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Ist das EEG noch zu retten?

Lesezeit: 10 Minuten

Die Förderung der erneuerbaren Energien steht vor einem großen Umbruch. Wir haben die aktuellen Vorschläge auf Vor- und Nachteile abgeklopft.


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Sollen wir es reparieren oder wollen Sie ein Neues?“ Für Besitzer eines älteren und verschlissenen Gerätes ist das eine gängige Frage bei der Reparaturannahme. Ganz ähnlich geht es dem Gesetzgeber mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses fast vierzehn Jahre alte Paragraphenwerk hat schon mehrere und zum Teil einschneidende „Reparaturen“ hinter sich. Ursprünglich sollte es bei Inkrafttreten im Jahr 2000 dazu dienen, den Markt für erneuerbare Energien im Strommarkt anzureizen. Diesen Zweck hat es mehr als erfüllt: Der Anteil von Biogas-, Solar- Wind- und Wasserkraftstrom hat sich in den letzten 14 Jahren von 7 auf heute 25 % mehr als verdreifacht.


Auch hat die Politik ein zweites wichtiges Ziel erreicht: Das Monopol der großen Energieversorger ist aufgebrochen – zumindest ansatzweise. Bei den erneuerbaren Energien haben sie nur einen Anteil von 12 %. Die meisten Anlagen dagegen gehören Bürger, Landwirten, Genossenschaften und anderen Einrichtungen.


Kohlekraft ist zu starr:

Der große Anteil von rund einem Viertel Regenerativstrom im Netz macht deutlich, dass das EEG allein als Marktanreizinstrument für bestimmte Technologien heute nicht mehr nötig ist. Im Gegenteil: Die reine Mengenförderung vor allem von Wind- und Solarstrom führt immer häufiger zu Überschüssen im Stromnetz. Auch passen die wetterabhängigen Energieformen nicht zu dem großen, unflexiblen Kraftwerkspark mit Kohle- und Atomkraftwerken. Denn diese können nicht schnell genug auf das schwankende Stromangebot von Sonne und Wind reagieren. Darum exportieren Kraftwerksbetreiber günstigen Kohlestrom immer häufiger an Nachbarländer. Wegen der klimaschädlichen Emissionen hat sich daher der CO2-Ausstoß in Deutschland trotz der voranschreitenden Energiewende in den letzten Jahren erhöht.


Reform ist unumgänglich:

Daher drängen sowohl Kritiker als auch Anhänger des EEG auf eine grundlegende Reform des Gesetzes. Denn die Einspeisung von Wind- und Solarstrom soll stärker mit der Stromnachfrage, mit Speichern und dem Stromnetz verzahnt werden. Gleichzeitig muss das künftige Fördersystem dafür sorgen, dass die Refinanzierung der Anlagen weiterhin möglich ist. Ansonsten investiert niemand und die gesteckten Energie- und Klimaziele der Bundesrepublik wären nicht zu halten, befürchtet beispielsweise der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU).


An einer Förderung kommt der Gesetzgeber nicht herum – egal, wie das System künftig aussehen wird. Denn laut Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES) könnten die Erzeuger selbst kostengünstigen Wind- und Solarstrom heute an den Strommärkten nur dann wirtschaftlich verkaufen, wenn Investoren für Photovoltaik-anlagen maximal 450 € pro Kilowatt installierter Leistung (€/kW) und für Windräder 900 €/kW bezahlen. Heute liegen die Investitionskosten jedoch bei 1 500 €/kW bei der Photovoltaik und bei 1 400 €/kW bei Windanlagen.


Die Diskussion über die Reform ist bereits in vollem Gang. In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Regierung bereits Änderungsvorschläge gemacht, die für neue Anlagen gelten sollen. Doch Kritiker bemängeln, dass die Regierung damit nur an Symptomen herumdoktert, aber die wahren Herausforderungen nicht anpackt (siehe top agrar 1/2014).


Darum gibt es bereits eine Reihe weitergehender Vorschläge, die sich in vier völlig unterschiedliche Herangehensweisen gliedern lassen:


  • Korrekturen im bestehenden EEG,
  • Einführung von Prämienmodellen,
  • Umstieg auf das Quotenmodell,
  • Festlegung der Förderung per Ausschreibungen bzw. Auktionen.


1. Korrekturen im bestehenden EEG


Zahlreiche Wissenschaftler plädieren dafür, das EEG in seiner jetzigen Form mit festen Einspeisevergütungen beizubehalten. Viele Argumente sprechen dafür, so z. B. die Planungssicherheit für die Investoren. Das IZES schlägt vor, die Förderung stärker nach Technologien und Regionen zu differenzieren. Auch regen die Wissenschaftler zwei verschiedene Optionen an: Das Bürgermodell mit festen Einspeisevergütungen für kleinere, risikoscheue Investoren sowie ein Integrationsmodell für professionelle Betreiber, die ihren Strom direkt vermarkten wollen. Sie sollen statt einer Einspeisevergütung eine fixe Kapazitätsprämie je installierter Leistung bekommen. Dieses System wäre das erste, das nach Investorengruppen differenziert.


