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Der Zementsack und das Kleingedruckte …

Lesezeit: 7 Minuten

Fast jeder Landwirt hat eine private Unfallversicherung. Doch wann zahlt diese – und wann nicht? Darüber entscheiden oft kleine Details, weiß Rechtsanwalt Thomas Hemmelgarn vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband, Münster.


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Die private Unfallversicherung ist wichtig. Im Ernstfall dient sie der Existenzsicherung von Familie und Betrieb. Voraussetzung ist, dass sie nach ei­nem erlittenen Unfall auch wirklich zahlt. Häufig funktioniert dies reibungslos – aber nicht immer. Oft entscheiden kleine Unterschiede im Ablauf des Geschehens darüber, ob ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt – oder nicht.


Nicht jeder Unfallist ein „Unfall“!


Eine Unfallverletzung wird nur dann von der Versicherung anerkannt, wenn sie durch ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis verursacht wurde, also durch Schlag, Stoß oder Fall. Typische Beispiele:


Zusammenstöße im Straßenverkehr,


Stürze wegen eines glatten oder unebenen Untergrunds,


das Stolpern über ein Hindernis,


das Umknicken des Fußes auf einer Bordsteinkante oder bei Unebenheiten,


Verletzungen durch herabstürzende Gegenstände,


eine Unfallverletzung durch Ausschlagen oder Beißen von Tieren.


In der Regel nicht als „Unfall“ anerkannt werden Verletzungen, die durch eine Eigenbewegung des Körpers entstanden sind, also ohne Einwirkung von außen. Das ist z. B. der Fall, wenn beim schnel­len Aufstehen aus der Hocke der Meniskus verletzt wird oder beim Abspringen vom Kornwagen das Kreuzband reißt.


Auch Sportunfälle, bei denen keine andere Person oder kein Hindernis beteiligt waren, gelten vielfach nicht als Unfall, wobei die Rechtsprechung hier teilweise recht großzügig ist. So hat das Oberlandesgericht München ein Hängenbleiben am stumpfen Hallenboden als Unfall anerkannt. Und das OLG Frankfurt entschied, dass ein durch eine ruckartige Bewegungsänderung entstandener Kreuzbandriss als Unfallverletzung gilt.


Auch im landwirtschaftlichen Bereich gibt es immer wieder Diskussionen, ob ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingun­gen vorliegt oder nicht. Zwei Beispiele:


Verletzt sich ein Landwirt beim Auffangen eines Zementsackes, handelt es sich um einen Unfall, weil die Verletzung durch den geworfenen Zementsack (von au­ßen wirkendes Ereignis) verursacht wurde. Verletzt sich der Landwirt dagegen beim Hochstemmen des Zementsackes, liegt keine äußere Einwirkung und damit kein Unfall vor.


Zieht sich ein Landwirt beim Anheben eines Eimers eine Verletzung zu, gilt dies nicht als Unfall, weil die äußere Einwirkung fehlt. Gerät er jedoch beim Anheben des Eimers ins Straucheln, schlägt auf den Boden auf und verletzt sich dabei am Knie, gilt das Aufschlagen auf den Boden als äußere Einwirkung. Damit handelt es sich um einen Unfall.


Die private Unfallversicherung zahlt außerdem auch bei Verletzungen, die durch eine erhöhte Kraftanstrengung verursacht wurden. Das ist z. B. der Fall beim Anheben bzw. Festhalten einer Maschine oder beim Ziehen eines schweren Gegenstandes. Versichert sind dabei aber nur Verletzungen an den Gliedmaßen oder der Wirbelsäule, und diese auch nur, soweit es sich um Verrenkungen eines Gelenkes oder Zerrungen bzw. Risse von Muskeln, Sehnen, Bändern oder Kapseln handelt. Nicht versichert im Rahmen der erhöhten Kraftanstrengung wäre z. B. ein Meniskusschaden oder eine Muskelzerrung in der Schulter.


Abzüge bei Vorschäden


Bei jeder Unfallmeldung prüft die Versicherung, ob schon vor dem Unfall gesundheitliche Beeinträchtigungen bestanden haben. Dann wird u.U. die Versicherungsleistung gekürzt:


War der vom Unfall betroffene Körper­teil stark vorgeschädigt (Vorinvalidität), so wird diese von der nach dem Unfall bestehenden Gesamtinvalidität abgezogen.


Aber auch „leichtere“ Vorschäden, wie z. B. Knorpelschäden, rheumatische Erkran­kungen oder frühere Bänderrisse und Kno­chenbrüche können zu Abzügen führen, wenn sie zu mindestens 25 % zur Entstehung der Invalidität beigetragen haben.


