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Zockt die Biogasbranche zu viele Subventionen ab?

Lesezeit: 7 Minuten

Kritiker werfen der Biogasbranche vor: Sie kassiere viel zu hohe Subventionen und sei teuer. Stimmt das?


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Jedem war bewusst: Die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes wird für die Biogasbranche kein Zuckerschlecken. Dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Bau neuer Anlagen aber auf ein Minimum zurückfahren will, damit hatte kaum einer gerechnet. Was treibt den gebürtigen Niedersachsen an, fragen sich viele.


Auf einer Energiekonferenz des Handelsblattes Mitte Januar in Berlin gab der SPD-Vorsitzende indirekt eine Antwort auf die Frage. Die Biogasbranche hat es in den vergangenen Jahren nicht hinbekommen, billiger zu produzieren, rief er den etwa 1 200 Zuhören zu. Stattdessen schöpfe diese hohe Fördergelder ab. Manch einer rieb sich verwundert die Augen. Kann das stimmen?


Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Gabriels These stimmt so natürlich nicht. Es gibt zwar Fakten, die seine Aussage stützen, aber mindestens genauso viele, die dagegen sprechen.


Warum Gabriel irrt:

Die Stromproduktion aus Biogas ist in den vergangenen Jahren deutlich effizienter geworden. Das geht beispielsweise aus einer Statistik des Landwirtschaftsministeriums in Niedersachsen hervor. In regelmäßigen Abständen erfasst das Kompetenz-zentrum 3N für die Beamten den Stand der Biogasproduktion im Nord-Westen. Anhand der mittlerweile beachtlichen Datenmenge kann man auch ablesen, wie sich die Leistungsfähigkeit der Kraftwerke im Verlauf der Jahre verändert hat. Die Anlagen benötigten danach bis zum Jahr 2008 im Schnitt 500 ha Anbaufläche für ein Megawatt Leistung. „Derzeit sind es nur noch 325 ha“, sagt Dr. Gerd Höher, Referatsleiter im Ressort Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie, gegenüber top agrar.


Kein Wunder. Im Laufe der Jahre haben die Biogasprofis an vielen Stellschrauben gedreht. So ernten die Betreiber beispielsweise dank des züchterischen Fortschrittes etwa pro Jahr 1,5 % mehr Ertrag – und das bei gleichem Aufwand. Die Branche hat außerdem nach und nach die Produktionstechnik deutlich weiterentwickelt und an ihrem Management gefeilt. Ablesen kann man das z.B. an der Auslastung der Anlagen. Während die ersten Kraftwerke im Schnitt jede dritte Stunde stillstanden, laufen moderne Anlagen fast rund um die Uhr (8 300 Stunden pro Jahr).


Wo Gabriel recht hat:

Biogas ist mittlerweile aber auch eine der teuersten Stromquellen überhaupt und kassiert mit Abstand die höchste Vergütung unter den Erneuerbaren. Nachlesen kann man das in einer Studie des Fraunhofer-Institutes für Solare Energiesysteme (Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien). Darin haben die Wissenschaftler die Kosten der verschiedenen Energiequellen miteinander verglichen.


Ergebnis: Die Biomasse-Verstromung kommt auf Produktionskosten – je nach Substratpreis und Anlagengröße – von 13,5 bis 21,5 Cent je Kilowattstunde und belegt den unrühmlichen ersten Platz. Ähnlich teuer ist nur die Energie aus Offshore-Windkraftwerken (rund 12 bis 19,5 Cent je Kilowattstunde, Übersicht 1 rechts).


Diese Art der Betrachtung hat aber Schwächen und spiegelt keinesfalls die ganze Wahrheit wider. Zum einen haben die Autoren nicht berücksichtigt, dass die Anlagen auch Wärme erzeugen, die viele Landwirte nutzen, um damit ihre Ställe, Wohnungen oder sogar ganze Dörfer zu heizen. Zum anderen erzeugen Solar- und Windkraftwerke nur unstetig Strom, weshalb Ausgleichskraftwerke benötigt werden, wofür ebenfalls Kosten anfallen. In der Kalkulation findet das hingegen keine Berücksichtigung.


Hinzu kommt: Vor allem die Energiepflanzenpreise treiben die Kosten – und darauf hat die Branche keinen Einfluss. Das belegt ebenfalls die Fraunhofer-Studie. Danach steuern die Ausgaben für die Substrate den Erlös noch stärker als die Auslastung der Anlagen (Übersicht 2).


Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise vor der EEG-Novelle im Jahr 2009 war daher auch ein entscheidender Grund, warum die Regierung die Vergütung für Biogasstrom damals deutlich anhob. Andernfalls hätte sich die Ökostromproduktion nämlich kaum noch ausgezahlt. Ein Betreiber erhielt beispielsweise im Jahr 2000 für seinen Strom von 8,7 bis 10,25 Cent je Kilowattstunde. Neun Jahre später konnten Neuinvestoren in etwa das Doppelte kassieren.


Was die Politik aber offensichtlich nicht eingeplant hatte: Kaum trat das Gesetz in Kraft, sackten die hohen Getreidekurse wieder ab. Die Kombination aus hoher Vergütung und geringen Substratpreisen wurde so zum Einkommensturbo für die Betreiber.


