Fünf Jahre nach der Wende begann Heidrun Kintra, auf dem Hof ihrer Großeltern Kühe zu halten und die Milch zu verkäsen. Obwohl ihre Herde klein ist, kann die Familie gut davon leben.
Angefangen hat Heidrun Kintra mit Schnittkäse. Heute bietet sie auch Joghurt, Frischkäse und Quark an. Rund 1 400 Liter Milch ihrer 30 Angler Rotvieh-Kühe verarbeitet die 50-Jährige pro Woche in ihrer kleinen Hofkäserei. Der Laden brummt: Heidrun Kintra verkauft sowohl im Hofladen als auch auf Märkten gut und beliefert zudem andere Direktvermarkter.
Erst fünf Jahre nach der Wende beschloss die Landwirtin, sich als Wiedereinrichterin selbstständig zu machen. Zuvor war sie noch in der ehemaligen LPG im Nachbarort Seehausen verantwortlich für die Milchproduktion. Dort wurde die Arbeit durch den Weggang der besten Mitarbeiter immer schwieriger.
„Mir war von Anfang an klar: Das wird nicht einfach“, erinnert sich Heidrun Kintra heute. Der Vierseithof der Großeltern war verfallen, dazu gehörten nur 20 ha Acker und 10 ha Grünland und das Käsen musste Heidrun Kintra erst lernen. Aber die größten Steine legten ihr die Behörden in den Weg. Sie verzögerten Heidrun Kintras Käseproduktion um fast vier Jahre. Kleine Kostprobe: Extra für die Landwirtin aus Drüsedau in der Alt-mark musste Sachsen-Anhalt damals eine Direktvermarktungsquote erwerben, die man zuvor an Bund und Länder zurückgegeben hatte. Vor Kintra hatte nie ein Landwirt danach gefragt.
Dass sie durchgehalten hat, spricht für die Zähigkeit, die Tüchtigkeit und den Mut der Landwirtin. Diese Eigenschaften tragen sie auch heute noch durch ihre oftmals viel zu langen Arbeitstage. „Ich wollte immer mit Kühen arbeiten“, versucht die gelernte Zootechnikerin/Mechanisatorin zu erklären, was sie antreibt. „Das macht mich glücklich. Aber auch der Gedanke, dass ich unseren Hof wieder aufgebaut habe, bedeutet mir etwas.“
Ihr tägliches Arbeitspensum ist enorm. Drei Tage pro Woche ist für sie von 5.00 bis 15.00 Uhr Markttag, danach wird aufgeräumt, gemolken, die Büroarbeit erledigt, im Hofladen verkauft, die Ponys, Kaninchen und Co. gefüttert und natürlich telefoniert, organisiert und verhandelt. Nach ihrem „kleinen Luxus“, demallabendlichen heißen Bad, folgt die zweite Schicht in der Käserei, nicht selten bis 23.00 Uhr. „Seit einiger Zeit höre ich beim Käsen Hörbücher. Ich merke dann gar nicht, dass ich arbeite und kann mich dabei ganz gut entspannen.“
Familienbetrieb statt LPG:
Eine Vollzeit-AK und eine Aushilfskraft unterstützen Heidrun Kintra bei der Arbeit. Seit sechs Jahren arbeitet außerdem ihr Ehemann Thomas im Betrieb. Er kümmert sich um die Tiere und teilweise um den Ackerbau. Wenn geschlachtet wird oder anderweitig helfende Hände gebraucht werden, springt auch ihre Mutter – und bis vor Kurzem noch ihre Schwiegereltern – ein.Reisefreiheit, Marktwirtschaft – das alles hat Heidrun Kintra nicht allzu sehr interessiert, als die Wende sie überraschte. Sie arbeitete gerade erst ein Jahr in ihrem Beruf und wollte endlich durchstarten. Nachdem sie vier Jahre mit ihrer kleinen Tochter im Studentenwohnheim in Halle/Saale gewohnt hatte, lebte sie gerade erst mit ihrem Mann als Familie in ihrem Heimatort zusammen. Die Jobs in der LPG waren gesichert.
Dann kam alles ganz anders. Der Systemwechsel hat ihr, wie vielen anderen auch, einiges abverlangt. Auch die intensive Arbeit auf dem Hof hat ihren Tribut gefordert. „Die Kinder sind zu kurz gekommen, das werfe ich mir manchmal vor. Aber etwas anderes könnte ich mir jetzt auch nicht mehr vorstellen.“-kh-