Ich stehe um viertel vor sieben auf, trinke eine Tasse Kaffee und gehe in den Melkstand. So beginnt mein Tag. In unserem Auto-Tandem kann ich gut alleine arbeiten. Ich habe Zeit und beobachte die Tiere genau. Zum Ende der Melkzeit kommt Judith dazu. Kurz nach neun sitzen wir beim Frühstück.
Andere Senioren wollen vielleicht nicht mehr so eingebunden sein. Doch für mich ist entscheidend, dass ich etwas zu tun habe. Unser Betrieb läuft weiter und ist gut aufgestellt, das macht mir Spaß!
Judith ist zäh. Tapfer. Sehr strukturiert und konsequent mit den Lehrlingen. Sie macht alles gleichzeitig: kämpft sich durch Unterlagen und Anträge, fährt zur Auktion oder repariert die Tränken im Stall.
Meine Frau starb 2007 an Krebs. In den 1950er-Jahren startete ich mit ihr an diesem Standort. 1960 standen nicht mehr nur sieben, sondern bereits 40 Kühe im Stall. Wir hielten Sauen und 1 000 Hühner. Es war eine andere Zeit. Mit der Tierhaltung wurde Geld verdient.
Moderne Technik gefällt mir gut. So viel ist heute damit möglich. Die jungen Leute sind intelligent und bestens ausgebildet. Sie strotzen vor Kraft. Schlimm, wenn die Bürokratie sie ausbremst. Das Unsinnige in der Politik macht mich manchmal richtig wütend.
Mein Hobby ist das Singen. Mittwochs im Kirchenchor, donnerstags im Männergesangsverein. Die Kameradschaft, der Rückhalt in schweren Zeiten, ist unglaublich groß. Und nicht zuletzt: Beim Singen habe ich meine neue Partnerin kennengelernt.
Nun bin ich gespannt, welche Veränderung der Roboter bringt. Die Tierbeobachtung wird er nicht leisten können, das bleibt hoffentlich noch lange meine Aufgabe. Und: Ans Ausschlafen werde ich mich gewöhnen.