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Ich höre was, was Du nicht hörst…

Lesezeit: 7 Minuten

Es pfeift, es piept – und es ist immer da. Rund 1% der Bevölkerung leidet in Deutschland an Tinnitus. Ein Symptom, dessen Ursachen vielfältig sind und das immer schnellstens behandelt werden muss.


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Es ist das Pfeifen. Das dauerhafte Pfeifen, das ihn fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Seit über fünf Jahren leidet der Landwirt aus Niedersachsen unter Tinnitus. Aber erst seit zwei Jahren kann er mit seinen Beschwerden umgehen – wieder ein halbwegs normales Leben führen. Der 46-Jährige musste lernen, mit dem Tinnitus zu leben.


Denn das Pfeifen im Ohr ist zwar nicht gefährlich, im schlimmsten Fall bleibt es aber ein Leben lang. Für viele Patienten ist es ein Albtraum: Ein ständiger Ton im Ohr, sei es ein Pfeifen, ein Klicken oder Klingeln. Ein Geräusch, das nur der Betroffene hört. Mal lauter, mal leiser.


Tinnitus ist ein Symptom, keine Krankheit. Das stellt Prof. Dr. Gerhard Goebel klar. Er ist Professor der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Ehrenmitglied, Vizepräsident und Vorsitzender des fachlichen Beirats der Deutschen Tinnitus-Liga.


„Ein Symptom, wie hier das Ohrgeräusch, tritt mit einer Krankheit auf“, sagt Prof. Goebel. Krankheiten, die mit einem Tinnitus einhergehen, können sein: Mittelohrenzündung, Lärm- oder Altersschwerhörigkeit, Gehörgangsentzündungen, Probleme mit Kiefer- und Halsmuskulatur, Erkältungen mit Nasennebenhöhlen-Entzündung, Probleme mit der Halswirbelsäule. Oder – und das ist sehr häufig der Fall – dem Symptom geht ein Hörsturz oder sogenanntes Knalltrauma voraus.


Viele verschiedene Varianten:

Fast jeder zehnte Deutsche hat Ohrgeräusche. Rund 1% der Bevölkerung leidet unter Tinnitus. „Bei der Einteilung muss man klar abgrenzen“, erklärt Prof. Goebel. „Wenn eine Person kurzzeitig, also 15 Minuten, Ohrgeräusche hat, dann hat diese Person einen Tinnitus – leidet für gewöhnlich aber nicht darunter.“ Zu denen, die unter Tinnitus leiden, gehört der Ackerbauer aus Niedersachsen. Er ist einer von den etwa 250000 Patienten im Jahr, deren Leiden chronisch wird.


Medizinisch unterscheidet man zwischen einem akuten und einem chronischen Tinnitus. Im akuten Fall liegt der Krankheitsbeginn weniger als drei Monate zurück. Häufig tritt diese Form im Zusammenhang mit einer Ohr-Erkrankung auf. Das Ohrgeräusch kann jedoch in einen länger andauernden Tinnitus übergehen. Dann spricht man vom chronischen Tinnitus, der seit mehr als drei Monaten besteht.


Chronisch bedeutet allerdings nicht, dass der Tinnitus für immer wahrnehmbar bleibt, sondern dass er vor über drei Monaten angefangen hat und trotz einer Behandlung für viele Jahre bleibt.


Manche Betroffene kommen mit den Begleittönen im Alltag zurecht. Für andere ist die Belastung so stark, dass sich neben den Ohrgeräuschen weitere körperliche und seelische Probleme einstellen. Neben den körperlichen Auslösern spielt die Psyche beim Tinnitus eine entscheidende Rolle.


Jeder hat Ohrgeräusche!

„Die Psyche und Ohrgeräusche sind eng miteinander verbunden“, sagt Prof. Goebel. „Denn die Ohrgeräusche hat jeder Mensch. Wer psychische Probleme hat, hört das Geräusch aber häufiger ganz bewusst.“ Bei denjenigen, die unter Stress oder sogar Depressionen leiden, funktioniert der sogenannte psychische Filter nicht, der dafür sorgt, dass wir „nichts hören“. Oder, wie der Experte erklärt: Die Psyche kann den Tinnitus nicht mehr runterregeln. „Bei Problemen wird das Geräusch lauter“, sagt er. „Etwa die Hälfte der Menschen mit Depressionen und Angsstörungen haben Tinnitus.“


Doch ist diese Verbindung auch der Grund, dass sich viele Betroffene für ihre Ohrgeräusche schämen? Das kann Prof. Goebel nicht bestätigen. „Inzwischen wird viel über das Thema gesprochen und berichtet. Deshalb fällt es vielen Betroffenen inzwischen nicht mehr schwer, darüber zu sprechen“, sagt er. „Ganz im Gegenteil, viele finden darin die Ermutigung, sich Hilfe zu suchen und anzunehmen.“


Und das sei gut, denn viele Betroffene müssen sich – wie der Landwirt aus Niedersachsen – mit den Ohrgeräuschen arrangieren. „Ich habe mich lange Zeit nur auf das Pfeifen konzentriert“, berichtet der 46-Jährige. „Irgendwann habe ich erkannt, dass ich mit dem Ohrgeräusch leben muss, denn nach zwei Jahren ist es nicht mehr weggegangen. Ich musste entscheiden: Entweder mache ich das Beste aus der Situation oder ich kapituliere.“ Wichtig, so der Mediziner-Rat, ist in diesem Stadium, dass sich Betroffene nicht zurückziehen – vor allem nicht in die Stille und Einsamkeit. Denn so fixieren sie sich häufig nur noch auf das Geräusch im Ohr.


