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Tante Emma kommt zurück

Lesezeit: 8 Minuten

Der Tante-Emma-Laden feiert als moderner Treffpunkt mit Dienst­leistungs­angebot in vielen Dörfern ein Comeback. Oft stehen Bürgerinitiativen dahinter. Auch Landwirte engagieren sich.


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Bis vor kurzem hatten die 935 Einwohner von Steinau bei Cuxhaven noch die Wahl. Es gab im Ort vier Gaststätten und einen Lebensmittelladen. Das ist Vergangenheit. Vor einem Vierteljahr machte der Laden dicht. Demnächst schließt auch der letzte Wirt seine Pforten.


Hans-Jürgen Mangels, Landwirt und Bürgermeister von Steinau, sieht diese Entwicklung mit Sorge. „Wenn das so weitergeht, werden wir zum Schlafdorf. Und vom Schlafdorf ist der Weg nicht mehr weit bis zum sterbenden Dorf“, befürchtet der Landwirt.


Der Letzte macht das Licht aus?


Landauf, landab stehen kleine Dörfer und Gemeinden vor ähnlichen Herausforderungen. Wo es früher noch eine Bank, eine Post, einen Laden, einen Arzt, eine Schule und ein reges Vereinsleben gab, wird heute nur noch übernachtet. Die einzige Ausnahme: Wenige landwirtschaftliche Betriebe. Ansonsten fahren die Dorfbewohner zum Arbeiten und zum Einkaufen in den Nachbarort oder in die nächste Kleinstadt. Vielerorts legen sie schon heute 12 oder sogar 15 Kilometer zum nächsten Discounter auf der grünen Wiese zurück.


Das hat Nebenwirkungen für das Dorfleben: Es gibt kaum noch Berührungspunkte zwischen den Einwohnern. „Irgendwann leben wir genauso anonym aneinander vorbei wie die Menschen in den Großstädten“, gibt Willi Berendt, Bürgermeister der Gemeinde Witzwort in Schleswig-Holstein, zu bedenken. Viele Experten warnen vor einem Teufelskreis: Wenn der letzte Laden im Dorf schließt, sinkt die Lebensqualität. Immer weniger junge Leute würden dann aufs Land ziehen, junge Familien den Dörfern den Rücken kehren. Die Überalterung der Dorfbevölkerung beschleunigt sich. Über kurz oder lang droht zahlreichen Dörfern die Verödung.


Handeln statt heulen


Mit solch trüben Gedanken halten sich die Bürger der Gemeinde Steinau lieber nicht auf. Statt zu jammern, nehmen sie die Dinge selbst in die Hand. Ein neues Dorfzentrum muss her, eines mit einem kleinen Laden für die Nahversorgung, einem Saal für Feiern und Vereinsversammlungen und einem Café zum Klönen, sind sich der Gemeinderat und die engagierten Bürger einig. In die Planungsphase sind sie längst eingestiegen: „Wir hoffen, dass wir unser Dorfzentrum 2010 eröffnen können“, erläutert Milchviehhalter Hans-Jürgen Mangels sein ehrgeiziges Ziel.


Einkaufen, klönen, Post abholen


Die Gemeinde Witzwort in Schleswig-Holstein beweist, dass solch ein Dorfzentrum funktionieren kann: Im Jahr 2001 eröffnete sie ihren Markttreff. Für die Dorfbewohner ist das Dorfzentrum ein echter Glücksfall. Es liegt im Dorfkern und beherbergt neben einem 120 qm-großen Laden auch einen Treffpunkt. Der 80 qm-große Raum hinter dem Laden ist gemütlich mit Tischen und Stühlen eingerichtet. Er ist das Herz des Dorfes: Hier trifft man sich zum Kaffee trinken, kann kostenlos im Internet surfen oder sich am so genannten Book-Crossing beteiligen. Dort findet die Sprechstunde der Husumer Nachrichten statt. Einmal im Monat gibt es dort „Essen in Gemeinschaft“ für die Senioren im Ort. „Wir haben wieder einen Punkt, wo wir uns begegnen“, freut sich Bürgermeister Willi Berendt.


