Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

Aus dem Heft

Krisen-Vorsorge per Risikorücklage

Lesezeit: 7 Minuten

Landwirte sollen schwankende Gewinne künftig mit einer Risikorücklage glätten dürfen. Unsere Analyse zeigt: Von dem DBV-Vorschlag könnten vor allem Familienbetriebe profitieren.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Erst rauf, dann runter: Keine andere Branche leidet unter so starken Preis- und Ertragsschwankungen wie die Landwirtschaft. Die Schweinehalter kennen das schon lange. Die Ackerbauern haben es in den letzten beiden Jahren erlebt. Und die Milchviehhalter stecken zurzeit mittendrin.


Die Achterbahnfahrt der Agrarmärkte zeigt: Ein gutes Risikomanagement ist für Landwirte heute wichtiger denn je. Deshalb fordert der Deutsche Bauernverband die Einführung einer Risikoausgleichsrücklage für die Landwirtschaft. Mit der umsatzabhängigen Rücklage sollen Landwirte in guten Jahren Kapital zur Risikovorsorge ansparen können.


Neben der Sicherung der Liquidität in Krisenjahren geht es darum, die nachteilige Steuerprogression zu entschärfen. Diese führt dazu, dass besonders gewinnstarke Jahre überproportional besteuert werden. Verdient ein Betrieb in einem Jahr 80 000 € und im nächsten 20 000 €, zahlt er deutlich mehr Steuern, als wenn er in beiden Jahren 50 000 € einfährt.


Hinzu kommt: Einzelne gute Ausreißerjahre verschieben die steuerliche Bemessungsgrundlage nach oben. Dadurch leiden Betriebe, die nach starken Preisabstürzen ohnehin mit der Liquidität kämpfen, unter hohen Steuervorauszahlungen.


Forstwirte als Vorbild


Vorbild für die Risikorücklage sind bestehende Regelungen für Forstwirte (Ausgleichsfonds-Rücklage) und Versicherer (Schwankungsrückstellung). Diese ermöglichen es, die Auswirkungen von Ausnahme-Ereignisse wie zum Beispiel dem Sturm Kyrill, auf mehrere Jahre zu verteilen.


Wie sich eine Risikorücklage gemäß dem DBV-Vorschlag bei stark schwankenden Gewinnen in der Landwirtschaft auswirken könnte, hat Dr. Gunnar Breu-stedt vom Institut für Agrarökonomie der Uni Kiel für uns berechnet. Als Grund-lage dient ein Beispielsbetrieb, dessen Gewinn innerhalb von sieben Jahren erheblich variiert.


Die Spanne erstreckt sich von 75 000 € und 125 000 € Gewinn in den beiden ersten Jahren bis hin zu 50 000 € Verlust im vierten Jahr (siehe Übersicht 1). Unterstellt ist, dass der Betrieb einen Großteil der Gewinne aus den beiden gewinnstarken Jahren in einer Risikorücklage parkt (Übersicht 2) und in den Jahren vier bis sechs wieder auflöst.


Damit verschiebt der Beispielsbetrieb einen Teil seiner Steuerzahlungen in die Zukunft. Das Ergebnis der geschickten Rücklagenbildung und -auflösung ist eine deutliche Glättung der Einkünfte des Betriebes. Der niedrigste Jahresgewinn liegt nun bei 25 000 €, der höchste bei 62 500 €. Dadurch verringert er die Spannbreite seiner Gewinne von 175 000 € auf nur noch 37 500 €.


Das bringt zwei Vorteile: Erstens treffen Preistäler den Betrieb weniger hart. Er kann seine Zahlungsfähigkeit auch im Krisenjahr erhalten. Dies macht die Risikorücklage zu einem wirkungsvollen Risikomanagement-Instrument. Hiervon profitiert auch die Kreditwürdigkeit des Betriebes.


