„Wir schenken Dir eine Reise! Zehn Tage Georgien, nur wir vier, keine Partner, keine Kinder!“, das sagte ich zu meinem Bruder Wedig, als er 2012 seinen 70. Geburtstag feierte. Meine Frau hatte mich auf diese großartige Idee gebracht.
Im Mai 2013 realisierten wir den ersten Geschwister-Urlaub. Es war ein Abenteuer – kulturell und zwischenmenschlich! Wedig und ich, die beiden Landwirte, Konrad, der Jurist, und Ruth, die Ärztin, trafen uns – jeweils aus verschiedenen Richtungen kommend – am Flughafen von Istanbul. Gemeinsam ging es von dort aus nach Tiflis und in den Kaukasus.
Im vergangenen Sommer, zu Konrads Siebzigstem, bereisten wir das Baltikum. Dabei war das Programm sehr agrarisch geprägt, außerdem besuchten wir das Familiengut meiner Mutter in Hinterpommern, das sie als Flüchtling im Zweiten Weltkrieg verlassen musste.
Auf beiden Reisen war das Tages-pensum straff. Dennoch machten wir es zur festen Regel, dass jeder Einzelne an einem Tag aus seinem Leben erzählte. ‚Heute bist Du dran!‘, hieß es dann beim Frühstück.
Verstreut über Lübeck, Bonn/Berlin, das Sauerland und Wien, hatten wir in den vergangenen Jahrzehnten wenig Privates und Intimes geteilt. Jeder war mit seinen Themen beschäftigt, hatte eine eigene Familie gegründet und Ideen realisiert. Nun begegneten wir uns an einem fremden Ort ganz neu, und doch in einem noch ungewohnten Zustand, im Übergang zur Rente. Wenn uns Einheimische als reine Geschwister-Truppe ausmachten, waren sie oft verwundert. Zugleich fühlten wir vier uns immer wieder gegenseitig überrascht – vom Wesen, von der Art oder Überzeugung des Anderen.
Vier „Chef-Typen“ auf Reisen – das war allerdings nicht nur rosig. Wo übernachten wir? In Doppel- oder Einzelzimmern? Wie viele Termine machen wir morgen? Es wurde schnell auch mal laut und emotional.
Aber – die Idee steckt an: Unsere eigenen fünf Kinder haben bereits eine Woche auf der Skihütte verbracht. Auf sich selbst gestellt, ohne Partner! Das finde ich klasse.“
Gyso von Bonin (68),
Rüthen-Kallenhardt, NRW