Dr. Dietmar Bartsch
Spitzenpolitiker, Landwirtssohn & Linker aus Überzeugung
Dr. Bartsch, in welchem Maß hat die Landwirtschaft Sie geprägt?
Bartsch: Sehr. Meine Eltern waren Diplomlandwirte und begannen nach ihrem Studium, jeweils in einer LPG im damaligen Kreis Stralsund zu arbeiten. Zudem hatte mein Großvater einen Hof. In den Schulferien und als Student habe ich in der Landwirtschaft mein erstes Geld verdient. Eine Herausforderung! Die Stallarbeit begann früh, um halb drei Uhr morgens. Die Ernte wurde im Zwei-Schicht-System eingeholt. Dennoch hat es mir Spaß gemacht.
Welche Aspekte der ehemaligen DDR wünschen Sie sich zurück?
Bartsch: Die DDR ist an ihren ökonomischen Missständen gescheitert. Die Mangelwirtschaft hat die Menschen demotiviert. Vielfach hat es aber einen größeren Zusammenhalt in der Gesellschaft gegeben. Doch das Thema ist abgeschlossen. Ich werbe dafür, diese Zeit von Historikern objektiv analysieren zu lassen.
Was sehen Sie als besondere Stärken der Ostdeutschen an?
Bartsch: Es gibt „die Ostdeutschen“ nicht. Allerdings haben die Älteren die Erfahrung zweier Systeme machen können. Das verändert den Blickwinkel. Eine große Stärke: Die Ablösung von tradierten Geschlechterrollen. Die Frage, ob beide Partner arbeiten, stellt sich oft gar nicht. Auch der Gender-Pay-Gap ist im Osten kleiner. Da ist ein wenig DDR geblieben.
Welche Veränderungen kommen zukünftig auf die Landwirte zu?
Bartsch: Die Landwirtschaft steht vor einem gravierenden Strukturwandel, der bereits begonnen hat. Man sieht es am Wachstum der Biobranche. Lange Transportwege werden zugunsten regionaler Landwirtschaft abnehmen, die intensive Tierhaltung zurückgehen. Auch die Agrarsubventionen der EU müssen im Exportsektor aufgehoben werden, da diese die Landwirtschaft, z.B. in Afrika, zerstören.
Würde das nicht zu teuer werden?
Bartsch: Egal, wie teuer Brot und Milch auch werden: Selbst Bezieher von Grundsicherung müssen sich das leisten können. Und Landwirt muss wieder ein stolzer Beruf werden.
kathrin.hingst@topagrar.com