Das Wettrüsten der Weidehalter gegen den Wolf nimmt in Süddeutschland voll an Fahrt auf. Denn der Beutegreifer ¬breitet sich jetzt auch hier rasant aus. ¬In Bayern gibt es bereits neun ¬Regionen mit standorttreuen Tieren. Und die Wolfssichtungen häufen sich und werden mittlerweile aus allen bayerischen Regierungsbezirken gemeldet.
In Baden-Württemberg wurde neben dem kompletten Schwarzwald im März dieses Jahres auch der Naturraum Odenwald als Wolfs-Präventionsgebiet aus¬gewiesen. Zuvor wurde in Walldürn im -Neckar-Odenwald-Kreis ein Wolfsrüde anhand einer Fotofalle identifiziert, den man bereits letzten Herbst in der ¬Region genetisch nachgewiesen hat.
Hoher Mehraufwand für Weidetierhalter
In Wolfs-Präventionsgebieten bzw. den Wolfsgebieten, wie sie in Bayern genannt werden, sind die Weidehalter ¬verpflichtet, einen wolfsabweisenden Grundschutz zu errichten. Ansonsten werden ihnen nach einer einjährigen Übergangsfrist Schäden, die durch Wolfsrisse entstanden sind, nicht ausgeglichen (siehe Beitrag „Schutz vor dem Wolf: Was der Gesetzgeber fordert“).
Auch wenn es Zuschüsse für die Anschaffung von Zäunen und Herdenschutzhunden in den Fördergebieten gibt, bedeuten diese Schutzmaßnahmen einen immensen Mehraufwand und stehen oftmals in keinem Verhältnis mehr zum Wert der Tiere. Beispiele aus mehreren Praxisbetrieben zeigen, dass z. B. die einmalige Aufrüstung von bestehenden Gehegewildzäunen knapp 50 € pro laufendem Meter oder 1 500 € pro Tier kostet. Das bedeutet: Um 30 Stück Damwild vor dem Wolf zu schützen, müssen 45 000 € investiert werden.
Angesichts dieser Summen gibt es in Bayern bereits Überlegungen, Investitionen in wolfsabwehrende Maßnahmen nicht mehr vollständig zu fördern. Wenn es kommt, müssten die Landwirte die Wolfsabwehr dann zum Teil selbst finanzieren.
Keine Koexistenz möglich
In Bayern muss der Weidehalter zudem die Unterhaltskosten für diese Schutzmaßnahmen, z. B. das ständige Mähen unter der ersten stromführenden Litze, die auf nur 20 cm Höhe über dem Boden gespannt ist, allein tragen. Baden-Württemberg zahlt einen Ausgleich für Zaunkontrolle und Pflegeleistung. Aber im Vergleich zum tatsächlichen Arbeitsaufwand ist auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Hinzu kommt, dass auch die besten Maßnahmen keinen 100 %igen Schutz bieten. Wie die Erfahrungen aus Nord- und Ostdeutschland zeigen, ist der Wolf schlau und lernfähig und findet immer wieder Wege, Zäune zu überwinden.
Experten befürchten deshalb, dass die Ausbreitung des Wolfes zu einem Rückgang der Weidehaltung in Süddeutschland führen wird, obwohl Politik und Verbraucher diese Form der Tierhaltung von den Bauern explizit fordern. Die Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg werden sich irgendwann entscheiden müssen, was sie wollen: Weidetiere oder Wölfe.
Dieser Artikel erschien in der Juniausgabe von top agrar Südplus 06+07/2021. Jetzt testen.