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topplus Gänsehaltung in Deutschland

Gans oder gar nicht

Der Gänsebraten hat in Deutschland Tradition. Die Gänsehaltung hingegen ist eine Nische – besonders so, wie Iris Tapphorn sie betreibt: Von der Zucht über den Braten bis zum Schnatterschnaps.

Lesezeit: 7 Minuten

Wissen Sie, wie viele Eier eine Gans legt? Oder wie viele Ganter pro Gans in eine Herde gehören? Wahrscheinlich nicht. Denn während ab November Gänsebraten, Gänsekeulen und Co. auf jeder gut­bürgerlichen Speisekarte prangen, ist über Gänsezucht und -haltung jenseits vom Hobbygarten meist wenig bekannt.

Eine, die sich hingegen tagtäglich mit dem weißen Wassergeflügel ­beschäftigt, ist Iris Tapphorn. Sie gehört zu den größten Gänsezüchterinnen Deutschlands. Auf ihrem Betrieb in Lohne (Niedersachsen) dreht sich alles um die Gans – von Zucht über Brüterei, Aufzucht, Schlachtung und Vermarktung basieren acht Betriebszweige darauf.

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Den Grundstein für den Gänsehof legte vor rund 60 Jahren Iris Tapphorns ­Vater Heinz. „Er hat in Zusammenarbeit mit der Hochschule Hannover und per künstlicher Besamung unsere eigene Gänserasse gezüchtet, die Tapphorn-Gans“, erklärt sie. Diese Gene sind die Basis für alles weitere Wirtschaften auf dem Geflügelbetrieb (siehe Kasten am Ende: „Genreserven für den Ernstfall“).

3.500 Elterntiere halten Tapphorns in sieben Herden aufgeteilt. Dabei kommen auf einen Ganter vier Gänse. Diese legen die Eier, aus denen die Martins- und Weihnachtsgänse desselben Jahres schlüpfen. Natürlicherweise ist die Legesaison der Gänse circa von ­Februar bis Juni. Da Küken früh im Jahr nicht gefragt sind und damit nicht alle Gänse auf einmal mit dem Legen starten, steuert die Züchterin den Le­gebeginn über ein Lichtprogramm und eine rohfaserreiche Fütterung aus Maissilage und Gras.

Schnell gelesen

  • Die Gänsehaltung ist der Fokus des Betriebes Tapphorn. Im geschlossenen System züchten, mästen und vermarkten sie das Wassergeflügel.

  • Die Zuchtgänse legen saisonal Eier. Diese brütet Iris Tapphorn in der eigenen EU-Brüterei aus.

  • Die meisten Küken vermarkten ­Tapp­horns direkt nach dem Schlupf. Ein Teil bleibt zur Mast. Auch eine ­EU-Schlachterei gehört zum Betriebs­konzept.

„Ab Weihnachten verringere ich das Licht“, sagt Iris Tapp­horn. Dauer und Stärke regelt sie nach Gefühl und Erfahrung. Nach und nach steuert Tapphorn das Licht pro Gruppe zur Legesaison hin hoch. Weidegang ­erhalten die Tiere dann in den Morgenstunden. „Solange sie den Zenit der Sonne nicht mitbekommen, ist ihnen der Jahreszeitenwechsel nicht klar.“ Sobald die Tiere Eier legen, erhalten sie energiereiches Legemehl.

60 Eier pro Gans

Anfang April gibt Iris Tapphorn die ersten Eier in die eigene EU-Brüterei. „Mein Ziel sind hohe und gleiche Ei­gewichte für gleichmäßige und schlupffähige Küken“, beschreibt sie. Eine Gans legt auf dem Betrieb im Schnitt 60 Eier pro Saison.

