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Mit dem Architekten günstig gebaut

Lesezeit: 6 Minuten

An den Bau einer Biogasanlage wagte Milchviehhalter Anton Soyer aus dem Landkreis Ebersberg, südöstlich von München, lange nicht zu denken. „Wegen der geringen Flächenausstattung meines Hofes hätte ich bei den heute üblichen Anlagengrößen massiv Fläche pachten und Mais zukaufen müssen“, erklärt der 38-jährige Landwirtschaftsmeister. Erst als er hörte, dass Kuhhalter im benachbarten Landkreis Rosenheim auch kleinere Anlagen bauen, die zum Teil weniger als 3 000 € je Kilowatt (kW) kosten, wurde er neugierig.


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„Im Landkreis Rosenheim gibt es mitt­lerweile 96 Biogasanlagen mit einer Leistung zwischen 40 und 190 kW“, bestätigt Christian Rinser, stellvertretender Regionalgruppensprecher des Fachverbandes Biogas in Oberbayern und selbst Anlagenbetreiber. Der Boom hat zwei Gründe: Die Landwirte können günstig bauen, da sie von erfahrenen Planern und Architekten unterstützt werden. Und über einen Arbeitskreis besteht ein intensiver Austausch mit Kollegen – viele Probleme lassen sich so gemeinsam lösen.


Die Planung hat bei fast allen Anlagen Ekkehard Schneider durchgeführt. Der 68-jährige Elektroingenieur beschäftigt sich schon seit über 25 Jahren mit der Biogas-Technologie. Mittlerweile beraten auch andere Anlagenbetreiber aus der Region um Rosenheim bauinteressierte Landwirte.


Anlage an den Hof anpassen


Schneider plant die Komponenten zunächst genau durch. Die Größe richtet sich nach dem zur Verfügung stehenden Substrat. Bei Soyer sind dies knapp 4 000 m3 Rindergülle aus dem eigenen und einem angrenzenden Betrieb, sowie 14 ha Mais und der Aufwuchs von 8 ha vierschnittigem Grünland. Anwohner bringen Soyer zusätzlich Grünabfälle direkt zur Anlage. Hieraus ergibt sich eine Anlagengröße mit einer elektrischen Spitzenleistung bis 80 kW.


Bei der Planung war Soyer ein gutes Wärmekonzept wichtig. Neben einer Wärmeleitung zum eigenen Wohnhaus, plante er auch die Errichtung eines Trocknungsgebäudes im Anschluss an das BHKW-Haus, um Hackschnitzel sowie Ballen aus Luzerneheu zu trocknen.


Standardisierter Aufbau


Planer Schneider vermittelte einen erfahrenen Architekten, der die Eingabeplanung kostengünstig für rund 850 € übernahm. Die Anlage ist nach einem standardisierten Schema aufgebaut:


Fermenter und Nachgärer fassen je 800 m3 und sind aus Beton ausgeführt. Schneider hat dieses Behältervolumen für die geplante Leistung berechnet. Der Fermenter ist außen isoliert und mit einer im Beton liegenden Boden- sowie einer vier Meter hohen Wandheizung ausgestattet.


Das Dach besteht in beiden Behältern aus einer reißfesten und gasdichten Einmalfolie, die mit einem Seeger-Verschluss an der Behälterkrone befestigt ist. Die Unterkonstruktion wurde aus einer Holzbalkendecke mit Mittelstütze gefertigt.


Typisch für die Rosenheimer Anlagen sind die Stabrührwerke, die seitlich durch die Behälterwand geführt werden. Anton Soyer hat hier je eines im Fermenter und im Nachgärer eingebaut.


Über einen Mischbehälter gelangt das Substrat waagerecht in den Fermenter. Am Boden des Behälters laufen zwei gegenläufige Schnecken, wobei die eine fördert und die andere mischt.


In vielen kleineren Rosenheimer Anlagen kommen BHKW mit Belarus-Gas-Ottomotoren zum Einsatz. Soyer setzt zwei BHKW mit je 40 kW ein, wobei eines in Volllast läuft und das andere bei Bedarf zuschaltet. Die Anlage bringt so eine konstante Leistung von 65 kW.


Ein Radialgebläse saugt die warme Luft direkt aus dem BHKW-Raum ab und leitet sie durch Betonkanäle direkt in das Trocknungsgebäude ein.


Mit einfacher Technik die Kosten drücken


Unter dem Strich hat Soyer für seine Anlage insgesamt 240 000 € (netto) ausgegeben. Pro Kilowatt Spitzenleistung kommt er so auf Kosten von rund 3 000 €. Rund 100 000 € entfallen hiervon auf die beiden Behälter inklusive Heizung sowie auf das BHKW-Haus. Für die komplette Technik aus Pumpen, Leitungen, Rührwerken, Einbringung sowie sämtliche Anschlussleistungen der Elektriker und Mechaniker wurden rund 70 000 € fällig.


