Was macht eine gute Freundschaft aus?
Braun: Zuallerst gegenseitige Sympathie und Zuneigung. Dass man sich so angenommen fühlt, wie man ist und weiß: Wenn es mir schlecht geht, dann hört mir meine Freundin zu. Ohnehin sind Austausch und Interesse elementar für eine Freundschaft, genau wie eine gewisse Verlässlichkeit.
Wie viele echte Freundinnen kannman haben?
Braun: Da möchte ich mich nicht festlegen. Manche Frauen haben eine beste Freundin für alle Lebenslagen. Andere Frauen brauchen viele Menschen um sich herum und haben bis zu zehn enge Freundinnen. Mit der einen sprechen sie über Eheprobleme, mit der anderen werden berufliche Fragen gewälzt. Mehr enge Freunde halte ich für eher unwahrscheinlich, wenn man „Freund“ anders definiert als Facebook.
Ist Freundschaft für alle Menschen gleich wichtig?
Braun: Manche Menschen kommen angeblich ohne Freunde aus, aber ich behaupte: Jeder braucht Freunde! Sie halten uns den Spiegel vor und zeigen, welche Verhaltensweisen nicht gut ankommen. Da werden wir geschliffen. Für die Persönlichkeit ist solch einFeedback elementar. Aber es ist auch anstrengend, und deshalb scheuen manche Menschen davor zurück. Ihre Einsamkeit verdrängen sie.
Wer einen Partner hat, fühlt sich nicht einsam. Braucht er trotzdem Freunde?
Braun: Ja. Viele Paare bestätigen sich gegenseitig in ihrem Verhalten. Das führt dazu, dass sie sich selbst weniger hinterfragen und eine geringere persönliche Entwicklung durchmachen. Manche Paare kapseln sich regelrecht ab. Schwierig wird das, wenn ein Partner erkrankt oder stirbt. Die Einsamkeit ist dann kaum zu ertragen. Und es fällt schwer, auf andere Menschen zuzugehen.
Die Forschung belegt: Die größte Glücksquelle sind Beziehungen. Das liegt daran, dass viele Menschen darauf angewiesen sind, verstanden zu werden und dazuzugehören. Aber ich denke, dass Menschen, die gerne lesen oder in der Natur Glück erfahren, auch glücklich sind.
Was ist der Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe?
Braun: Dazu muss man zwischen den verschiedenen Arten der Liebe, der Eltern-Kind-Liebe, der Freundes-Liebe und der Liebe zum Partner unterscheiden. Freundschaften sind unverbindlicher, vielfältiger und facettenreicher als Paar-Beziehungen. Manche Freunde treffen sich zum Sport, andere nur in geselliger Runde. Man sieht sich seltener, ist sich weniger verpflichtet.
Wird es mit zunehmendem Alterschwieriger, Freundschaften zu knüpfen?
Braun: Schwieriger ja. Aber nicht unmöglich. In bestimmten Lebensphasen, z. B. als junge Mutter, ist es einfach, neue Kontakte zu knüpfen. Auch Hundebesitzer lernen sich schnell kennen, weil sie die gleichen Interessen haben. Aber jeder kann, z. B. in Vereinen, Gleichgesinnte finden. Einer der wichtigsten Antriebe des Menschen ist es, geliebt und verstanden zu werden. Ist man selbst so offen und einfühlsam, hat man es fast immer leicht, Freunde zu finden. Aber: Im Alter braucht es mehr Zeit.
Muss man sich häufig sehen, um die Freundschaft zu erhalten?
Braun: Nein. Freundinnen, die auf der gleichen Wellenlänge liegen, Freundschaften, die in besonders intensiven Phasen geschlossen werden, stehen auf einer festen Basis. Da ist es fast egal, wie oft man sich sieht. Wenn man sich trifft, ist man sich sofort wieder nah und hat sich viel zu erzählen. Aber eine einfache Postkarte reicht nicht, um den Kontakt zu pflegen. Man sollte mindestens zweimal im Jahr für ein längeres Gespräch zum Hörer greifen.
Manchmal ergeben sich auch Schicksalsgemeinschaften, wenn beide z. B.in der Scheidung stecken. Wichtig ist dann aber, dass man mit Empathie und Verständnis aufeinander zugeht.
Jugendfreundschaften haben einenbesonderen Stellenwert?
Braun: Bei heutigen Erwachsenen auf jeden Fall. Eine Freundin, die meine Lebensgeschichte begleitet hat, die weiß, durch welche Krisen ich gegangen bin, ist oft besonders wichtig für mich. Man muss sich nicht erklären, wird gemeinsam älter und sieht, wie man sich verändert. Aber auch solche Freundschaften wollen gepflegt werden. Wenn man es schafft, mal ein Wochenende gemeinsam zu verbringen, kann eine Freundschaft schnell wieder intensiver werden.
Wie verändern die sozialen Medien Freundschaften?
Braun: Bei Kleinigkeiten ist man sich näher, weil man die Freundin auch in alltägliche Entscheidungen einbeziehen kann. Über WhatsApp kann man ihr ein Foto vom Pulli aus der Umkleidekabine schicken und schnell über seine Gefühle sprechen. Andererseits sind die WhatsApp-Freundschaften so zahlreich, dass es nicht weiter stört, wenn ein Kontakt mal wegfällt. Dadurch wird die Freundschaft weniger verbindlich.
Gab es schon immer einen Hype umdie beste Freundin?
Braun: So wird es in vielen Mädchenbüchern vorgelebt. Auch im 18. und19. Jahrhundert waren Frauenfreundschaften sehr emotional. Die Ehenwaren häufig arrangiert, die Männer haben nicht über ihre Gefühle ge-sprochen. Das hat man über die beste Freundin kompensiert. Aber Frauen meines Alters kennen es nicht, dass man der Freundin ständig versichert: Hab dich lieb, „love you“, „miss you“.
Ändern sich Freundschaften im Alter?
Braun: Ja, insofern, als dass sich stärker herauskristallisiert, welche Freundschaften halten und welche mir wichtig genug sind, dass ich Zeit investiere.