Wie stark dieser Effekt war, hat Dr. Thomas de Witte vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft anhand von sogenannten Grundrenten berechnet. Das ist der Betrag, der nach Abzug aller Kosten für die Entlohnung des Produktionsfaktors Boden zur Verfügung steht. Anlagen mit einem Gülleanteil von mindestens 30 % erzielten beispielsweise ab dem Jahr 2009 Grundrenten von bis zu 1 000 Euro pro Hektar. Um ähnlich hohe Erlöse zu erzielen, hätte ein Ackerbauer seinen Weizen für 250 Euro pro Tonne oder ein Milchviehhalter seine Milch für über 30 Cent je Liter verkaufen müssen. Doch davon konnten die meisten Betriebsleiter zu dem Zeitpunkt nur träumen.


Fehler im Gesetz:

Angeheizt hat den Run auf Biogas damals auch der sogenannte Güllebonus. Den konnten Betreiber in Anspruch nehmen, die mindestens zu rund einem Drittel Gülle in ihren Anlagen verstromten (30 %). Allerdings zahlte der Staat den Obolus von vier Cent je Kilowattstunde nicht nur für die Energie aus der Gülle, sondern für den gesamten Strom aus der Anlage. Das war ein Fehler, wie man heute weiß. Denn die meisten Biogaserzeuger stopften gerade mal so viel von dem Reststoff in ihre Fermenter wie vorgeschrieben, da Gülle relativ energiearm und damit als Einsatzstoff weniger beliebt ist. Der überwiegende Teil der Ration bestand dagegen in der Regel aus energiereichem Mais. Der Bonus wurde somit unfreiwillig zum Katalysator für den Energiepflanzenanbau und bescherte der Branche üppige Einnahmen.


Es kam, was kommen musste: Deutschlandweit schossen neue Anlagen wie Pilze aus dem Boden. Allein in den Jahren 2009 bis 2011 verbuchte die Branche ein Plus von 3 000 neuen Kraftwerken. Zum Vergleich: Insgesamt sind derzeit 7 720 Anlagen in Betrieb. Sogar Experten aus der Biogasbranche hielten diese Entwicklung für bedenklich und ein Insider, der anonym bleiben möchte, sagte gegenüber top agrar: „Zum damaligen Zeitpunkt haben die Anlagen eindeutig zu viel Kasse gemacht. Ein langsameres Wachstum wäre für die Branche besser gewesen.“


Im Übrigen: Verantwortlich für die EEG-Novelle 2009 war damals noch das Bundesumweltministerium. Und dessen Hausherr hieß Sigmar Gabriel.


Der Boom ist vorbei:

Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Dafür ist vor allem die EEG-Novelle von vor drei Jahren verantwortlich. Die CDU-FDP-Koalition strich die Vergütung für kleine Anlagen deutlich zusammen. Zudem legte der Gesetzgeber Höchstgrenzen für den Maiseinsatz fest (maximal 60 % gemessen an der Masse). Betreiber neuer Anlagen müssen daher auf deutlich mehr Zwischenfrüchte und andere Alternativen setzen, was die Produktionskosten nach oben schraubt. Denn Mais weist nach wie vor das günstigste Kosten-/Energie-Verhältnis auf. Andere Einsatzstoffe sind oft deutlich teurer.


Anlagen teurer:

Investoren müssen zudem für die Anlagen seit 2008 etwa 20 % mehr ausgeben. Zum einen sind die gesetzlichen Anforderungen an die Industrie hinsichtlich Sicherheit, Überwachung und Umweltschutz gewachsen. Zum anderen hat die Regierung die Standards für die Betreiber verschärft. Heute muss ein Biogaserzeuger beispielsweise das Substrat in der Regel 150 Tage lang gasdicht abdecken. Er benötigt somit mehr Fermentervolumen als noch vor ein paar Jahren, was sich ebenfalls in den Kosten niederschlägt. Und zu allem Überfluss ist auch noch Stahl, der Hauptbestandteil der Anlagen, teurer geworden.


Die einstigen Cash-Maschinen haben für Investoren damit deutlich an Attraktivität eingebüßt. Für typisch landwirtschaftliche Anlagen (bis 200 Kilowatt Leistung) ist zum Beispiel die Grundrente um 350 Euro pro Hektar gesunken. „Nur bei Weizenpreisen unter 180 Euro pro Tonne rechnet sich mit dem Maisdeckel noch eine Investition“, so de Witte. Die Getreidekurse haben sich hingegen in den letzten zwei Jahren fast immer über diesem Niveau bewegt. Neuanlagen werden daher kaum noch gebaut.


Aber auch für Altanlagen sind die Bedingungen schlechter geworden. Dr. Dietrich Clemens von der Unternehmensberatung Treurat und Partner aus Kiel betreut beispielsweise 110 Biogasanlagen. Seine Beobachtung: In den vergangenen drei Jahren stiegen die Ausgaben seiner Klienten im Schnitt um etwa 7 % pro Jahr. Das sind etwa 0,5 bis 1 Cent Mehrausgaben je Kilowattstunde und Jahr. Hauptgrund – wer hätte es gedacht: die Substratpreise.


Damit steht fest: Obschon die Biogasbranche die Effizienz ihrer Anlagen in den letzten Jahren deutlich gesteigert hat, sind die Produktionskosten noch stärker angestiegen. Getrieben werden diese vor allem durch die Ausgaben für die Substrate.


Gabriels Aussage, die Biogasbranche habe es nicht geschafft, die Kosten zu senken, stimmt somit nicht.Diethard Rolink

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