Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

Aus dem Heft

Mit dem mobilen Labor vor Ort

Lesezeit: 7 Minuten

Schnell ist eine Biogasanlage über- oder unterfüttert. Anhand bestimmter Messwerte kann ein externer Dienstleister Prozessfehler rechtzeitig erkennen.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Sepp Lausch liest die Werte auf seinem mobilen Gasmessgerät ab: Methangehalt: 53 %, CO2-Gehalt: 46 %, Sauerstoffgehalt: 0,4 %, Schwefelwasserstoff: 40 ppm. Der Biogasberater trägt die Werte in der vorbereiteten Tabelle ein und vergleicht sie mit dem Vormonat: „Alles in Ordnung, keine Veränderung festzustellen“, resümiert er.


Das war auf der Biogasanlage von Landwirt Huber (Name geändert) im Landkreis Rosenheim (Bayern) nicht immer so. Die Anlage ist 2010 mit 100 kW elektrischer Leistung ans Netz gegangen.


Hoher Schwefelgehalt.

Vor einigen Monaten ist der Gehalt an Schwefelwasserstoff auf über 300 ppm angestiegen.


Das hat Berater Lausch auf den Plan gerufen. Er ist ebenfalls Landwirt und Biogaserzeuger. Im Jahr 2009 hat er die Ausbildung zum Fachagrarwirt Erneuerbare Energien in Triesdorf absolviert und berät seitdem Anlagenbetreiber. Viele der Biogaserzeuger in der Region nutzen diesen Service, weil sie selbst zu wenig Zeit haben oder die Ausgabe für die Anschaffung und die hohen Kosten für die vierteljährliche Kalibrierung eines Gasmessgerätes scheuen. So auch Landwirt Huber.


In der Anlage werden 65 % Gülle vergoren. „Diese Anlagen haben immer einen höheren Schwefelgehalt als Anlagen, die mit einem hohem Anteil von Energiepflanzen betrieben werden“, lautet seine Erfahrung. Zur Entschwefelung bläst der Landwirt wie 90 % aller anderen Betreiber Luft in den Gasraum des Fermenters. Normalerweise reagiert der Schwefelwasserstoff mit dem Sauerstoff, es entsteht elementarer Schwefel, der ausfällt und für den Motor und andere Einbauten nicht mehr schädlich ist.


Doch dieser Prozess funktionierte in Hubers Anlage nicht mehr, der Sauerstoffgehalt im Gasraum stieg genauso an wie der Gehalt an Schwefelwasserstoff (H2S). Aus diesem Grund hatte Lausch die Zugabe von Eisen-II-Sulfat und Spurenelementen in den Fermenter angeraten. Das Eisen verbindet sich mit dem H2S aus dem Biogas zu festem Eisensulfid. „Nach dieser Maßnahme ging der Schwefelwasserstoffgehalt deutlich zurück“, stellt Lausch fest.


Gleichzeitig empfahl er dem Landwirt, den Kompressor zum Lufteinblasen mit einer Zeitschaltuhr zu verbinden. Denn wenn der Kompressor rund um die Uhr läuft, verbraucht er viel Strom. Dabei können schnell unnötige Stromkosten von 200 bis 300 € pro Jahr zusammenkommen.


Korrosion im Gasraum.

Ein überdimensionierter Kompressor bläst auch meist zu viel Sauerstoff ein, der ab einer gewissen Konzentration für die anaeroben Bakterien schädlich ist. Außerdem führt er bei den Einbauten im Gasraum zu erheblicher Korrosion. Stahl, Beton und sogar Holz leiden darunter. Lausch hatte einen Fall, bei dem eine Schwimmdecke den Ausgang eines Einblasrohres für Sauerstoff verbogen hatte. Die Luft strömte aus dem verbogenen Rohr permanent auf einen Holzbalken des Tragluftdachgerüstes, der nach einiger Zeit komplett durchgefault war. „Einige Hersteller bauen viel zu große Kompressoren ein, bei denen dann der Luftoutput gedrosselt werden muss. Dadurch verschleißen sie auch sehr schnell.“


Lausch empfiehlt dagegen, den Kompressor ungedrosselt je nach Anlagengröße nur eine begrenzte Zeit laufen zu lassen und dann abzustellen.


Besonders große Probleme mit Schwefel hatte eine Anlage, bei der der Landwirt in der Rinderfütterung auf Rapsschrot umgestiegen ist. Die Fütterungsmenge lag bei 3 bis 4 kg je Tier und Tag. Der Schwefelgehalt war hier auf 1 000 ppm und mehr angestiegen. Auch dieser Betreiber arbeitet jetzt mit Eisen-II-Sulfat und Spurenelementen.


Aber nicht nur bei Gülleanlagen stellt Lausch plötzlich ansteigende Schwefelgehalte fest. Das Phänomen kann auch im Herbst auftreten, wenn die Anlagen Gras vom 5. und 6. Schnitt einsetzen. „Dieses Material enthält außerdem viel Eiweiß, was in einigen Anlagen zu Schaumbildung führt“, erklärt Lausch. Einer seiner Kunden musste täglich rund 2 Liter Pflanzenöl gegen die Schaumbildung einsetzen.


