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Agrar-Alkohol: Markt statt Monopol

Lesezeit: 6 Minuten

Nach Ende des Branntweinmonopols haben 47 Verschlussbrenner gemeinsam eine Reinigungsanlage gepachtet, um ihren Rohalkohol selbst aufzubereiten und zu vermarkten. Doch der freie Markt ist viel härter als erwartet.


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Mit dieser Anlage können wir unsere Brennereien auch ohne staatliche Garantiepreise weiterführen.“ Davon waren rund 50 Verschlussbrenner aus ganz Deutschland überzeugt, als sie im Frühjahr 2014 die ehemalige Reinigungs- und Aufbereitungsanlage der Bundesmonopolverwaltung in München pachten konnten.


Die Landwirte gründeten mit der AgrAlko AG ein eigenes Unternehmen, das den auf ihren Höfen erzeugten Rohalkohol gemeinsam aufbereiten und gewinnbringend vermarkten sollte.


Bis zum Auslaufen des Branntweinmonopols im Jahr 2013 war das nicht notwendig, weil die staatliche Monopolverwaltung den Brennern bis dahin den Rohalkohol abnahm und einen kostendeckenden Preis von mehr als 100 €/hl bezahlte. Der staatliche Garantiepreis bewegte sich aber deutlich über dem Marktpreis, sodass die meisten der rund 500 Verschlussbrenner in Deutschland nach Ende des Monopols das Brennen einstellten.


Woraus schöpf­en die Landwirte, die sich jetzt mit ihrer Alkoholerzeugung am freien Markt behaupten wollten, ihre Zuversicht? „Die Anlage in München erzeugt mit einem einzigartigen Reinigungs- und Destillationsverfahren Reinalkohol, der weit über der EU-Norm liegt“, antwortet Brennermeister und AgrAlko-­Vorstand Heinz Wagner. Die Qualitäten lassen sich gut kon­trollieren und dokumentieren, weil zum Betrieb ein Labor mit Gas-Chromatographen gehört, das eine promovierte Chemikerin leitet. „Wir überprüfen kontinuierlich die eingehenden Rohstoffe, machen während der Produktion und im Lager ständig Qualitätsanalysen und stellen dazu Zertifikate aus“, erläutert Wagner.


Geringer Energieverbrauch:

Weitere Stärken der Anlage sind der geringe Energieverbrauch und die gute Ver-kehrsanbindung. So hat das Münchner Werk sogar einen eigenen Bahnanschluss. „Ein zusätzlicher Trumpf ist, dass die AgrAlko sortenreinen Neutralalkohol aus heimischem Getreide und Kartoffeln sowie hochwertigen Absolutalkohol mit 99,8 % für einen Premiummarkt herstellen kann“, so die beiden AgrAlko-Aufsichtsräte Markus Bauer aus Schrozberg in Hohenlohe und Martin Reitter aus Schwanau im Ober-rheintal.


Doch der freie Alkoholmarkt erwies sich als viel härter, als die Landwirte erwartet hatten. Weil die Anlage in München nach Ende des Branntweinmonopols ein halbes Jahr stillgelegt war, mussten sich die ursprünglichen Abnehmer andere Lieferanten suchen. Zudem konnte die AgrAlko keine Bezugsscheine für den steuerfreien Erwerb von Alkohol an Weiterverarbeiter mehr ausgeben. Die Abnehmer mussten jetzt die Scheine selbst aufwändig be­antragen.


Vor allem mussten die bäuerlichen Betreiber erkennen, dass ein gutes Produkt allein nicht reicht, um lukrative Nischen zu erobern. Genauso wichtig sind ein cleveres Marketing und ein professioneller Vertrieb. Außerdem braucht es Zeit, um sich einen Stamm an interessanten Kunden aufzubauen.


Kein Wunder, dass anfangs der meiste Alkohol, den die AgrAlko erzeugte, in die Massenschiene floss. Dies brachte niedrige Erlöse, weil der Weltmarktpreis für Reinalkohol mit 96 % Ethanol seit Ende des Branntweinmonopols im Jahr 2013 um 30 % auf bis zu 60 €/hl gefallen war.


Schwieriger Start:

Mit diesem Preis kommen landwirtschaftliche Brenner jedoch nicht zurecht. Allein die Rohstoffkosten belaufen sich bei Getreidepreisen von 17 €/dt auf über 40 €/hl. Hinzu kommen Brennkosten von 20 bis 25 €/hl, das meiste davon für die Bereitstellung der Energie. So sind bereits die Erzeugungskosten für den Rohalkohol mit 85 % Ethanol höher als der Weltmarktpreis für Neutralalkohol.