Zweitens spart der Betrieb Steuern, da die Progression weniger hart zuschlägt. Wie Übersicht 3 zeigt, zahlt der Betrieb zwar in den Jahren vier bis sieben, in denen er die Rücklage auflöst, mehr Steuern, als er es ohne Rücklagenbildung müsste. Dieser Effekt wird jedoch mehr als ausgeglichen durch die Steuern, die er in den ersten zwei bzw. drei Jahren aufgrund der Bildung der Rücklage spart. Ohne Rücklage würde der Betrieb in den sieben Jahren insgesamt knapp 67 000 € Steuern zahlen. Mit Rücklage sind es gut 48 000 €. Die Steuerprogression wird also um 19 000 € gemildert (das entspricht 28 % bezogen auf den gesamten Betrachtungszeitraum von sieben Jahren).


Welche Betriebe profitieren


Fallen die Gewinnschwankungen moderater aus, sinkt auch die Wirkung der Rücklage. Doch auch ein Betrieb mit weniger starken Einkommensschwankungen (siehe Übersicht 4) kann von der Rücklage profitieren. Der Betrieb in Übersicht 4 könnte durch die dargestell-te Gewinnglättung knapp 12 % Steuern sparen.


Von der Glättung der Gewinne und der Steuerbelastung würden in erster Linie Familienbetriebe mit einem Gesamteinkommen zwischen 15 000 € und 100 000 € profitieren (bei Unverheirateten 7 500 € bis 50 000 €). Bei Einkommen, die regelmäßig über 100 000 € (Ehepaare) liegen, ergeben sich keine oder nur noch geringe steuerliche Effekte, weil dann der Grenzsteuersatz von 42 % erreicht ist. Die Einführung einer Risikorücklage würde somit gezielt Familienbetrieben mit starken Einkommensschwankungen zugutekommen, wie z. B. Ferkel-erzeugern oder Kartoffelbauern. Sie lei-den bisher am stärksten unter der pro-gressiven Besteuerung ihrer Gewinne.


Aber auch bei Getreide oder Milch reichen schon Preisschwankungen von wenigen €/dt bzw. Ct/kg aus, um unter sonst gleichen Bedingungen hohe Gewinn­änderungen zu verursachen (Übersicht 5). Somit ist die Risikorücklage für alle Betriebstypen interessant. Zumal vieles dafür spricht, dass die Ertrags- und Preisschwankungen in der Landwirtschaft und mit ihnen die Nachteile durch die Steuerprogression zunehmen werden.


Nach den DBV-Vorschlägen sollen nicht nur Einzelbetriebe, sondern auch landwirtschaftliche Personen- und Kapitalgesellschaften eine solche Risikorücklage bilden können. Allerdings ergäbe sich bei Kapitalgesellschaften keine Abmilderung der Steuerprogression. Denn die Rücklage hat keinen Einfluss auf die Höhe des Körperschaftssteuersatzes. Hier bliebe nur der Zinseffekt durch die teilweise Verschiebung der Steuerzahlung nach hinten. Dieser tritt aber nur dann ein, wenn die spätere Auflösung der Rücklage in diesen Fällen nicht mit einem Strafzins belegt wird.


Das Geld ist festgelegt


Betriebe, die die positiven Effekte einer Risikorücklage nutzen wollen, büßen dadurch allerdings auch ein Stück Flexibilität ein. Denn der Gesetzgeber wird sich nicht mit einer rein bilanzmäßigen Rücklage zufrieden geben. Vielmehr wird er – wie beim forstlichen Ausgleichsfonds – verlangen, dass der steuerfrei bleibende Gewinnanteil tatsächlich auf ein besonderes Konto eingezahlt und dort festgelegt wird. Das heißt: Landwirte, die eine Risikorücklage bilden, könnten nur noch eingeschränkt (nämlich in „Krisenjahren“) über diese Mittel verfügen.


