Das Wort Bauernhof ist ebenso wie das Wort Immobilienhai kein geschützter Begriff. Demzufolge hat man keine gerichtlichen Konsequenzen zu befürchten, wenn man den Begriff Bauernhof missbräuchlich verwendet. Leider! Dasselbe gilt aber auch für den Immobilienhai. Zum Glück!
Ich fuhr mit unserem alten Traktor gerade von der Werkstatt heim und kam dabei am Bauzaun einer Großbaustelle im Nachbardorf vorbei. Ein großes, familiengeführtes Immobilienunternehmen ist gerade rührig dabei, einen idyllischen alten Obstgarten platt zu machen und darauf eine Wohnanlage mit knapp eineinhalb Dutzend Einheiten zu errichten. Der alte Besitzer dieses ländlichen Idylls hat den Garten abgegeben. Das ist nicht nur sein gutes Recht, sondern sogar sein gutes Baurecht. Es will keiner mehr die Bäume und die Bienenweide bewirtschaften und somit ist es gut zu verstehen, dass er den Ballast loswerden möchte. Außerdem ist bei uns Wohnraum extrem knapp und begehrt.
Auch die neuen Besitzer oder Mieter werden sich freuen. Vorausgesetzt natürlich, sie können in der Hochpreisetage schwindelfrei mitwohnen. So weit, so gut also. Als ich aber im Vorbeifahren eine große Werbeplane am Bauzaun lese, mit der Aufschrift „Bauernhof neu gedacht“, hätte ich beinahe die Kontrolle über meine 30 km/h verloren. Wie bestellt liegt an diesem Tag ein dickes A4 Expose dieses Projektes in unserem Briefkasten. Der Bauunternehmer bemüht sich um gute Nachbarschaft.
In dem Prospekt wird erklärt, dass es sich bei diesem „neu gedachten Bauernhof“ natürlich um einen seit mehreren Generationen nur noch nebenbei mit Schafen und Bienen betriebenen Hobbyresthof handelt. Der letzte „Bauer“ des „Hofes“ hat sein Einkommen von außerhalb bezogen, und so soll also wohl nur das Ambiente verkauft werden. Das geplante Ensemble besteht laut Prospekt tatsächlich aus „Stadl“ und „Bauernhaus“ und soll ein gut nachbarschaftliches Leben im Landlust-Stil ermöglichen.
Unterschwellig lese ich in der Firmenwerbung, dass auch wir, die bäuerlichen Grundeigentümer, die Gunst der Stunde nutzen könnten, unsere Bauernhöfe neu zu denken, sprich sie zu Bauernhofattrappen zu „entwickeln“. Ein raffiniertes Geschäftsmodell, denke ich mir, als ich im Wochenblatt lese, dass von den zur „weiteren Entwicklung“ aufgeforderten 10000 bayerischen Kuhbetrieben mit Anbindehaltung gerade mal 150 sich für den Umbau zur Laufstallhaltung entschließen wollen oder können. Der Rest wird dann ja wohl, wie es aussieht, anderweitig entwickelt – oder abgewickelt. Wenn da mal der Baulöwe keinen Blutrausch bekommt bei so viel frei werdenden Bauerngärten. Also, wenn sie mich fragen: Eine Hütte Bauernhof zu nennen, nur weil der Boden, auf dem sie steht mal zu einem solchen gehörte, ist abgehoben, weltfremd und beleidigend. Man nennt ja auch nicht einen Bauträger Immobilienhai, nur weil er mal so einen schönen Garten umgräbt. Aber mich fragt ja keiner. Herzlichst Ihr Hans Neumayer