Viel radikaler will die Agora Energiewende vorgehen, ein Zusammenschluss von Energieexperten. Nach ihrem Modell sollte die Einspeisevergütung für alle Technologien maximal 8,9 ct/kWh betragen. Für steuerbare Energien wie z. B. für Biogasanlagen sollte zusätzlich eine Kapazitätsprämie von maximal 500 € pro kW und Jahr ausgeschrieben werden.


Der Wirtschaftsflügel der CDU (immerhin 180 von 311 Unionsabgeordnete im Bundestag) fordert dagegen, das EEG noch beizubehalten, es aber bei Erreichen von 35 % Erneuerbaren am Strommarkt ganz abzuschaffen.


Der Fortbestand des EEG bedeutet Investitionssicherheit für Neueinsteiger. Banken, Versicherungen und Genehmigungsbehörden haben sich an das System gewöhnt. Allerdings dürfte klar sein, dass wegen der wachsenden Diskussion über die steigende EEG-Umlage die Förderung deutlich zurückgefahren würde (siehe Kasten auf Seite 116).


2. Einführung von Prämienmodellen


Viele Experten fordern einen Umstieg von der Festpreisvergütung auf eine Marktprämie, um die erneuerbaren Energien stärker an den Markt heranzuführen. Bei diesem Modell besteht die Vergütung aus zwei Komponenten: Den Erlösen über den Verkauf des Stroms an der Börse sowie der Marktprämie, die pro kWh gezahlt wird.


Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der die meisten Stromkonzerne vertritt, will Betreiber neuer Anlagen zur Direktvermarktung verpflichten. Dabei soll die Prämie im Voraus (z. B. ein Jahr) festgelegt werden. Damit will der Verband für „Kosteneffizienz“ sorgen.


Die verpflichtende Direktvermarktung findet sich in vielen weiteren Papieren, so beim Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), in dem Forderungskatalog des CDU-Wirtschaftsrates oder den Handlungsempfehlungen der „Kleinen Energierunde“ zur Energiewende – einem Zusammenschluss von zehn Energieunternehmen und Wissenschaftlern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält die Pflicht sogar für „politisch unstrittig“.


Eine Marktprämie wäre der gleitende Ausstieg aus der Festpreisvergütung. Schon heute können Anlagenbetreiber im bestehenden EEG das Marktprämienmodell freiwillig wählen und so in die Direktvermarktung einsteigen.


Allerdings wird die Marktprämie zurzeit im Nachhinein festgelegt: Sie ist die Differenz zwischen der Einspeisevergütung, die der Betrieb nach dem EEG erhalten würde, und dem Börsenpreis.


Würde die Prämie – wie vom BDEW gefordert – im Voraus festgelegt, stiege das Risiko für den Betreiber. Denn sinkt der Börsenpreis stärker als angenommen, schmälert das die Rendite des Anlagenbetreibers. Ist der Strompreis dagegen höher als angenommen, erhält der Betreiber zwar eine höhere Marktprämie als erwartet. Aber das belastet den Stromverbraucher unnötig, der die Marktprämie am Ende per Umlage zahlen muss. Darum gilt diese Art der Marktprämie bei Kritikern nicht als kosteneffizient.


Eine verpflichtende Direktvermarktung kritisieren die 27 Unterzeichner der „Berliner Erklärung zur Energiewende“ – vor allem Banken, aber auch Projektierer und Verbände. Denn diese Verpflichtung führt zur Abhängigkeit von den Stromvermarktern.


Eine Alternative zur Marktprämie ist die Kapazitätsprämie. Der Anlagenbetreiber erhält hierbei keine Vergütung für die verkaufte Kilowattstunde, sondern für die installierte Leistung. Die Prämie kann staatlich festgelegt oder über Ausschreibungen ermittelt werden. Zusätzliche Erlöse erhält der Betreiber über den Stromverkauf.


Die Kapazitätsprämie hat den Vorteil, dass der Betreiber auch einen Erlös erhält, wenn die Anlage steht. Damit hat er einen Anreiz, die Anlage bei niedrigen Strompreisen abzuschalten.


3. Quotenmodell


Beim Quotenmodell legt der Staat einen Pflichtanteil an Erneuerbaren im Strommarkt fest. Die Stromanbieter müssen diese Quoten erfüllen, indem sie die Energie selbst erzeugen oder Zertifikate kaufen. Anlagenbetreiber erhalten einen Erlös über den Verkauf des Stroms sowie der Zertifikate.