Jede Gans braucht rund 1,8 bis 1,9 Tage, bis sie ein neues Ei legen kann. Als Brüterei sind zusätzlich die Befruchtungsrate und Schlupffähigkeit ausschlaggebend. Tapphorn arbeitet auf rund 45 verkaufsfähige Küken pro Gans hin. Die Zuchtgänse bleiben nach einem Jahr Aufzucht vier bis fünf Legeperioden am Hof.

Nur Tierwohl bringt Leistung

Diese Leistungen erreicht der Familienbetrieb laut Iris Tapphorn nur durch Tierwohl: „Je mehr Wellness ich biete und je stressfreier die Gänse leben, desto mehr befruchtete Eier bekomme ich.“ Dabei stellen Gänse erst mal keine großen Ansprüche an die Haltungs­umwelt: Weidegang ist bei Tapphorn Pflicht. Dafür hat sie bei den Elterntieren rund 14 ha Dauergrünland eingeplant, die wechselweise beweidet werden.

Je mehr Wellness ich biete und je stressfreier die Gänse leben, desto mehr befruchtete Eier bekomme ich.
Tapphorn

In den Strohställen mit je 1 bis 1,5 m² Platz pro Tier erhalten die Gänse das Futter in einfachen Holz­trögen. Die offenen Trogtränken stehen erhöht auf selbst konstruierten Gitterrosten mit Abfluss. Ein Grundbedürfnis des Wassergeflügels ist, sich zu waschen. Die Konstruktion macht das möglich, ohne dass die Einstreu nass wird. In den Sommermonaten kann die Landwirtin Stallventilatoren einschalten. Auch die Nester sind einfache Eigenkonstruktionen und stehen nur in der Legesaison auf dem Boden.

Entscheidend ist zudem der Umgang mit dem Geflügel: „Gänse mögen keine Veränderungen.“ Der Betrieb experimentiert gern und viel, um insbesondere den Antibiotikaeinsatz möglichst gering halten zu können. „Antibiotikaminimierung beginnt bei der Darmgesundheit“, sagt Iris Tapphorn. Sie setzt bei Bedarf Knoblauchöl und eine Säuremischung im wöchentlichen Wechsel über das Tränkwasser zu. Ebenso steht, wenn nötig, Oregano und Laurinsäure auf dem Futterplan. „Ich gehe das ­pragmatisch an. Wenn ich wissen will, ob ein neues Produkt den Gänsen schmeckt, stell ich einen Eimer mit reinem Wasser und einen mit Wasser und dem Produkt auf. Wenn die Tiere es mögen, gehen sie auch schnell heran.“

Ein Teil für die Mast

Tapphorns legen wöchentlich an einem festen Tag so viele Eier in ihre Brutmaschinen ein, wie sie für die bestellte Anzahl an Küken brauchen. „Bei 13 °C und luftdicht verpackt halten die Eier bis zu 14 Tage, ohne dass die Befruchtung leidet“, sagt sie. Nach 28 Tagen Vorbrut beginnt der Schlupf. Küken, die innerhalb von drei Tagen nicht ­direkt verkaufsfähig sind, merzt Iris Tapp­horn nicht. „Ich stalle den Nachschlupf für 14 Tage auf. Die Küken entwickeln sich bis dahin gut“, sagt sie. 90 % der Küken verlassen den Hof nach dem Schlupf zu Betrieben in ganz Deutschland und wenigen ausländischen Kunden.

Rund 4.000 Küken behält die Gänsehalterin für die eigene Mast. Nach ein bis zwei Wochen Aufzucht im Stall erhalten die Tiere Weidegang. Drei bis vier Wochen gewöhnt Tapphorn die jungen Tiere langsam an das Gras und die Umgebung, ab dann treibt sie die Herden nur noch abends in den Stall. Insgesamt 22 Wochen dauert die Mast der Weihnachtsgänse und 16 Wochen bei den Martinsgänsen.

