Sie liebt, wovor andere junge Menschen zurückschrecken:Verpflichtung und Verantwortung. Mit Herzblut führt Julia Floss daher den Traditions-Betrieb ihrer Familie im Vogtland weiter.
An die Stimmung, das Wetter, die Autofahrt im Wartburg mit meiner Familie nach Mödlareuth, ins deutsch- deutsche Grenzdörfchen, erinnere ich mich noch genau“, sagt Julia Floss, wenn man sie zum Mauerfall befragt. Die heute 29-jährige Betriebsleiterin war damals sechs Jahre alt.
„Mein Bruder und ich hatten eine unbeschwerte Kindheit. Die Kämpfe, die mein Großvater mit dem Agrarsystem der DDR führte, spürten wir kaum“, erzählt die Hofnachfolgerin weiter. Opa Johannes Floss muss harte, zähe Kämpfe geführt haben: Über die komplette Dauer des Kommunismus molk er seine eigenen Kühe und bestellte seinen eigenen Acker. Trotz Zwangskollektivierung, Druck und Anfeindung erhielt er sich bis zur Wende seinen Sonderstatus als freier Bauer. „Die Mauer fiel und bei meinem Opa und Vater brach der Enthusiasmus aus. 1993 bauten sie einen Aussiedlerhof mit Kuhstall außerhalb von Pausa“, erzählt die junge Frau. „Ich bin dankbar dafür. Ich selbst hätte sonst vielleicht einen ganz anderen beruflichen Weg eingeschlagen.“
Obwohl ihre Leidenschaft anfangs vor allem den Pferden und dem Reit-sport gilt, studiert sie von 2003 bis 2007 Agrarwirtschaft in Dresden, zeitgleich agiert sie als sächsische Milchkönigin. „Nach dieser Zeit gab es keine Zweifel mehr: Ich wollte wieder nach Hause, auf den Hof!“, berichtet sie. Heute bewirtschaften Vater und Tochter gemeinsam den Milchvieh- und Ackerbaubetrieb im Vogtland. Julias Lebenspartner ist Bauunternehmer, ihre Mutter Krankenschwester. Die Junglandwirtin betont, dass ihre Mutter keine „mithelfende Ehefrau“ ist – und niemals war. „Sie hat immer in ihrem eigenen Beruf gearbeitet. So sind mein Bruder und ich groß geworden. Mit einem Jahr gingen wir in die Krippe, das lief reibungslos. Nun geht mein Sohn, seit er eineinhalb Jahre alt ist, ebenfalls in die Krippe. Das macht es mir leichter, Familie und Hof unter einen Hut zu bringen.“
Ihre Position als Betriebsleiterin bekleidet Julia Floss mit voller Überzeugung. „Eine gewisse Stärke, nach vorne zu wollen und standzuhalten, stammt wohl aus unserer Familiengeschichte. Doch als Frau immer nett zu sein, das reicht nicht. Biss und eisernen Willen braucht es auch.“
Diesen Biss beweist sie sogar im Bekanntenkreis, in dem nicht jeder ihren Hang zu Verantwortung und Tradition nachvollziehen kann. „Ich akzeptiere die Meinung der anderen. Doch ich selbst fühle mich dem Besitz und dem Erbe verpflichtet.“Reingard Bröcker