Für Brenner mit Tierhaltung, die die Schlempe im eigenen Betrieb verwerten, sieht die Rechnung etwas besser aus. Markus Bauer hat seine Brennerei nach dem Monopolende ohne Unterbrechung weiterbetrieben und kann die Schlempe in der Viehhaltung gut verwerten. „Gerade in der Schweinemast ist aufgrund der gestiegenen Sojapreise die Schlempe eine gute Alternative als Eiweißträger. Pro Hektoliter erzeugtem Alkohol rechne ich mit einem Futterwert von 15 €.“


Für den Transport des Rohalkohols und die Veredlung zu Reinalkohol fallen weitere 15 bis 20 €/hl an. Das heißt: Um alle Kosten zu decken, müsste die AgrAlko 80 bis 90 €/hl erlösen. Zumindest für die Menge, die sie aus dem Rohalkohol erzeugt, den sie von den landwirtschaflichen Brennern bezieht.


Das Geld ging aus.

Weil solche Erlöse kurzfristig nicht zu erreichen waren, bekam die AgrAlko schon sechs Monate nach ihrer Gründung Liquiditätsprobleme. Das Finanzpolster aus den Einlagen der bäuerlichen Aktionäre von gut 2 Mio. € und den Bankkrediten wurde so dünn, dass Bank, Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder Anfang 2015 Kapital nachschießen mussten. Zudem trennte sich das Unternehmen nach einem halben Jahr vom damaligen Vorstandsvorsitzenden und wählte Heinz Wagner zum neuen Vorstand. Mit Dr. Hans Fischer kam zusätzlich ein erfahrener Vertriebsprofi an Bord, der als zweiter Vorstand für Produktion und Vertrieb verantwortlich ist.


Pharmabranche im Visier:

Der Naturwissenschaftler setzt dabei vor allem auf die Qualität der AgrAlko-Produkte. Neben dem TÜV-Zertifikat DIN EN ISO 9001:2008 sind die Produkte der AgrAlko GMP-bescheinigt (Good Manufactoring Practise) und entsprechen den Anforderungen der Analysevorschrift des EU-Arzneibuches. „Abnehmer im Hochpreissegment, wie etwa die Pharmaindustrie oder Apotheker, fordern Zertifikate, die nur mit hochqualitativen Produkten zu erreichen sind‘‘, erläutert Fischer.


Um für Abnehmer aus der Lebensmittel- und Getränkebranche alle Kanäle offen zu halten, nutzt er auch das „Kosher Certificate“ für die AgrAlko-Produkte, das das Rabbinat der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ausgestellt hat. Zudem bestätigt das Unternehmen per Erklärung, dass seine Produkte „vegan“ und „GVO-frei“ sind. Darüber hinaus prüft ein unabhängiges Institut die Alkohole auf die wichtigsten Allergene.


Beim vergällten Reinalkohol, der vor allem an die chemische und kosmetische Industrie geht, arbeitet das Unternehmen mit zwölf unterschiedlichen Standardmitteln und weiteren Sonderanfertigungen.


Fischers Aktivitäten zeigen Erfolge. „Wir konnten bereits viele interessante Abnahmeverträge abschließen, auch wenn wir häufig nicht sofort liefern können“, sagt der Vertriebsleiter. Denn viele Neukunden haben noch bestehende Verträge, die sie erfüllen müssen.


Fest im Visier hat die AgrAlko auch die Klein- und Edelbrenner, die hochwertigen sortenreinen Alkohol für die Herstellung von Geisten und Spezialitäten wie Wodka benötigen.


Um das Geschäft mit Kleinkunden anzukurbeln, hat die AgrAlko seit Kurzem auch einen Online-Shop aufgebaut. Dort kann man Neutralalkohol mit 96 % und – in der entwässerten Variante – mit 99,8 % Ethanol beziehen. Den 96 %igen Alkohol gibt es auch als sortenreinen Kartoffelalkohol zu kaufen. Die Ware wird in 2-, 4- und 25-Liter-Behältern aus Weißblech verschickt.


Die Bemühungen haben dazu geführt, dass die AgrAlko im Durchschnitt schon deutlich mehr erlöst als den Preis für Standardware. Zur kompletten Kostendeckung reicht es aber noch nicht ganz.


„Bis 2016 schwarze Zahlen“:

„Wir wollen bis Anfang 2016 schwarze Zahlen schreiben und dann das Ergebnis nach und nach weiter verbessern“, beschreibt Fischer das Unternehmensziel. Schafft die AgrAlko das nicht, dürfte es für das landwirtschaftliche Unternehmen eng werden. Erreicht es hingegen die Gewinnschwelle, hat es mittelfristig gute Perspektiven. Denn die AgrAlko hat die Option, den bis 2018 laufenden Pachtvertrag zu verlängern. Außerdem verfügt sie über ein Vorkaufsrecht auf die Reinigungsanlage.


Das zweite Halbjahr 2015 dürfte somit darüber entscheiden, ob es in Zukunft noch landwirtschaftliche Verschlussbrenner in Deutschland gibt.


Klaus Dorsch

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