Der Mitarbeiter, der die Gänse betäubt, kennt sie von Küken an. Die Tiere haben möglichst wenig Stress beim Schlachten. Das ist Tierwohl und bringt Qualität.
Tapphorn

Tapphorns schlachten in der eigenen EU-Schlachterei. „Erstens, brauchen wir die Federn für unsere Daunen­bettenproduktion und zweitens findet man schwierig Schlachter, die zu den Ter­minen und in der Menge schlachten“, erklärt die Geflügelhalterin. Außerhalb der nur 19 Schlachttage steht die Schlachterei still, das Team schlachtet nur die eigenen Tiere. „Dabei habe ich für die paar Tage genauso einen Do­kumentationsaufwand und Kontrollen wie große Betriebe“, bemängelt sie. Das nimmt sie aber für die Vorteile in Kauf: „Der Mitarbeiter, der die Gänse betäubt, kennt sie von Küken an. Die Tiere haben möglichst wenig Stress beim Schlachten. Das ist Tierwohl und bringt Qualität“, sagt sie.

Durch ein ­eigens entwickeltes Rupfverfahren und Handarbeit schonen sie Schlachtkörper und Daune und erreichen einen hohen Hygienestandard: „Die Schlachtkörper sind bei 2 bis 4 °C 14 Tage haltbar.“ Rund 500 Gänse vermarktet sie ab Hof, den Rest an Wiederverkäufer.

Denken in Kreisläufen

Aus den Daunen fertigen Tapphorns unter Federführung von Iris’ Mutter Inge Tapphorn Daunenbetten für den Hofladen und Onlineshop. Eier außerhalb der Norm werden zu Eierlikör und Ostereiern. Die unbefruchteten Eier, ­sogenannte Schiereier, vermarktet sie an ein Eiproteinwerk. „Selbst die Paddel werden zu einem Hipster-Hunde­futter“, beschreibt Iris ihr Betriebs­konzept. „Wir verarbeiten hier alles. Das zeichnet für mich sinnvolle Nährstoffkreisläufe aus.“

Genreserven für den Ernstfall

Die Tapphorn-Zuchtgans ist für den Betrieb Basis für Legeleistung, Mast und Aufzucht. Wie wichtig es ist, zur ­Sicherheit eine Reserve an Zuchtgänsen zu haben, musste die Familie 2021 durch einen Vogelgrippe-Ausbruch kurz vor der Legesaison feststellen: „Am Tag des Geflügels, dem 19. März, wurde mein Bestand gekeult“, sagt Iris Tapp­horn.

Auch wenn die Keulung von Fachfirmen geleitet wird, hat Tapphorn das Ruder bis zum letzten von damals 2.400 Zuchttieren nicht aus der Hand gegeben. „Mir war wichtig, dass die Container eingestreut, die Tiere selbst getrieben und wegen der Krankheit mit Schmerzmitteln behandelt wurden“, ­erklärt sie ihren Einsatz für die Tiere. Letztlich beschreibt sie besonders die Ruhe nach der Keulung auf dem Hof, auf dem sonst 365 Tage im Jahr ­Geschnatter zu hören ist, als herzzer­reißend. Hinzu kamen finanzielle Sorgen. „Für Zuchtgänse bekommt man nur 50 € Entschädigung von der Tierseuchenkasse. Ich setzte mich seit Jahren für faire 110 € ein.“ Wohl bald mit Erfolg.

Dank der Weitsicht der ­Familie konnten sie rund 50 Tage nach der Keulung die ersten Küken ein­stallen. Denn der Betrieb hat seit Jahrzehnten einen zweiten Standort mit ­Elterntieren in einem anderen Landkreis. Hinzu kommen ein Betrieb in Norwegen und einer in Spanien, die Tapphorn-Gänse im kleinen Stil züchten. Das sind die Genreserven. „Sauber, klein und abgelegen sollten die ­Betriebe sein“, erklärt sie. Beide ­erhalten umsonst Elterntiere und das Impfprogramm. Dafür müssen sie im Notfall Gänse an Tapphorns abgeben.

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