Dieser Beitrag erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Die Bundesregierung hat mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 den Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen verbessert. Unter vielen Hausbesitzern aber auch Investoren für PV-Freiflächenanlagen und Agri-Photovoltaik herrscht seitdem regelrecht Goldgräberstimmung. Doch bei genauer Betrachtung rechnet sich eine PV-Anlage nicht automatisch. Das wurde in der digitalen Wochenblatt-Diskussionsrunde mit fünf Experten und mehr als 500 Zuschauern deutlich.
Auf zur Energiewende
Im vergangenen Jahr deckten die erneuerbaren Energieträger gut 46 Prozent des bundesweiten Strombedarfs. Neben Windenergieanlagen machen Photovoltaikanlagen das größte Kuchenstück am „grünen Strom“ aus. Als wesentlichen Teil der Energiewende, treiben Bund und Land den Ausbau von Solarstrom voran. Neben PV-Dachanlagen gewinnen auch Freiflächen und Agri-PV-Anlagen an Fahrt. Nicht zuletzt deshalb, weil Investoren mit üppigen Flächenpachten locken: Bis zu 5000 €/ha jährlich.
Tatsächlich muss etwas passieren, um unabhängiger von Energieimporten zu werden. Denn hohe Strompreise gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland, sagte Dr. Robin Korte, Landtagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie in NRW in seinem Eingangsstatement.
Die politischen Weichen
Für den Grünen-Politiker aus Münster ist der Solarstrom ein wesentlicher Lösungsschlüssel der Energiekrise. Egal ob Solaranlagen auf Dächern, Freiflächen oder landwirtschaftlichen Flächen. Speziell für den Bau von PV-Dachanlagen hat die Landesregierung inzwischen die bisherigen Abstandsregeln zu Nachbarhäusern abgeschafft und auch eine Solarpflicht eingeführt. Diese gilt ab diesem Jahr für gewerbliche Neubauten, ab 2025 für private Bauherren und ab 2026 für Dachsanierungen. Zudem gibt es Steuererleichterungen durch den Bund für kleine Solaranlagen bis 30 kWp.
Für PV-Freiflächenanlagen sowie Agri-PV wurde das Planungsrecht aus Kortes Sicht vereinfacht: Entlang von Autobahnen und Gleisen gilt im Abstand von 200 m eine Privilegierung, sodass kein Bebauungsplan für die Errichtung der Anlagen nötig ist. Zudem sagte Korte, sind PV-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten förderfähig. Aber auch der Bau von Agri-PV ist planerisch erleichtert. Doch reicht das für den Ausbau von Solarstrom aus?
Lohnend oder nicht?
Das Potenzial von Solarstrom ist jedenfalls riesig, unterstrich Prof. Dr. Olaf Goebel, von der Hochschule Hamm-Lippstadt – Lehrgebiet Energietechnik. Um bis 2045 „klimaneutral“ und gleichzeitig energieautark zu sein, müssten beispielsweise jährlich 15 mal mehr Photovoltaikanlagen und 3 mal mehr Windenergieanlagen errichtet werden, als heute.
Am Ende muss sich Photovoltaik lohnen. Bislang rechnete Goebel für PV-Freiflächenanlagen größer 1 MW mit Stromgestehungskosten von durchschnittlich etwa 6,6 ct/kWh. Doch die Rahmenbedingungen verschlechtern sich stetig. Gründe sind gestiegene Zins- und Materialkosten, Lieferengpässe bei Bauteilen und zu wenig Handwerker.
Zudem werden die Börsenstrompreise für Solarstrom aufgrund des hohen Stromangebot sinken. Das kommt aus Sicht des Hochschullehrers zwar heute auch schon vor. Die Situation droht sich aber künftig zuzuspitzen. Denn mehr PV führt zu einem größeren Angebot besonders an sonnigen Tagen. Dadurch werden die Börsenstrompreise sinken und ebenso die Wirtschaftlichkeit.
Eine Konfliktlösung bietet ein hoher Eigenverbrauch, der laut Goebel durch E-Mobilität und die Nutzung von Wärmepumpen langfristig vorhanden sein könnte. Aus industrieller Sicht ist zudem die Produktion von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse eine Perspektive.
Peter Scholz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Münsterland Ost unterstrich Goebels Argumente: „Die Wirtschaftlichkeit wird schwieriger und oftmals macht der Eigenverbrauch den Unterschied.“
Ein Blick in die Praxis
Für den Bau privater PV-Anlagen sieht Coesfelds Bürgermeisterin Eliza Diekmann derzeit großes Interesse. Und auch die Stadt Coesfeld selbst plant aktuell die Installation von zehn PV-Dachanlagen – schlichtweg um Stromkosten zu senken. Diekmann sieht beim Ausbau der erneuerbaren Energie aber einen weiteren Stolperstein: Neben neuen Anlagen muss auch die Infrastruktur zum Einspeisen her. Deshalb müssen Bund und Land den Netzausbau voranbringen.
Professionellen Projektierern von PV-Freiflächenanlagen steht die freie Bürgermeisterin eher kritisch gegenüber – wegen der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung ihnen gegenüber und weil Gelder aus der Stadt abfließen. Mitunter werden PV-Freiflächen-Projekte bereits in der Planung abgebrochen. Der Grund: Sie versprechen keine ausreichende Rendite.
Dafür könnten wieder die hohen Baukosten und Fremdkapitalzinsen ausschlaggebend sein. Ursachen, die PV-Freiflächenanlagen auch für Landwirte unspannend werden lassen, sagte Fabian Karthaus, Land- und Energiewirt aus Büren. Seit 2018 betreibt er zwei PV-Freiflächenanlagen. Und seit einiger Zeit auch eine Agri-PV-Anlage in einem 0,5 ha großen Gewächshaus für Beerenobst. Seine Erkenntnis ist eindeutig: „Die Eigenversorgung ist lohnender als die Einspeisung.“ Darum plant er künftig noch mehr selbst erzeugten Strom innerbetrieblich zu nutzen. Mithilfe einer Power-to-Heat-Anlage will der Nebenerwerbslandwirt Getreide trocknen. Vom Bau einer zusätzlichen Agri-PV-Anlage ist der Bürener nicht abgeneigt. Allerdings müsse das Baurecht weiter vereinfacht werden. Hier ist wieder einmal die Politik gefordert.
Ohne den Ausbau von PV-Freiflächenanlagen sind die Ziele der Energiewende unerreichbar. Darum müssen Bund und Land noch einige Stellschrauben drehen.
Übrigens: Neue Förderhilfen zum Ausbau privater PV-Dach-Anlagen sind laut Dr. Robin Korte nicht geplant. Warum auch, wenn es hierfür künftig eine Installationspflicht gibt.