Mit dem Bau der Anlage investierte Soyer außerdem rund 15 000 € in ein neues 400 m3 Traunsteiner Silo. Seine jetzt insgesamt 2 000 m3 Siloraum nutzt er auf zweifache Weise: Die qualitativ schlechtere Silage an den Rändern sowie entlang der Silooberkante vergärt er in der Biogasanlage. Die Kernsilage setzt er weiterhin für die Milchviehfütterung ein.


Für die beiden BHKW hat Anton Soyer insgesamt rund 54 000 € ausgegeben. „Ein Markenmotor hätte fast das doppelte gekostet“, berichtet er. Hierfür nimmt Soyer Einbußen beim Wirkungsgrad in Kauf, den Experten auf knapp unter 30 % schätzen.


Die günstigen Baukosten sind letztlich möglich, weil konsequent auf einfache und nicht überdimensionierte Technik gesetzt wird. „Als Pumpen verwenden wir einfache Drehkolbenpumpen, der Eintrag ist ohne Wiegeeinrichtung ausgeführt, die Steuerung ist möglichst einfach aufgebaut“, nennt Schneider mehrere Beispiele.


Rund 1 000 Stunden Eigenleistung


Nicht in den Kosten enthalten ist die Eigenleistung, die Anton Soyer während der Bauzeit von September bis Dezember 2009 eingebracht hat. Anton Soyer schätzt, dass sich diese auf bis zu 1 000 Stunden summiert, die er etwa beim Behälterbau oder verlegen der Rohre und Leitungen leistete. Wertvolle Unterstützung gab ihm hierbei Schneider, der ständig als Ansprechpartner parat stand. „Über Kontakte aus dem Arbeitskreis der Rosenheimer Anlagen-Betreiber konnte ich mich außerdem direkt mit Kollegen austauschen“, berichtet der Landwirt.


Um auch langfristig Kosten zu sparen, war es Soyer wichtig, regionale Handwerker beim Bauen einzubinden, wie etwa bei der Heizung und der Steuerung der Anlage. Er hofft, dadurch bei Störungen keine teuren Fachkräfte und lange Anfahrtswege bezahlen zu müssen.


Neben den Vorteilen, die Soyer durch den Bau ohne Generalunternehmer hat, gibt es auch Schattenseiten. Um die Gewährleistung für ein Bauteil einzufordern, muss Soyer direkt mit dem Hersteller oder Lieferanten verhandeln. „Als unsere erste EPDM-Folie plötzlich riss, bekamen wir erst nach langem Hin- und Her von der Firma eine Ersatzfolie“, erinnert sich Soyer.


Gewährleistung macht Schwierigkeiten


Auch bei der Baugenehmigung gab es zunächst Probleme. „Die Behörden legten uns eine Reihe Hürden in den Weg, wie etwa ein Emmissionsschutzgutachten“, berichtet Soyer. Er vermutet, dass ein Generalunternehmer aufgrund des ständigen Kontakts mit den Behörden hier Vorteile gegenüber einem Landwirt hat.


Um die Betriebserlaubnis zu bekommen, musste sich Soyer durch ein wahres Dickicht an Vorschriften kämpfen. Für die benötigten Nachweise wie Konformitätserklärung oder Dichtheitsüberprüfung musste er selbst sorgen. Auf Anraten des Planers Ekkehard Schneider suchte er frühzeitig den Kontakt mit der Berufsgenossenschaft.


Bei offenen Fragen oder Problemen konnte Anton Soyer jedoch von den Erfahrungen seiner Kollegen aus Rosenheim profitieren. Die Ausstellung des Explosionsschutzdokuments sowie die Abnahme nach der Betriebs-Sicherheits-Verordnung konnte so beispielsweise Rinser durchführen, der sich wie weitere Landwirte aus Rosenheim entsprechend fortgebildet hat.


Als vorläufiges Fazit ist Soyer mit der Anlage sehr zufrieden. „Weil wir mit bis zu 85 Masseprozent Gülle fahren, läuft die Anlage sehr stabil“, berichtet der Praktiker. Für die Routinearbeiten im neuen Betriebszweig benötigt er täglich knapp eine Stunde Zeit.


Ein Exportschlager


Mittlerweile werden auch Landwirte in anderen Regionen auf das Konzept aufmerksam. So auch Klaus Nölp aus der Nähe von Neustadt an der Aisch. Der Ferkelerzeuger mit rund 150 Sauen hat vergangenes Jahr in eine Biogasanlage mit einer Spitzenleistung von 90 kW investiert.


Sein erstes Fazit fällt positiv aus. „Mit der Anlage habe ich mir ein interessantes zweites Standbein aufgebaut, das gut zu meinen Betrieb passt“, erklärt Nölp. Um wie seine Kollegen aus Rosenheim von den Erfahrungen anderer Landwirte zu profitieren, will auch er mit drei weiteren Betreibern einen Arbeitskreis in der Region gründen. Matthias Häfner

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