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topplus Biogas - 90 statt 75 kW

Viel Gas aus Gülle mit dem Festbettreaktor

Zwei Milchviehhalter betreiben im Kreis Wesel in NRW den Prototyp einer Güllekleinanlage. Das Besondere ist der in der Mitte des Fermenters eingebaute Festbettreaktor.

Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Hermann Krusen und Marc Siemen lachen viel. Sie verstehen sich und das ist auch gut so. Denn Wohnhäuser und Ställe der beiden Milchbauern liegen so dicht aneinander, dass für Fremde nicht zu unterscheiden ist, wem welches Gebäude gehört.

Bei der Entwicklung ihres jüngsten Betriebs­zweiges haben sich die beiden Landwirte die räumliche Nähe zunutze gemacht: Gemeinsam haben sie vor rund drei Jahren eine besondere Güllekleinanlage gebaut. Im 5.000 m3 großen Betonbehälter befindet sich ein Fest­bettreaktor.

Die Anlage ist ein Proto­typ: Der Behälter beherbergt ­Hydrolysestufe, Fermenter und Güllelager in einem. Mit den verfügbaren Substraten sollte die ­Anlage rein rechnerisch Gas für ein 75-kW-BHKW liefern, sagen die Betreiber. Doch seit der Inbetriebnahme im Juni 2021 läuft das zugehörige 99-kW-BHKW ohne Unterbrechung.

Gasertrag: 90 statt 75 kW

„Vor dem Bau unserer Biogas­anlage haben wir lange diskutiert – untereinander und zusammen mit unseren Familien“, erinnert sich Siemen. Ursprünglich wollten die beiden Landwirte nämlich einfach „nur“ neuen Lagerraum für ihre Milchviehgülle schaffen. Doch der Bau einer Güllekleinanlage der 75-kW-Klasse bot sich an: Insgesamt 280 Kühe halten die beiden Landwirte an ihrem Betriebsstandort. Die Milchleistung der Herden liegt bei 10.500 kg bzw. 12.000 kg pro Kuh und Jahr. Jeden Tag fallen insgesamt rund 50 bis 55 m3 Gülle mit einem Trockensubstanzgehalt von rund 7 bis 8% an.

Neben Regenwasser sowie dem Wasser aus der Melkstandreinigung enthält die Gülle auch Einstreu aus den Liegeboxen: in beiden Betrieben zusammen knapp 120 kg Häckselstroh sowie rund 120 kg Strohmehl pro Tag. Hinzu kommen jährlich rund 300 m3 Rindergülle, die aus einem ausgelagerten Stall stammt.

„Damit stand fest, dass wir gemeinsam über Substrat für eine 75-kW-Gülleanlage verfügen“, sagt Siemen und Hermann Krusen ergänzt: „Natürlich war die Investition in die Biogasanlage höher als für ein Güllelager. Doch durch die Vergärung gewinnen wir nicht nur Energie, sondern verbessern auch die Düngeeigenschaften der Gülle. Sie wird dünnflüssiger und eignet sich viel besser für die Ausbringung auf Grünland."

Biofilm am Festbett

Entschieden haben sich die beiden Milchviehhalter für eine Biogas­anlage, die nach dem neuartigen Konzept „UDR-Gülle-Hybrid“ aufgebaut ist. Die Anlage funktioniert folgendermaßen:

  • In der Mitte des Betonbehälters steht ein 9 m hoher Zylinder aus beschichtetem Stahl (3 m Durchmesser). Dieser wird Festbett­reaktor genannt. Sein Fassungs­vermögen beträgt 65 m3.

  • Der Zylinder dient auch als Mittelstütze für das Tragsystem des Doppelmembran-Foliendaches.

  • Hauptaufgabe des Festbettreaktors ist aber ein anderer: Am Stahlzylinder sind Kunststoffrohre befestigt, die mit ihrer großen Oberfläche eine gute Besiedlungsfläche für Bakterien (Biofilm) bieten. Stündlich wird so viel Gülle von unten in den Stahlzylinder gepumpt, dass dieser jeden Tag etwa zweimal neu befüllt wird. Die Gülle strömt an der mit Bakterien besiedelten Oberfläche des Festbettreaktors nach oben und läuft dort über. Mithilfe der am Festbett ange­siedelten Bakterien soll sie inten­siv aufgeschlossen werden.

  • Um den Betonfermenter zu dämmen, ist er von innen mit PU-Schaum ausgeschäumt. Darüber liegt zum Schutz zunächst ein Vlies, darauf wiederum eine PE-Folie. Durch diese zweischalige Bauweise mit Leckerkennung konnten die Betreiber auf die sonst übliche äußere Verblendung des Behälters mit Blech, aber auch auf den Bau eines Erdwalls verzichten. Ein weiterer Vorteil: Der Beton ist von innen geschützt und hat keinen Kontakt zu Gas oder Gärsubstrat.

  • Die Anlage hat keinen Feststoffeintrag. Bis auf die Rindergülle aus dem Außenstall gelangt die Gülle frisch in den Fermenter. Sie strömt an einem Wärmetauscher vorbei. So erhöht sich die Temperatur des Substrats um rund 10 °C.

  • Das Rühren der Gülle im Fermenter erfolgt mit dem Rührwerk „CircumMaxx“ des Herstellers Buschmann. Das Langachsmodell ist horizontal auf dem Boden verankert, lässt sich schwenken und so an unterschiedliche Füllstände im Behälter anpassen.

  • Das Abpumpen der ausgegorenen Gülle in einen vorhandenen Lagerbehälter erfolgt per Hand. Vorher führen die Betreiber der Anlage zehn bis zwölf Stunden lang keine frische Gülle zu und stellen zudem das Rührwerk ab. So bildet sich eine Schichtung: Oben schwimmen noch vorhandene Biomasse sowie Bakterien auf. ­Fertig vergorene Anteile sinken ab. „Um möglichst nur die vergorenen Anteile abzusaugen, haben wir in die Bodenplatte eine 2 m tiefe und im Durchmesser 3 m große Vertiefung eingebaut. Hier entnehmen wir den Gärrest“, sagt Krusen. Zwar kann der Betonbehälter auch als Endlager dienen. Doch durch das Umlagern in einen anderen Behälter kann das Gärsubstrat vor der Ausbringung abkühlen. Das senkt die Höhe der Ammoniakverluste bei der Ausbringung erheblich.

  • Das Foliendach kann 4.000 m3 Gas speichern.

  • Anstelle einer Notfackel ist an der Anlage eine Gasheizung installiert. Sie liefert die Wärme für den Fermenter und versorgt die nahe liegenden Wohnhäuser zumindest anteilig mit Wärme.

Neben dem hohen Gasertrag, der laut Siemen und Krusen gut 30% über den Standarderwartungen liegt, freuen sich die beiden Betreiber über einen störungsfreien Betrieb der Anlage sowie über Gas­erträge, die auch dann stabil bleiben, wenn mal mehr, weniger oder zeitweise kein frisches Substrat in die Anlage gelangt.

Auch große Schwankungen des Füllstandes des Behälters vertrage die Biologie ohne Weiteres. Die Fermenter­temperatur ist sehr niedrig. Teilweise liegt sie bei gerade 28 °C. Die ­Baukosten der Pilotanlage lagen bei rund 700.000 €. Folgemodelle werden aber mit Kosten von rund 1 Mio. € rechnen müssen.

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