Nicht der Robert, nicht die Steffi, nur beinahe der Hofreiter Toni. Stattdessen der Cem! Das war mal eine Überraschung. Dabei hatte es sie gegeben, die Hinweise auf einen Karriereplan in Richtung Bundeslandwirtschaftsministerium: Özdemirs Berufungen zum Botschafter des Bieres 2014, den des Brotes 2017.
Auch sein frühes Bekenntnis zur vegetarischen Ernährung erweist sich im Nachhinein als Entscheidung von erstaunlichem Weitblick. Fehlender Stallgeruch ist hingegen längst kein Ausschlusskriterium mehr. Davon zeugt die Ahnenreihe: Zwei Lehrkräfte mit den Fächern Sozialkunde, Katholische Theologie, Germanistik und Geschichte, eine Radio- und Fernsehtechnikerin, ein Verwaltungsinspektor, drei Juristen. Den letzten echten Bauern an der Ministeriumsspitze gab es im vorigen Jahrtausend: Jochen Borchert, solide landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung, Schollen- und (Feder)Vieherfahrung. Dem neuen Minister winkt jedoch Gestaltungsspielraum in kaum gekanntem Umfang. Nach der Lektüre des Agrarteils im Koalitionsvertrag dürfte es ihm ergangen sein wie vielen anderen: „Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“ Eher Faust als Fahrplan, ein entschiedenes „Sowohl-als-auch-vielleicht-aber-anders“. Umbau ja, Borchert nein, Zukunft schon, aber ohne Zukunftskommission. Eine Zeitenwende immerhin verspricht die grüne Macht in Agrar- und Umweltministerium. Seit an Seit statt Hü und Hott. Die grüne Hand wird’s richten. Kein Blatt Papier soll dann passen zwischen dem Cem und der Steffi, dem „begnadeten Kommunikator“ und der erfahrenen Bundespolitikerin. Die verfügt allerdings als langjährige Chefin der Abteilung Attacke ihrer Partei und erste Naturschützerin der Fraktion über reichlich Kampferfahrung. Beim Ministerrennen hat sich jüngst bestätigt, Grüne können bei Grünen kräftig zubeißen – auch morgen noch! Bereits der Start wird für Özdemir schwierig. Mit der Absage der Grünen Woche fehlt ihm zum Auftakt die große Bühne. Das Umfeld ist in Alarm. Der Pferdemarkt in Öhringen, das Saumarktfest in Crailsheim, der Gänsemarkt in Backnang, der Zuckerrübenmarkt in Offenau und das Lammevent in der ministeriellen Geburtsstadt Bad Urach könnten als Alternativen dienen.
Die Auswahl hätte Vorteile: agrarpolitisch – regional ist für Grüne erste Wahl, gesellschaftspolitisch – man spricht eine Sprache, landespolitisch – es kommen wieder Wahlzeiten. Die wollen vorbereitet sein, befähigt doch das Ministeramt nachweislich zu Höherem – womöglich auch den Cem, dereinst den Horst zu machen. Den Toni würd’s freuen.