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„Unser schönes Dorf soll erhalten bleiben“

Lesezeit: 4 Minuten

Seebergen (Niedersachsen)


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In dem Ort Seebergen (Gemeinde Lilienthal bei Bremen) plant Landwirt Heiner Windler seit Mitte 2008 eine Biogasanlage mit 526 kW im Außenbereich. Die Anlage soll von einer Landstraße aus beliefert werden und hinter einem Erdwall liegen. Zum nächsten Wohnhaus sind es ca. 200 Meter Luftlinie. Die Anlage will er mit Mais, Gras und Gülle aus dem eigenen Milchviehbetrieb sowie von anderen Berufskollegen versorgen.


Potenzielle Abwärmenutzer gäbe es einige in dem Dorf. Ein Konzept hat Windler aber noch nicht erstellt, weil er dafür erst den endgültigen Standort der Anlage abwarten will.


Kurz nach Bekanntwerden der Baupläne im Herbst 2008 haben eine Handvoll Kritiker in dem Dorf eine Bürgerinitiative gebildet und mit einer Sammlung von über 300 Unterschriften sowie Flugblättern und Leserbriefen massiv Stimmung gegen die Anlage gemacht. Aufgrund der öffentlichen Kritik hat der Gemeinderat über den Antrag des Landwirts zur Änderung des Flächennutzungsplans geheim abgestimmt und diesen mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Trotzdem ging der Protest weiter. Einen Rückschlag musste der Landwirt erleiden, als im August 2009 der Landkreis völlig überraschend ein ca. 20 Hektar großes Gebiet rund um den geplanten Anlagenstandort als Biotop unter Naturschutz gestellt hat.


„Warum Gestank ertragen?“


„Unser Hauptkritikpunkt ist der Standort der geplanten Anlage, der in der Hauptwindrichtung liegt“, macht Bernd Schierenbeck deutlich. Schierenbeck, selbst Landwirtssohn und heute Geschäftsführer einer Planungsgesellschaft, die unter anderem auch Standorte für Biogasanlagen plant, bezeichnet sich selbst als vom Fach. Die vorgelegten Geruchsgutachten können ihn nicht überzeugen. „Warum soll ich im Jahr 400 Stunden Gestank ertragen, wenn es auch ohne geht?“, fragt er. Damit sinke die Lebensqualität in dem Ort genauso wie der Wert der Wohnhäuser.


Die Bürgerinitiative, die erst durch Presseartikel von der geplanten Anlage erfahren hat, kritisiert die mangelnde Bereitschaft von Landwirt und Gemeinde zur Suche nach einem Alternativstandort.


Auch eine nicht geglückte Info-Veranstaltung hat zusätzlich Missstimmung erzeugt. „Wir konnten unsere Fragen nicht los werden. Außerdem fehlte ein Kabel zum Projektor, so dass wir keine Bilder sehen konnten“, meint Otto Rahlenbeck, ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative. Ferner sei die geheime Abstimmung des Gemeinderats ein Schlag ins Gesicht gewesen. Rahlenbeck: „Der Rat hatte uns vorher zugesichert, dass die Gemeinde den Antrag ablehnen wird.“


Inzwischen richtet sich die Kritik der Bürgerinitiative generell gegen Biogas. „Früher war hier schöne Natur. Heute sieht man überall nur noch drei Meter hohen Mais“, merkt Rahlenbeck an. Mais zerstöre den Boden und gehöre als Nahrungsmittel wie Getreide nicht in die Energieerzeugung. Zusätzlich hat die Bürgerinitiative aus dem Internet über mögliche Gefahren durch Explosionen oder Clostridien erfahren. „Bio klingt aus unserer Sicht zu harmlos und stellt die Technik als etwas Positives dar “, erklärt Schierenbeck, warum die Bürgerinitiative nur von „Methangasanlage“ spricht.


Schierenbeck: „Wir werden jetzt alle Möglichkeiten im Rahmen des Planungsrechts nutzen, um die Anlage zu verhindern.“


„Der Standort ist ideal!“


Heiner Windler sieht in der Energieerzeugung eine Möglichkeit, seinen Betrieb in der Ortslage weiter zu entwickeln. „Bei den schlechten Milch- und Getreidepreisen bleiben mir nicht viele Alternativen“, macht er deutlich.


Der Standort, den er gewählt hat, ist aus seiner Sicht ideal: Weit genug vom Dorf weg und von der Landstraße gut zu erreichen, ohne dass die Bevölkerung unter dem Verkehr zu leiden hätte. Auch das Bauamt im Landkreis hatte im Vorgespräch grünes Licht gegeben.


Sein Eindruck: Die wenigen Kritiker im Dorf haben mit einer Unterschriftensammlung andere Bewohner unter Druck gesetzt. „Ich habe von Nachbarn gehört, die schnell unterschrieben haben, ohne genau zu wissen, um was es geht“, erklärt er. Zwei Bürger distanzierten sich nachträglich von ihrer Unterschrift, als Windler ihnen seine persönliche Situation schilderte.


Obwohl die Diskussion von Anfang an sehr emotional geführt worden sei, hätte er trotzdem freiwillig angeboten, bestimmte Auflagen zu erfüllen: Die Zusage, nur nachwachsende Rohstoffe einzusetzen, die Größe auf 500 kW zu beschränken und nur Gülle aus der Region einzusetzen. „Aber dafür waren die Bürger nicht zugänglich“, musste er erfahren. Bei einer von ihm organisierten und bezahlten Busfahrt zu einer baugleichen Anlage nahmen nur 15 Seeberger teil. „Sie konnten sich überzeugen, dass eine derartige Anlage weder riecht noch übermäßig viel Lärm macht, aber das wollten sie gar nicht wissen.“


Einer gegen alle


Den Treibern der Initiative ginge es nur darum, Veränderung im Dorf zu verhindern. Die sehr persönlichen Leserbriefe und Flug-blätter empfindet er als „Schmutzkampagne“. Auch die plötzliche Unterschutzstellung hält er für einen politischen Schachzug.


Enttäuschend für ihn ist, dass Berufskollegen, Bauernverband oder mögliche Wärmeabnehmer mit dem Streit nichts zu tun haben wollen und abgetaucht sind. Mit seinem Problem steht er ganz allein da. -neu-

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