zwischen 120 und rund 200 m3/t FM. Die Methangehalte pendelten zwischen rund 53 % und 59 %.


Im Endeffekt bleibt Ihnen daher eine Untersuchung einer Grasprobe in einem Labor nicht erspart, um verlässliche Werte zu erhalten.


Fütterung: Mehr als 70 % sind nicht drin


Wie viel Gras kann eine Biogasanlage überhaupt verdauen? Diese Frage wird in der Branche heiß diskutiert. Eine einhellige Lehrmeinung gibt es nicht.


Als unstrittig gilt: „Gemessen am gesamten Substratmix sind in herkömmlichen Anlagen Grasanteile von bis zu 20 % kein Problem“, so Peter Schünemann-Plag, Biogasberater der Landwirtschaftskammer Niedersachen aus Bremervörde. „Wer hingegen mehr vergären will, muss die Technik an das faserhaltige Substrat anpassen“, fügt Dr. Mathias Effenberger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising hinzu. Mehr als 70 % sind nach Ansicht der meisten Experten allerdings auch mit optimaler Grastechnologie kaum zu bewältigen.


Wenn Sie den Güllebonus in Anspruch nehmen, sollten Sie den Grasanteil sogar noch etwas weiter nach unten schrauben. Ideal ist in diesem Fall ein Grenzwert von 65 %. Denn um die Zusatzvergütung kassieren zu können, müssen Sie min­d. 30 % Gülle oder Mist einsetzen.


Wenn Sie diese Grenze auch nur einmal unterschreiten, haben Sie keinen Anspruch mehr auf den Bonus – und zwar für immer. Damit es erst gar nicht soweit kommt, raten Experten: Setzen Sie den Gülleanteil besser auf 35 % anstatt auf 30 % hoch.


Achten Sie beim Füttern auch darauf, dass der Trockensubstanzgehalt des Substratmixes im Fermenter nicht mehr als 12 % beträgt. Sonst stoßen die Rühr­werke und Pumpen erst recht an ihre Grenzen.


Die Ration langsam steigern


Aus Sicht von Effenberger gibt es noch einen weiteren Grenzwert, dem Sie Ihre Aufmerksamkeit schenken sollten: Der sogenannten Raumbelastung. Diese wird in Kilogramm organsicher Trockensubstanz pro Kubikmeter Fermentervolumen und Tag (kg oTS/m3 und Tag) gemessen.


Die meisten Biogaserzeuger schicken maximal 4 kg oTS/m3 und Tag in ihre Fermenter. Manch ein Praktiker schafft aber auch Spitzenrationen, die sich oberhalb der 10-kg-Grenze bewegen. Nehmen Sie als Grasvergärer aber erst einmal von solchen Werten (mehr als 4 kg) Abstand. Dafür sprechen gleich zwei Aspekte:


1. Hohe Raumbelastungen erreichen Sie mit Gras in der Regel nur bei einer geringen Verweilzeit des Substrates im Fermenter. Denn je mehr Sie in den Fermenter stopfen, desto schneller wird das Substrat auch wieder auf der anderen Seite des Reaktors herausgedrückt.


Bei der Grasvergärung sollten Sie aber den Bakterien mind. 90 Tage Zeit für deren Arbeit geben. Denn das Grün wird beispielsweise im Vergleich mit Mais nur langsam abgebaut.


2. Hinzu kommt, dass bei hohen Grasanteilen im Reaktor eine schleichende „Hemmung“ der biologischen Prozesse durch Ammoniak (NH3) droht.


Hintergrund: Gras enthält viel Protein, das von den Bakterien unter anderem in Ammoniak umgewandelt wird. Hierbei gilt: Mehr als 3 g NH3/l Gärsubstrat dürfen nicht überschritten werden! Bei hohen Raumbelastungen und stark eiweißhaltigen Substraten besteht aber genau diese Gefahr.


Am besten halten Sie sich daher an den Rat von Effenberger: Um die Ammoniakbelastung nicht zu überreizen und um eine ausreichend lange Verweilzeit garantieren zu können, sollte die Raumbelastung die 2-kg-Grenze zu Beginn der Grasvergärung nicht überschritten werden. Mit der Zeit können sich die Bakterienstämme aber an die Ammoniak-Belastung anpassen. Für die Praxis bedeutet dies: Lassen Sie die biologischen Prozesse wöchentlich durch ein Labor überwachen. Wenn die Analysen keine Auffälligkeiten ergeben, können Sie nach und nach die Raumbelastung steigern. Vo­rausgesetzt Sie unterschreiten dabei nicht die Verweilzeit von 90 Tagen.