Kleiner Laden mit Erfolg


Daneben wird im Witzworter Markttreff kräftig eingekauft. Es kommen nicht nur die Alten, die sich den Weg zum nächsten Discounter nicht mehr zutrauen. „Auch Kinder, junge Mütter und Väter kommen zum Einkaufen vorbei oder treffen sich zum Klönen“, berichtet Marktleiter Maik Schultze.


Dieser Erfolg ist nicht selbstverständlich. Ihn verdankt die Gemeinde nicht zuletzt dem engagierten Marktleiter selbst. Jedes Jahr veranstaltet er mit seiner Frau zahlreiche Feste und Feiern vor dem Markttreff. Sie finden großen Anklang bei den Einwohnern und beleben die Dorfgemeinschaft. Und sie bringen Kunden in den Laden.


Und diese kaufen dort auch ordentlich ein. Das liegt am guten Service im Witzworter Markttreff, ist Maik Schultze überzeugt. Zwar kann der Kaufmann bei den Preisen der Discounter nicht mithalten. Dafür erfüllt er fast jeden Kundenwunsch. Sonderbestellungen nimmt Maik Schultze auf Zuruf entgegen und besorgt die Ware meistens bis zum nächsten Tag.


Nicht, dass sein Sortiment klein wäre: Er bietet Tiefkühlware und Konservendosen an, hat eine gut bestückte Frischetheke für Fleisch, Wurst und Käse, frisches Obst und Gemüse aus der Region sowie eine Bäckertheke.


Ehrensache für den Kaufmann, dass die meisten Waren von Erzeugern und Unternehmen aus der Region stammen. „Die Transparenz findet Anklang bei den Kunden. Sie ist nicht mal viel teurer.“


Neben ihrem Einkauf können die Witzworter im Markttreff auch noch ihre Lottoscheine abgeben, den Hermes-Paketdienst oder den Lieferservice zur Heißmangel und Reinigung in Anspruch nehmen. Und einmal in der Woche holt Maik Schultze die Senioren aus dem Ort zu Hause ab, fährt sie zum Einkaufen in den Markttreff und bringt sie später samt Ware wieder zurück.


Vorreiter Schleswig-Holstein


In 25 kleineren Gemeinden in Schleswig-Holstein gibt es bereits einen Markttreff. Das ist auch ein Erfolg für die Landespolitik: „Wir wollen die Attraktivität des ländlichen Raums erhalten“, erläutert Christina Pfeiffer vom Ministerium für Land­wirtschaft, Umwelt und ländliche Räume.


Dörfer, die über eine schlechte Anbindung und Versorgungslage verfügen, werden bei der Einrichtung des Markttreffs mit EU-, Bundes- und Landesmitteln gefördert und von einem Beratungsunternehmen unterstützt. Die Bedingung: Die Markttreffs müssen neben einem Laden für die Nahver­sorgung auch einen Raum für die Begegnung zur Verfügung stellen und verschiedene Dienstleistungen anbieten.


Ein schwieriges Geschäft


Trotz dieser Unterstützung: Leicht ist das Geschäft mit der Nahversorgung nicht. Denn trotz aller anfänglicher Begeisterung erledigen viele Bürger beim Dorfkaufmann nur die Reste-Einkäufe. „Und vom Bild- und Zigarettenverkauf können die Märkte nicht existieren“, hadert Bürgermeister Berendt. Maik Schultze ist in Witzwort bereits der dritte Betreiber. Zwischenzeitlich musste sogar der Bürgermeister selbst hinter der Ladentheke stehen, damit das Geschäft weiterging. Erst unter Maik Schultzes Regiment läuft der Laden. Das zeigt: Letztlich ist das Engagement des Marktleiters mitentscheidend für das wirtschaftliche Ergebnis eines Markttreffs.


