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Windstrom aus dem Wald

Lesezeit: 6 Minuten

Mehrere hundert Windräder drehen sich mittlerweile in deutschen Wäldern. Kommunen hoffen auf mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung, Jäger und Naturschützer dagegen schlagen Alarm.


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In dem schönen Westerwald, ja, da pfeift der Wind so kalt“, heißt es in einem alten deutschen Volkslied. Nicht besingen, sondern nutzen will das Land Rheinland-Pfalz diesen Wind über den Wipfeln des Waldes: Auf 2 % der Waldfläche sollen Windparks entstehen und die Energiewende entscheidend vorangebracht werden.


„Wir wollen bewusst ökologisch wenig schutzwürdige Fichtenwälder für die Windenergie verfügbar machen anstelle von naturschutzfachlich wertvolleren Flächen wie z. B. Grünland“, erklärt dazu Dr. Thomas Griese, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Ernährung, Landwirtschaft und Forst in Rheinland-Pfalz.


Vorreiter Rheinland-Pfalz:

Damit gilt das Land als Vorreiter der neuartigen Waldnutzung. Denn Rheinland-Pfalz ist mit 43 % Waldanteil das waldreichste Bundesland in Deutschland. Inzwischen drehen sich hier über 100 Windräder im Wald. Bis zum Jahr 2030 will das Land seinen Strombedarf vollständig über erneuerbare Energien abdecken, Windenergie soll das Hauptstandbein bilden.


Für diese Art der Waldnutzung sprechen viele Argumente:


  • Die Windenergieanlagen stören das Landschaftsbild weniger, da sie im Wald weniger sichtbar sind als auf freier Fläche. Die unteren 50 Meter der Anlagen sind von den Bäumen verdeckt.
  • Waldstandorte sind häufig entfernt von Ortschaften, es gibt also weniger Diskussionen um Schlagschatten oder Geräusche.
  • Es werden weniger landwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen, die für die Nahrungs-, Futtermittel- und Energiepflanzenproduktion dringend benötigt werden. Gleichzeitig mindert ein Ausweichen auf den Wald den Druck auf die Pachtpreise in der Landwirtschaft.
  • Die Pacht- und Stromerlöse über die Windkraftnutzung bescheren den Waldbesitzern höhere Erlöse als die Holznutzung. Ein Windrad benötigt rund 1 ha Fläche. Ein Waldbesitzer kann mit Pachteinnahmen von rund 10 000 bis 15 000 € je MW Leistung rechnen, heißt es in der Konzeptstudie „Windenergie im Wald“ des Planungsbüros Linden Energy aus Oldenburg.
  • Der Bau von tragfähigen Wegen kann auch die Forstwirtschaft unterstützen. Denn die Wege müssen für eine Achslast von 12 Tonnen bzw. bis zu 164 Tonnen Gesamtgewicht der Fahrzeuge ausgelegt sein.
  • Gleichzeitig können sich Waldbrandschneisen anlegen lassen.
  • Windwurfflächen, besonders die in Nordrhein-Westfalen vom Orkan Kyrill im Jahr 2007 betroffenen Flächen, können mit der Windenergie ideal genutzt werden, anstatt sie erneut mit sturmanfälligen Fichten aufzuforsten.


Auch andere Binnenländer sind auf den Zug aufgesprungen. In Bayern gibt es die ersten Windparks in Waldgebieten und auch Nordrhein-Westfalen hat ehrgeizige Ziele. Bis zu 9 300 Megawatt (MW) Windleistung könnten hier künftig im Wald entstehen, vor allem in den 348 000 ha Nadelwald, heißt es in dem 2012 veröffentlichten Leitfaden zur Windenergienutzung auf Waldflächen in Nordrhein-Westfalen.


Von den 11 Mio. Hektar Wald in Deutschland eignen sich laut Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) knapp 14 % als Windstandorte. Wie viel Fläche in den einzelnen Bundesländern zur Verfügung steht, zeigt die Übersicht auf Seite 58. Hier sind die für die Windenergie potenziell zu nutzenden Flächen aufgeführt. Das Fraunhofer IWES unterscheidet dabei Flächen ohne Einschränkungen, Waldflächen und nutzbare Flächen in Schutzgebieten. Allein in Bayern wären über 4 000 ha Wald für Windparks geeignet!


Kritik der Naturschützer:

Doch nicht überall stößt das Thema „Wind im Wald“ auf Zustimmung. Kritiker bemängeln, dass zur Erzeugung von grünem Strom Wald gerodet würde. Ohne dem geht es nicht: Für Kranstellplätze, Montagefläche und Zuwegung müssen rund ein Hektar je Anlage gerodet werden.