Technik: Groß und robust sollte sie sein


Wer mehr Gras in seiner Anlage einsetzen will, kommt mit gewöhnlicher Technik nicht weit. Achten Sie auf folgende Punkte:


Dosierstationen: Für die Grasvergärung sind aus Sicht unserer Experten fast nur die Vertikalmischer geeignet. „Man benötigt eine Technik, die das Substrat intensiv auflockern kann“, sagt Geveke. Schubböden eignen sich zwar grundsätzlich auch. Aber nur solche, die mit Fräswalzen ausgerüstet sind. Herkömmliche Systeme haben hingegen mit Gras Schwierigkeiten.


Schnecken und Steigrohre: Die Transportschnecke von der Dosierstation zum Fermenter sollte einen Durchmesser von mindestens 300 mm haben. Andernfalls kann es beim Einsatz von Gras zu Verstopfungen und vorzeitigem Verschleiß kommen. Verlegen Sie die Steigrohre ­außerdem so, dass das Gras möglichst auf kurzem Weg in den Reaktor gelangt. Die Leitungen sollten zudem möglichst auf direktem Wege in den Fermenter führen. Gras nimmt Ihnen jeden Umweg und Knick übel.


Rührwerke: Bei den Mixern sind langsam laufende Paddelrührwerke optimal. Am besten in Kombination mit einem Tauchmotorrührwerk, um die Schwimmschichten an der Oberfläche im Fermenter aufzubrechen und eine kreisförmige Bewegung im Reaktor zu erreichen.


Wer allerdings nur auf Tauchmotorrührwerke setzt, wird vermutlich Probleme bekommen. Denn diese Typen laufen bei hohen Grasanteilen sprichwörtlich „im eigenen Saft“. Das liegt nicht nur daran, dass die Flügel relativ klein sind, sondern auch an der sehr hohen Umlauf-Geschwindigkeit. Dadurch zerschneiden sie das Gras an den äußersten Rändern der Flügel und mixen es nur in einem sehr engen Radius um sich herum auf. Von dem zähen Brei in weiterer Entfernung fließt hingegen kaum etwas zu den Rührwerken nach. Dafür ist dieser bei hohen Grasanteilen zu zäh.


Dieses Problem haben langsam laufende, großflügelige Paddelrührwerke nicht. Denn sie ziehen förmlich das Substrat zu sich ran und drücken es wieder weg. So kommt Bewegung in den Fermenter.


Gras schwimmt auf


Paddelrührwerke sind auch deshalb ideal, da sie vor allem das schnell auftreibende Gras von oben wieder nach unten drücken. Praktiker berichten immer wieder von Problemen mit auftreibendem Gras, das schnell eine gasundurchlässige Schwimmschicht auf dem Flüssigkeitsspiegel im Fermenter bildet.


„Das kann zu einem echten Problem werden“, sagt Geveke. Denn wenn beispielsweise die Mixer ausfallen, durchdringt bei einem hohen Grasanteil das aufsteigende Gas in den Behältern die Grasschicht kaum noch und drückt sie deshalb sehr weit nach oben. Folge: Das Substrat läuft in die Überdrucksicherungen, in die Gasleitungen und kann im schlimmsten Fall das Fermenterdach sprengen.


Im Nachgärer nicht mit Rührwerken geizen


Weil Gras diese ungünstige Eigenschaft hat, dürfen Sie im Nachgärer auch nicht an den Rührwerken sparen. In herkömmlichen Anlagen ist das in der Regel anders: Während im Hauptfermenter oft gleich mehrere Mixer ihren Dienst verrichten, wird im Nachgärer mit einer reduzierten Anzahl gerührt.


Wer hingegen mehr als 20 % Gras einsetzt, muss damit rechnen, dass diese Strategie nicht mehr aufgeht. Denn selbst wenn Sie eine hohe Abbaurate der organischen Substanz im Hauptfermenter erreichen, neigt das Gras im Nachgärer immer noch zum Aufschwimmen. Unsere Experten raten daher: Je nach Größe des Fermenters müssen unter Umständen zwei Paddelrührwerke – eins mehr als üblich – installiert werden. Mehrkosten: rund 20 000 €.