Ein weiteres Problem: Die optimale Rücklagenhöhe ergibt sich immer erst im Nachhinein. Denn sie hängt von der zukünftigen Gewinnentwicklung ab. Das bedeutet: Nur wer seine zukünftigen Gewinne richtig prognostiziert, kann ein optimales Rücklagen-Management betreiben. Deshalb werden die Steuerersparnisse in der Regel niedriger ausfallen als in unseren beiden Beispielsbetrieben. Hier hat Dr. Breustedt von der Uni Kiel eine nahezu optimale Rücklagenhöhe unterstellt.


Ebenso müssen die Voraussetzungen gegeben sein, damit eine Rücklage überhaupt aufgelöst werden darf. Der bisherige Entwurf lässt offen, wie genau ein Krisenjahr definiert ist und was etwa unter Maßnahmen zum vorbeugenden Risikoschutz fällt. Aus Sicht der Landwirtschaft ist eine Regelung wünschenswert, die größere Flexibilität bei der Auflösung der Rücklage ließe. So sieht der Vorschlag des Bauernverbandes u.a. vor, dass Gelder aus der Rücklage auch zur Tilgung betrieblicher Schulden verwendet werden dürfen. Dies hätte zur Folge, dass die Rücklage – zumindest indirekt – jederzeit auflösbar wäre.


Aus Sicht der Landwirtschaft ist außerdem, so wie vom DBV gefordert, eine zeitlich unbefristete Risikorücklage sinnvoll. Denn bei einer zeitlichen Befristung der Rücklage sind Konstellationen denkbar, in denen der Schuss nach hinten losgehen könnte und insgesamt sogar mehr Steuern zu zahlen wären. Dies würde z. B. dann passieren, wenn der Betrieb aus Übersicht 1 gezwungen wäre, die Rücklage aus dem ersten Jahr schon im zweiten wieder aufzulösen.


Ob eine Risikoausgleichsrücklage überhaupt kommt, bleibt eine politische Entscheidung. Vor allem Stimmen aus der FDP und der Union haben sich in letzter Zeit für sie ausgesprochen.


Kritiker argumentieren, mit der Rücklage werde eine neue Sonderregelung geschaffen und das Steuerrecht weiter verkompliziert. Außerdem müsse der Staat mit niedrigeren Steuereinnahmen rechnen. Diese beziffert der Deutsche Bauernverband auf 50 bis 90 Mio. € pro Jahr, wobei die Entschärfung der Steuerprogression den Löwenanteil ausmachen würde.


Im Gegenzug erhielte der Staat jedoch besser planbare Steuereinnahmen, da die landwirtschaftlichen Gewinne weniger zyklisch anfallen würden. Für eine Risikorücklage spricht aus staatlicher Sicht vor allem, dass sie den Hebel genau am Problem, nämlich an den Gewinnschwankungen, ansetzen würde. Gerade im Vergleich zu anderen diskutierten Maßnahmen, mit denen Landwirte in ihrem Risikomanagement unterstützt werden sollen (z. B. Ernteversicherungen), besticht sie durch ihre Einfachheit und ihr Vorsorgeprinzip.


Wir halten fest


Die Risikorücklage ist ein geeignetes Instrument, um schwankende Gewinne langfristig zu glätten. Vor allem kleine und mittelgroße Familienbetriebe mit starken Einkommensschwankungen wären durch sie weniger von der Steuerprogression benachteiligt. Sie könnten dadurch nicht nur gezielte Liquiditätsvorsorge für Krisenjahre treffen, auch ihre Investitionsfähigkeit würde gestärkt.


Offene Fragen bleiben vor allem bei den Bedingungen, zu denen die Rücklage wieder aufgelöst werden darf, und bei ihrer zulässigen Höhe.


Ansonsten gilt: Auch wenn der mit einer Risikorücklage verbundene Aufwand nicht unterschätzt werden sollte, ist eine Einführung aus Sicht der Landwirtschaft klar zu befürworten.


Matthias Schulze Steinmann

Die Redaktion empfiehlt

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuellen Nachrichten, Preis- und Marktdaten | 1 Jahr für 1̶2̶9̶,̶6̶0̶ ̶€̶ 99 €

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.