Dazu kommt, dass der Wald Lebensraum für viele seltene Vogel- und Fledermausarten ist. Diese könnten unter Umständen von den Rotoren beeinträchtigt werden.


Aus diesem Grund mahnt der Deutsche Jagdschutzverband in seinem Positionspapier, Maschinen nicht in der Nähe von Wildkorridoren, wichtigen Wildeinstandsgebieten oder Rastplätzen von Wildtieren zu errichten. Um auf wenig Fläche möglichst viel Strom zu erzeugen, sollten die Windräder möglichst hoch und nur auf windhöffigen Arealen gebaut werden.


Das ist ohnehin von der Wirtschaftlichkeit unerlässlich: Das Land Rheinland-Pfalz definiert in dem Entwurf zum Landesentwicklungsplan einen windstarken Standort mit Windgeschwindigkeiten in 100 Meter Höhe von 5,8 bis 6,0 Meter pro Sekunde über Grund gemessen.


Dank des technischen Fortschritts sind heute Nabenhöhen über 100 Meter auch im Binnenland schon Standard. „Mit diesen Nabenhöhen erreichen die Windenergieanlagen Luftschichten, die nur wenig beeinflusst werden durch die Wirkung des Geländes auf den Wind über den Baumkronen“, heißt es in dem NRW-Leitfaden „Wind im Wald“. In den Höhen nehmen Turbulenzen ab, während der Wind konstanter strömt.


Doch nicht alle Naturschützer sind für die Windkraft im Wald. So hat der BUND-Gründer Ennoch zu Guttenberg seinen Verband unter Protest verlassen mit dem Argument, es gehe den Befürwortern der Windenergie nur ums Geld, während der Schutz der Natur keine Rolle mehr spiele. Der BUND dagegen erklärt in einem Positionspapier: „Es gibt in Deutschland keinen Nachweis bundesweiter Bestandsgefährdungen durch Windenergieanlagen an Land“ und befürwortet die Windenergienutzung im Wald, sofern sie vor allem den Schutz von Fledermäusen berücksichtigt.


Nicht in Schutzgebieten:

Dr. Marc Reichenbach, Geschäftsführer der Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung (ARSU) aus Oldenburg ergänzt: „Zu untersuchen sind in jedem Fall potenzielle Auswirkungen durch Kollisionen bei Flugaktivitäten von Fledermäusen und Vögeln oberhalb der Baumkronen sowie drohende Störungen und Vertreibungen sensibler Arten.“


Generell gelte es, so Reichenbach, solche Konflikte durch eine entsprechende Standortwahl von Anfang an auszuschließen, indem etwa naturferne Koniferenbestände in Monokulturen bevorzugt und naturnahe sowie insbesondere ältere Bestände für den Bau von Windenergieanlagen gemieden werden. Und um genau diese artenarmen Wirtschaftswaldflächen geht es auch beim Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz. „Wir wollen ja nicht in ausgewiesene Naturschutzgebiete eingreifen“, macht Staatssekretär Griese deutlich. Genauso tabu seien Kernzonen von Biosphärenreservaten, Nationalparks oder die Zone 1 von Wasserschutzgebieten.


Doch diese machen in Rheinland-Pfalz sowieso nur 2 % der Waldfläche aus. 98 % dagegen sind Wirtschaftswald, davon knapp die Hälfte Nadelholz.


Dazu kommen FFH-Vogelschutz- und Natura 2000-Gebiete, bei denen es kein Pauschalverbot für die Windenergie geben dürfte, sondern zumindest eine Einzelfallprüfung darüber möglich sein muss, ob die Windkraft mit dem Schutzziel vereinbar sei, so Griese.


Mit der Natur:

Auch der NRW-Leitfaden „Wind im Wald“ steckt voller Anregungen, wie Naturschutz und Windkraftnutzung unter einen Hut zu bringen sind. Dazu zählt die Landesregierung beispielsweise das Abschalten von Windparks in warmen, windschwachen Sommernächten, in denen Fledermäuse besonders häufig fliegen.


Die Windenergie könnte den Naturschutz sogar beflügeln, heißt es in der Linden-Studie. Denn die nötigen Aus­gleichsmaßnahmen könnten dazu genutzt werden, naturnahen Mischwald anzulegen oder Waldränder ökologisch aufzuwerten.


Außerdem sei zu erwarten, so der BUND, dass mit den höheren Türmen der neuen Anlagengeneration das Kollisionsrisiko deutlich reduziert wird.


Die Windkraftnutzung hat also vor allem im artenarmen Fichtenwald große Vorteile. Wenn Projektplaner konstruktiv mit Jägern und Naturschützern zusammenarbeiten, können interessante, neue Windparkflächen erschlossen und der Erlös pro Hektar für Waldbesitzer unter Umständen verbessert werden.


Hinrich Neumann

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