In allen Marktreffs in Schleswig-Holstein gilt eine schwarze Null denn auch als Erfolg. „Wenn der Markttreff sich selbst trägt, haben wir unser Ziel erreicht“, bekräftigt Bürgermeister Jörg Smolla aus Koberg im Südosten Schleswig-Holsteins.


Die Erfahrungen zeigen: Auch wenn die Bürger einen Dorfkaufmann in Umfragen und Bürgerversammlungen befürworten, ist der Laden noch kein Selbstläufer. Zwar freuen sich die Einwohner über die lokale Einkaufsmöglichkeit und die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Doch die Billig-Versprechen der Discounter und die große Auswahl locken sie trotzdem auf die grüne Wiese.


Ohne Bürger läuft nichts


Dieser Entwicklung wirken die Gemeinden entgegen, indem sie die Bürger in die Gestaltung mit einbeziehen. In Schleswig-Holstein gehören die Markttreffs meistens der Gemeinde. Ihr steht fast immer ein Markttreff-Verein zur Seite, der sich um die Belange des Treffpunkts kümmert. Die Mitglieder – Bürger – können bei allen wichtigen Entscheidungen mitbestimmen.


In Niedersachsen und in Süddeutschland sind die Läden sogar genossenschaftlich organisiert. „Häufig werden sie von Bürgergesellschaften geleitet“, berichtet Günter Lühning. Er hat ein virtuelles Netzwerk gegründet (dorfladen-netzwerk.de) und ist selbst Mitinhaber eines Dorfladens.


In seinem Heimatdorf Otersen in Niedersachsen zeichneten 70 Bürger Anteile um das notwendige Startkapital für den Laden aufzubringen. Es kamen damals über 100 000 Mark zusammen. Mit den 50 000 Mark Fördermitteln reichte das für die Eröffnung aus. Heute gehört der Laden den 70 Teilhabern der Bürger-gesellschaft.


Alle Fragen offen


In Steinau bei Cuxhaven sind dagegen noch alle Fragen offen. Wenn die Rechtsform und die Finanzierung stehen, geht es an die Feinplanung: Öffnungszeiten, Sortiment und Einrichtung des Ladens. Allerdings bereitet die Finanzierung Hans-Jürgen Mangels Sorgen: „Wir sind keine reiche Gemeinde. Wie es mit Fördermitteln aussieht, wissen wir noch nicht.“


Dennoch sieht er die Anfangskosten als sinnvolle Investition in die Zukunft des Dorfes. „Langfristig trägt ein Dorfzentrum dazu bei, dass das Dorf lebendig, und damit auch für Familien und Zugezogene atttraktiv bleibt. Das ist es uns wert“, betont der Milchviehhalter. Günter Lühning geht noch weiter: Er ist sich sicher, dass der Laden die Immobilienpreise im Dorf langfristig stabilisiert: „Der Unterschied beträgt rund 20 Prozent“, vermutet der engagierte Niedersachse.


Und wie sehen die Steinauer Bürger den Dorfladen? Das klärt sich noch dieses Jahr auf der Bürgerversammlung. Ihr darf Hans Jürgen Mangels gelassen entgegen sehen. Immerhin begleitete ihn bereits auf einer Infofahrt zu Markttreffs in Schleswig-Holstein ein ganzer Reisebus interessierter Bürger. Die meisten sind von der Idee eines Dorfladens angetan. So wie die 40-jährige Natina Poppe: „Ich finde es toll, wenn unsere Kinder sich bald wieder ein Eis beim Kaufmann um die Ecke kaufen können“, sagt die zweifache Mutter.


In Koberg in Schleswig Holstein gehen die Planungen indes weiter: Nach der Eröffnung des Dorfladens mit Dorfgemeinschaftshaus will Bürgermeister Jörg Smolla in Koberg eine Krippe für die unter 3-Jährigen eröffnen und seine Gemeinde endlich flächendeckend mit einer Internet-Breitbandleitung versorgen. Für Steinau ist das dann der nächste Schritt.


K. Hingst

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