Die Monopolkommission und der Sachverständigenrat der Wirtschaft halten das System vor allem „wegen seiner technologieneutralen Ausgestaltung überlegen“. Denn es regt an, nur die günstigste Technik zu verwenden. Kritiker halten dagegen, dass es ausgereifte Technologien über-, andere aber unterfördert. Wie die Erfahrung aus Großbritannien zeigt, senkt das Modell die Strompreise nicht. Auch hat der Betreiber keinen Anreiz, auf Angebot und Nachfrage im Strommarkt zu reagieren.


Weiterhin kann das Modell zu einer Konzentration von Anlagen in begünstigten Regionen führen – z. B. von Windrädern an windreichen Standorten. Andere Technologien wie z. B. Biogas würden dagegen nicht weiterentwickelt, da hier die Stromerzeugungskosten relativ hoch sind.


Ferner könnte das Modell Energieunternehmen bevorzugen, Einzelanlagen oder bürgerfinanzierte Projekte könnten wegen des hohen Risikos die Ausnahme bleiben. Es verwundert daher nicht, dass insbesondere das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) eine Quote fordert. Denn zu den Förderern des RWI gehört der Energiekonzern RWE.


4. Ausschreibung bzw. Auktionen


Eine Möglichkeit zur Kostensenkung sehen einige Wissenschaftler darin, die Vergütungshöhe oder Prämien bei den einzelnen Modellen nicht mehr staatlich festzulegen, sondern über Ausschreibungen bzw. Auktionen zu ermitteln.


Einen konkreten Vorschlag hierzu hat der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gemacht: Danach soll eine zentrale Stelle jährlich die Mengen an neu benötigter installierter Leistung ausschreiben. Die Menge soll sich nach den Ausbauzielen des Bundes richten. Es soll keine Mindestlosgröße geben, um auch Betreibern kleinerer Anlagen die Teilnahme zu ermöglichen.


Die Anlagenbetreiber können über eine Auktion Vergütungsrechte ersteigern. Sie geben ein Gebot über einen Förderbetrag ab, zu dem sie eine bestimmte Menge an Leistung dazu bauen würden. Die günstigsten Gebote bekommen den Zuschlag. Der Förderbetrag wird anschließend in Euro pro Megawatt (€/MW) ausgezahlt.


Die Vergütungsrechte sind aber allein für den Betreiber noch nicht auskömmlich. Er muss auch den Strom möglichst lukrativ vermarkten.


Das Vorgehen soll dazu dienen, die Förderkosten zu senken. Denn der Wettbewerb um den Zugang zur Förderung sorgt dafür, dass die Anlagenbetreiber ihre erwartete Rendite sowie die Produktionskosten niedrig halten oder sich um attraktive Erlöse für den Strom bemühen. Das System soll so ausgelegt sein, dass sowohl Privatleute, Kommunen als auch Gesellschaften daran teilnehmen können.


Ein Nachteil der Regelung ist, wie die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass einige der künftigen Anlagenbetreiber zu günstig anbieten könnten, um den Zuschlag zu erhalten. Wenn sich bei der Projektentwicklung höhere Kosten ergeben, besteht die Gefahr, dass diese Anlagen dann nicht mehr gebaut werden.


Ein weiteres Risiko ist, dass sich die Genehmigungsauflagen in der Projektierungszeit verändern. Das betrifft vor allem die Windenergie, die ja drei bis vier Jahre Vorlauf hat. Das Modell kann Privatpersonen bzw. Betreiber kleinerer Anlagen abschrecken, sodass sich nur finanzstarke Marktteilnehmer durchsetzen. Der Bundesverband Erneuerbare Energien erwartet bei diesem Modell daher ein Comeback der großen Stromkonzerne. Dazu passt, dass sich die Deutsche Energie-Agentur – häufig Sprachrohr für industrielle Stromerzeuger – für einen Kapazitätsmarkt mit europaweiten Ausschreibungen einsetzt.


Wie es jetzt weitergeht:

Die Vielzahl der Reformvorschläge ist enorm. Eine Bewertung der Auswirkungen auf die Landwirtschaft ist derzeit schwer. Denn schon kleine Nuancen haben immense Auswirkungen, wie das Beispiel Marktprämie zeigt: Es macht einen großen Unterschied, ob die Prämie im Voraus oder im Nachhinein bestimmt wird. Viele Verbände oder andere Lobbygruppen versuchen mit eigenen Vorschlägen, ihre Interessen durchzuboxen. So manche Idee könnte sich daher als trojanisches Pferd entpuppen. Beispielsweise, wenn die Förderung mit hohem Risiko für die Investoren verbunden ist, sodass am Ende nur finanzstarke Stromversorger das Rennen machen.


Der ambitionierte Zeitplan der Regierung lässt dabei nichts Gutes hoffen: Bis Ostern will sie einen Gesetzesentwurf vorlegen. Hinrich Neumann

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