Oft nicht ausgelastet.

Neben der Gasanalyse nutzt Lausch auch den FOS/TAC-Wert für die Beratung. Bei diesem Wert geht es um das Verhältnis der flüchtigen organischen Säuren (FOS) zum Carbonatpuffer (TAC). Normalerweise liegt der Wert zwischen 0,3 und 0,6. „Niedrigere Werte zeigen an, dass die Anlage noch Potenzial hat, sie ist quasi unterfüttert“, lautet seine Erfahrung. Werte über 0,6 dagegen können eine drohende Überlastung anzeigen.


Lausch ermittelt den Wert direkt vor Ort auf der Biogasanlage. Dazu untersucht er eine Probe mit Gärsubstrat in einem mobilen Titrationsapparat. Sollte sich der Wert einmal dramatisch erhöht haben, schickt Lausch eine Probe an ein Labor. Hier wird dann u. a. die Zusammensetzung des Säurespektrums ermittelt, also der Anteil der freien Fettsäuren. Damit kann Lausch dann weitere Fütterungsempfehlungen geben.


Im Fall von Landwirt Huber hatte Lausch vor einem Monat einen FOS/TAC-Wert von 0,12 festgestellt. Nach Erhöhung des Substratinputs stieg der Wert auf 0,22, was weiterhin absolut unbedenklich ist.


In einem anderen Fall hatte lange Ladewagensilage für eine Unterfütterung gesorgt. Die Bakterien haben diese nicht ausreichend aufschließen können, der FOS/TAC-Wert lag bei 0,14. Außerdem hatten die langen Fasern Verstopfungen verursacht, weil sie sich um die Förderschnecken gewickelt hatten. „Bei einer Biogasanlage gibt es nicht zu nasses und zu klein gehäckseltes Substrat, nur zu trockenes und zu langes“, bringt es Lausch auf den Punkt.


Seiner Meinung nach muss das Substrat möglichst schon im Häcksler zerkleinert werden. Viele Betreiber sparen bei größeren Häcksellängen zwar Erntekosten, stecken dann aber viel Geld in die Zerkleinerung. „Auch der Strombedarf für die Rührwerke wird sehr oft unterschätzt und verschlechtert den Wirkungsgrad drastisch“, lautet seine Erfahrung.


Aus diesem Grund empfiehlt er auch die Ernte von Ganzpflanzensilage schon in der Milchreife. Teigreif geerntetes Material bringt zwar mehr Ertrag, aber ist deutlich schwerer zu rühren. „Im letzten Jahr hatte ich drei Anlagen, die bei teigreifer GPS fast nur Stroh im Behälter hatten und die Rührwerke Tag und Nacht wegen immenser Schwimmdecken laufen lassen mussten“, berichtet der Berater.


Zu viel Futter ist schädlich:

Genauso häufig kommen in der Praxis aber auch Überfütterungen vor. „Gerade unerfahrene Betriebsleiter überfüttern ihre Anlage schnell, weil sie zu ungeduldig sind“, hat er festgestellt. In einem Fall meldete sich ein Landwirt, der seine Proben sogar regelmäßig im Labor untersuchen lässt. Doch statt einer Fütterungsempfehlung hatte er vom Labor nur ein Fax mit den nackten Zahlen erhalten. „Die hatten einen FOS/TAC-Wert von 0,9 ermittelt. Da hätte sofort etwas passieren müssen“, meint Lausch.


Als er drei Tage später auf die Anlage gerufen wurde, lag der Wert schon bei 2,1 – die Anlage produzierte kein Gas mehr. Lausch riet ihm, sofort die Fütterung auszusetzen und Natriumbicarbonat sowie andere Zusatzstoffe zuzugeben. Nur mit viel Glück konnte der Betreiber in Zusammenarbeit mit Lausch einen Fermenterabsturz vermeiden. „Er konnte ganze zwei Wochen das 190 kW-BHKW unter Volllast laufen lassen, ohne füttern zu müssen. Das zeigt, wie stark der Fermenter überlastet war“, schildert Lausch den weiteren Verlauf.


In einem anderen Fall haben die Betreiber vordergründig alles richtig gemacht, aber trotzdem eine Überfütterung verursacht. Bei genauerem Nachforschen stellte Lausch fest, dass die Waage nicht kalibriert war und ständig eine zu geringe Menge angezeigt hatte.


Lauschs Fazit nach dreijähriger Beratertätigkeit: Viele Landwirte, die neben der Tierhaltung noch eine kleine Biogasanlage betreiben, sind damit zeitlich häufig überlastet. Aus Kostengründen fehlen in den Anlagen auch moderne und regelmäßig kalibrierte Messeinrichtungen. Aus diesem Grund können die Betriebe selbst kaum rechtzeitig feststellen, ob eine prozessbiologische Störung droht. Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.