Besonders restriktiv verfahren die Versicherer bei Bandscheibenschäden, die durch einen Unfall ausgelöst wurden. Diese fallen grundsätzlich nicht unter den Versicherungsschutz. Denn Bandscheibenverletzungen kom­men, so argumentieren die Versicherer, zwar oft durch einen Unfall zum Vorschein, werden aber in aller Regel durch bestehende Vorschäden verursacht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherte beweisen kann, dass der nach dem Unfall aufgetretene Bandscheibenschaden zu mindestens 50 % durch den Unfall verursacht wurde.


Das ist schwierig. Denn Mediziner gehen davon aus, dass bei einer gesunden Bandscheibe zuerst die Wirbelkörper und dann die Bandscheiben verletzt werden. Liegt nach einem Unfall „nur“ ein Bandscheiben- und kein Wirbelschaden vor, ist das für die Versicherung ein eindeutiges Zeichen, dass die Beschwerden vor allem durch Vorschäden verursacht wurden.


So auch im Falle eines Landwirts, der wegen einer Atemwegserkrankung in der Klinik lag, als sein Bett eines Nachts zusammenbrach. In dem zusammengeklappten Bett verbrachte der unter Schlafmitteln stehende Landwirt dann mehrere Stunden schlafend. Anschließend wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, und der Verunglückte verlangte Geld von seiner Unfallversicherung. Diese hielt jedoch nicht den „Bettenunfall“, sondern bereits bestehende Vorschäden für die Hauptursache des Bandscheibenvorfalls – obwohl der Landwirt vorher keinerlei Beschwerden verspürt hatte.


Ebenfalls ausgeschlossen ist der Versicherungsschutz in folgenden Fällen:


Infektionen und Vergiftungen, die durch Herunterschlucken fester oder flüssiger Stoffe hervorgerufen wurden. Eine Ausnahme gilt für Kinder bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres.


Unfälle, die durch Geistes- oder Be­wusst­seinsstörungen verursacht wurden, z. B. durch Trunkenheit, Medikamentenein­nahme, durch einen Schlag- oder Krampfanfall. Das gilt für Autounfälle und auch für den Sturz von der häuslichen Treppe.


Wichtig: Fristen beachten!


Ob ein erlittener Unfall anerkannt und entschädigt wird, zeigt sich oft erst nach längerer Prüfung. Umso wichtiger ist, dass Sie Ihre Ansprüche nicht dadurch gefährden, dass Sie Fristen versäumen oder Pflichten nicht erfüllen. Die wichtigsten:


Ist ein Unfall passiert, müssen Sie als erstes einen Arzt aufsuchen und dessen Anweisungen genau befolgen.


Zeigen Sie den Unfall innerhalb weniger Tage bei der Versicherung an – auch wenn Ihnen die Verletzungen „gar nicht so schlimm“ erscheinen.


Die Versicherung wird Ihnen dann einen Fragebogen zum Unfallhergang schicken. Füllen Sie diesen sorgfältig aus. Denn davon kann es abhängen, ob die Versicherung einen Unfall im Sinne der Bedingungen anerkennt oder nicht.


Außerdem wird die Versicherung nach Vorerkrankungen fragen. Diese müssen Sie lückenlos angeben! Da dies oft schwierig ist, kann es sinnvoll sein, die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und die Versicherung an die Ärzte zu verweisen.


Gefragt wird in der Regel auch, ob Sie noch weitere Unfallpolicen bei anderen Gesellschaften abgeschlossen haben (was zulässig ist). Die Versicherung darf gezielt danach fragen, damit sie sich mit der anderen Gesellschaft austauschen kann.


Auf Wunsch der Versicherung müssen Sie sich durch von ihr bestimmte Ärzte untersuchen lassen, auch bei belastenden Eingriffen, wie Röntgenuntersuchungen.


Besonders wichtige Fristen sind zu beachten bei tödlichen Unfällen sowie bei Unfällen mit Langzeitfolgen:


Die Invaliditätsleistung können Sie beziehen, wenn die Invalidität innerhalb von 12 Monaten nach Unfall eingetreten ist.


Spätestens 15 Monate nach dem Unfall müssen Sie die Invalidität von einem Arzt feststellen lassen und die Invaliditätsleistung bei der Versicherung beantragen – sonst verlieren Sie u. U. endgültig Ihren Anspruch.


Stirbt ein Versicherter an den Unfallfol­gen, muss dies innerhalb von 48 Stunden der Versicherung gemeldet werden!


Die Angehörigen dürfen der Versicherung das Obduktionsrecht verweigern, das ist keine Pflichtverletzung. Dennoch ist eine Zustimmung oft sinnvoll, um die Todesursache eindeutig zu klären.


Liegen der Versicherung alle Unterlagen vor, muss sie innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung treffen.


Auch wenn der Invaliditätsgrad einmal festgestellt ist, kann der Versicherer oder der Versicherte innerhalb von drei Jahren eine Neubemessung verlangen. Danach ist das Verlangen auf Neubemessung jedoch grundsätzlich unwirksam.

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