Pumpen: Bei den Pumpen fällt Ihre Wahl am besten auf Exzenter-Schnecken-Pumpen. Dreh­kolbenpumpen haben laut unserer Fachleute mehr Schwierigkeiten mit Gras. Zum einen verschleißen sie offensichtlich schneller, zum anderen saugen sie das zu fördernde Substrat an, was mit Gras offensichtlich weniger gut funktioniert. Wenn Sie dennoch Drehkolbenpumpen einsetzen wollen, sollten Sie diese so platzieren, dass das Substrat von oben zum Eingang der Pumpe fließt. So nutzen Sie die Schwerkraft geschickt aus, um das Ansaugen des Grases zu unterstützen.


Separator: Geveke hatte im Endlager immer wieder Probleme mit Schwimmschichten. Deshalb separiert er das Substrat aus dem Nachgärer in eine feste und flüssige Phase und rät auch seinen Kollegen zu diesem Schritt. Die festen Bestandteile können Sie zunächst wie Mist auf einer Betonplatte lagern und bei Zeiten dann wieder auf die Flächen ausbringen. Nur die flüssige Phase wird ins Endlager gepumpt.


Eine Separation kostet aber bis zu 30 000 € inklusive aller Ausgaben für zusätzliche Pumpen, Bodenplatten, Steuerung usw. Zudem benötigen Sie zwei verschiedene Ausbringtechniken, wenn Sie separieren: Einen Miststreuer für die feste Phase, ein Güllefass für die flüssige.


Daher rät Markus Auer, Biogasberater des Maschinenringes in Tuttlingen (Baden-Württemberg): „Wer nicht separieren will, sollte sein Endlager mit einer Haube abdecken und mit einem Rührwerk ausrüsten.“ Positiver Nebeneffekt: So gewinnen Sie unter Umständen noch Restgas aus dem Substrat und können dieses verstromen.


Fermenter: Grundsätzlich ist jeder Fermenter geeignet, wenn Sie das Substrat noch ausreichend rühren können. Christoph Gers-Grapperhaus von der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen rät: „Ideal sind herkömmliche Rund- bzw. Güllebehälter mit einem Durchmesser von maximal 18 m und einer Höhe von 6 m.“


Biologie: Gras mag es warm


Laut Geveke liegt die optimale Temperatur bei 48 °C. Experten sprechen hierbei auch von der thermophilen Vergärung. Die meisten Biogaserzeuger arbeiten hingegen mit Temperaturen von 38 bis 43 °C (mesophil). Offensichtlich lässt sich Gras aber schneller abbauen, desto wärmer es im Fermenter ist.


Warum das so ist, können Geveke und andere Experten sich nicht erklären. Möglicherweise hat der Wissenschaftler Dr. Udo Hölker eine Antwort darauf: „Bei hohen Temperaturen sinkt die Viskosität pektinhaltiger Susbtrate wie Gras. Daher lässt sich bei höheren Temperaturen der Mix im Fermenter besser auf­rühren.“


Die thermophile Vergärung ist aber umstritten. „Bei hohen Temperaturen steigt die Konzentration an freiem Ammoniak“, warnt Effenberger. Der Umweltingenieur rät daher: „Wer auf Nummer sicher gehen will, orientiert sich am oberen Ende der mesophilen Verfahrensweise mit 42 bis 43 °C.“ Wenn Sie sich dennoch für die thermophile Vergärung entscheiden, müssen Sie noch sehr viel stärker auf den Ammoniak-Gehalt achten, als es ohnehin schon notwendig ist.


Fazit


Wer große Mengen Grassilage in seiner Biogasanlage einsetzen will, muss die Technik an das schwierige Substrat anpassen. Andernfalls gibt es Probleme beim Dosieren, Rühren und Pumpen.


Auch die Fütterung und Ernte hat ihre Besonderheiten. So beträgt die ideale Schnittlänge des Grüns 5 bis 7 mm und die Raumbelastung sollte mit nur 2 kg oTS/m3 Fermentervolumen und Tag beginnen und erst langsam gesteigert werden. Sonst kann es zu einer Ammioniak-Hemmung der Bakterien kommen. Die Temperatur im Fermenter sollte sich am obersten Ende der mesophilen Vergärung orientieren.Diethard Rolink

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