Also suchte sich der Landwirt neben der ärztlichen Hilfe auch eine Selbsthilfegruppe. Hier konnte er sich mit anderen Tinnitus-Leidenden austauschen und von deren Erfahrungen lernen, die sie während ihres teilweise jahrzehntelangen Leidensweg gemacht haben. Was er hier aber auch lernen musste: Was anderen hilft, muss für ihn selbst nicht zwangsläufig die richtige Lösung sein.


Was tun?

Wie bei anderen Symptomen auch, behandelt man beim Tinnitus zunächst die Krankheit. „Dafür ist in jedem Fall eine ärztliche Diagnose nötig“, sagt Prof. Goebel. „Wer unter Ohrgeräuschen leidet, sollte zum Arzt gehen.“


Die gute Nachricht ist: Bei rund 80% der Betroffenen geht der Tinnitus wieder weg.


Um herauszufinden, woher das Geräusch kommt, ist eine schnelle HNO-ärztliche Behandlung unumgänglich. In rund 30% der Fälle geht ein Hörsturz dem Leiden voraus, sagt Prof. Goebel. Dieser wird nicht selten im Rahmen einer Cortison-Therapie behandelt. Heute allerdings eher mit Tabletten, als mit Infusionen. Allem voran steht aber ein Hörtest, der nicht selten bei der Ursachen-Suche hilft.


Kein Tinnitus gleicht dem anderen, deshalb muss für jeden Betroffenen ein geeigneter Therapieweg gefunden werden. Denn einfach zu sagen: „Ton aus!“ – das funktioniert hier nicht.


In einer sogenannten „Tinnitus-Retraining-Therapie“ können Betroffene lernen, das Geräusch weniger intensiv wahrzunehmen. „Ziel ist eine Gewöhnung an den Tinnitus und seine Beherrschung im Alltag“, sagt die Deutsche Tinnitus Stiftung. Im Vordergrund der Therapie steht das Ziel, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.


Mit Einsicht und Geduld:

Dieser Weg braucht viel Einsicht und Geduld, denn die Behandlung kann zwölf bis 24 Monate dauern. Die Behandlung basiert auf einem Vier-Säulen-Konzept, das die vier Punkte Counselling, Psychologische Betreuung, Entspannungstechniken und – falls erforderlich – technische Hilfsmittel beinhaltet.


Das Counselling besteht aus der individuellen Beratung und Aufklärung des Patienten. Laut Deutscher Tinnitus Stiftung bekommt der Betroffene in dieser Phase Verkettungen und Umstände aufgezeigt und lernt Ängste abzubauen und den Leidensdruck zu verringern.


Da Stress, innere Anspannung und Konflikte ebenfalls Auslöser der Ohrgeräusche sein können, gehört auch die psychologische Betreuung zur Therapie. Integraler Bestandteil der Tinnitus-Retraining-Therapie sind Entspannungstechniken. Sie helfen beim Stressmanagement und erleichtern das Reflektieren der eigenen Situation.


Zuletzt gibt es auch technische Möglichkeiten, die bei Tinnitus helfen können. Das sind z.B. Hör- oder Rauschgeräte. „Etwa ein Viertel der Lärmschwerhörigen haben Ohrgeräusche“, sagt Prof. Goebel. „Wer schlechter hört, hört den Tinnitus automatisch besser.“ Deshalb steigt die Zahl der Betroffenen mit dem Alter und der Altersschwer-hörigkeit an.


Auch zu Behandlungen mit Naturheilkunde, z.B. Akupunktur und Homöopathie, gibt es internationale Studien. „Eine Wirksamkeit von Akupunktur wird in diesen nicht belegt“, erklärt Prof. Goebel. „Auch die Effizienz homöopathischer Mittel ist sehr umstritten.“


Gehörschutz ist wichtig.

Erstaunlich, aber wahr: Ein Hörgerät kann bei Tinnitus helfen! Denn wer wieder besser hört, für den ist das Ohrgeräusch weniger spürbar. Aber: Nicht jeder Patient kommt mit einem Hör- oder Rauschgerät, das das Pfeifen überdecken soll, klar. Hin und wieder verstärkt ein solches Gerät zu Beginn die Beschwerden sogar, weiß Prof. Goebel. „Und deshalb ist es wichtig, dass man Fachleute aufsucht“, sagt er. „Nur so kann eine individuelle Therapie gefunden werden.“


Vor allem Landwirten, die meist unter lauten Bedingungen arbeiten, empfiehlt der Experte dringend, einen Gehörschutz zu tragen. Einen Hörsturz, ein Knalltrauma oder eine Schwerhörigkeit kann man damit nicht verhindern, aber vorbeugen. Anja Rose

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