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Beim Biogas müssen Sie jetzt schärfer rechnen

Lesezeit: 9 Minuten

Seit August 2004 läuft der Biogas- Boom regelrecht heiß. Dafür sorgt das geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es hat in den letzten Monaten zu einem regelrechten Investitionsschub beim Biogas geführt. Schon jetzt zeigt sich aber, dass die im Jahre 2004 berechneten hohen Renditen zukünftig nicht mehr realisierbar sein werden. Welche Ursachen dies hat, und wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Biogas künftig darstellen, haben wir am Beispiel einer 160 kW-NawaRo- Anlage durchgerechnet, die pro Jahr ca. 1 222 000 kWh Strom liefert. Basisvergütungen sinken! Nach dem neuen EEG ist die Basisvergütung degressiv gestaffelt. Nach 2004 verringert sie sich für jedes Jahr, das eine neue Biogasanlage später in Betrieb geht, um jeweils 1,5 %. Damit müssen Neueinsteiger kalkulieren. Beispiel: Für eine 160 kW-Anlage, die 2004 ans Netz gegangen ist, erhalten die Betreiber auf Dauer noch eine Basisvergütung von 10,5 Cent plus 6 Cent NawaRo-Bonus. Für die gleiche Anlage, die 2005 angeschlossen wird, beträgt sie noch 10,3425 Cent plus NawaRo-Bonus. Das ist auf den ersten Blick nicht viel, summiert sich bei einer 160 KW-Anlage jedoch schon zu einer Erlöseinbuße von fast 2 000 E jährlich. Investitionskosten steigen! Die Hersteller von Biogasanlagen freuen sich derzeit über volle Auftragsbücher. Wer sich heute ein Angebot unterbreiten lässt und einen Auftrag unterschreibt, muss froh sein, noch im Herbst 2005 beliefert zu werden. Die Produktionskapazitäten sind voll ausgelastet. Auch die Zulieferer, z. B. der Blockheiz-Kraftwerke (BHKW), kommen auf Grund der hohen Nachfrage nicht mehr nach. Diese Marktlage haben Investoren auch schon 2004 zu spüren bekommen. Lagen Anfang des letzten Jahres die Investitionskosten noch bei rund 3500 E je installierter kW, so mussten Ende 2004 bereits über 4500 E gezahlt werden. Bei 160 kW installierter elektrischer Leistung sind dies Mehrkosten von rund 150 000 E. Förderung speckt ab! Im vergangenen Jahr lief die Investitionsförderung für den Bau neuer Biogasanlagen noch auf vollen Touren. Neben dem klassischen AFP-Programm stellten mehrere Bundesländer u.a. Hessen und NRW beachtliche Gelder über Sonderprogramme zur Verfügung. Das so genannte REN-Programm in Nordrhein- Westfalen förderte z.B. Biogasanlagen im Jahre 2004 noch mit 25 % verlorenem Zuschuss, maximal 150 000 E. Für 2005 wurden angesichts der leeren öffentlichen Kassen die Mittel erheblich gekürzt. So beträgt die REN-Förderung in NRW jetzt nur noch 15 %, maximal 90 000 E je Anlage. Faulschlämme belasten die viehintensiven Regionen Damit wird deutlich: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für neue Biogasanlagen haben sich innerhalb weniger Monate deutlich verschlechtert. Doch damit nicht genug: Inzwischen zeigen sich auch weitere Kehrseiten des Biogas- Booms, von denen vor allem die viehintensiven Regionen betroffen sind. Der NawaRo-Bonus macht den Einsatz von Silomais als Substrat hoch rentabel. Die Kaufpreise für Mais ziehen an, ebenso die Pachtpreise für Ackerflächen. Und zwar teilweise in einem Ausmaß, mit dem Viehhalter wirtschaftlich nicht mehr mithalten können. Zudem fallen diese Flächen für die Gülleausbringung aus, da sie ja das vergorene Substrat wieder aufnehmen müssen, das kaum weniger Stickstoff und Phosphat enthält als das Erntegut. Betriebe, die mit einer Biogasanlage die Aufnahmekapazität ihrer eigenen Flächen überschreiten, stehen vor einem weiteren Problem: Die nachwachsenden Rohstoffe, wie z. B. Silomais, haben deutlich niedrigere Phosphat-Gehalte als die Schweinegülle. Deshalb ist insgesamt der Nährstoffgehalt je m3 im Faulschlamm geringer. Um einem qualifizierten Flächennachweis gerecht zu werden, muss mindestens 20 % mehr Masse exportiert werden als bei reiner Gülle. Bei Transportkosten von rund 6 E/m3 belastet dies die Rentabilität von Biogasanlagen in den Veredlungsregionen erheblich! Verpflichtung zum Rückbau Ein weiterer Faktor, der die Rentabilität einer Biogasanlage drückt, ist die Verpflichtung zum Rückbau nach Ende der Nutzung. In manchen Regionen werden Baugenehmigungen zunehmend mit einer solchen Rückbauverpflichtung verknüpft. Diese besagt, dass der Bauherr die Anlage nach dem endgültigen Ende der Nutzung auf eigene Kosten wieder beseitigen muss. Ein Stallgebäude kann praktisch immer wieder renoviert oder umgewidmet werden. Das ist bei einer Biogas-Anlage nicht der Fall. Hier ist nicht auszuschließen, dass nach Ablauf der 20-Jahresfrist des EEG zumindest ein teilweiser Abbruch notwendig wird. Hierfür müssen Rücklagen kalkuliert werden. In unserem Beispiel wurden diese pauschal mit 2 000 E/Jahr angesetzt. Zweistellige Renditen sind vorbei Alle diese Punkte zwingen dazu, die Rentabilität neuer Biogasanlagen erheblich kritischer durchzurechnen. Unsere Übersicht 1 zeigt die Kalkulation für eine 160 kW-Biogasanlage, die 2005 in Betrieb genommen wird. Sie ergibt eine Kapitalrendite von knapp 8 %. Das ist zwar nicht schlecht, aber weit entfernt von den zweistelligen Renditen, mit denen noch Anfang 2004 in vielen Fällen kalkuliert wurde. Diese gehören der Vergangenheit an. Eine Kapitalrendite von knapp 8 % setzt in unserem Beispiel außerdem eine Investitionsförderung von 90 000 E (verlorener Zuschuss) voraus. Ohne Investitionsförderung dies ist in mehreren Bundesländern bereits der Fall sinkt die Kapitalrendite bei sonst gleichen Annahmen auf unter 5 %. Sie läge damit schon unter dem Fremdkapitalzins! Wesentlich besser rechnen sich neue Biogasanlagen für flächenstarke Betriebe. Für die durchkalkulierte 160 kW-Anlage werden 190 ha LF benötigt, um den gesamten Faulschlamm unterbringen zu können. Oder man gewinnt andere Ackerbaubetriebe als Partner, die bereit sind, den Faulschlamm unter Erstattung der Transport- und Ausbringungskosten zu übernehmen. Entfallen die Entsorgungskosten, die wir in Übersicht 1 unterstellt haben, so erhöht sich die Kapitalrendite von 7,9 % auf 11,1 %. Ohne Investitionsförderung wären aber auch in diesem Fall nur knapp 8 % Rendite drin. Fazit: Selbst auf Ackerbaustandorten bestehen derzeit keine rosaroten Aussichten mehr für die Rendite von Biogasanlagen. Dies ist zugegeben in anderen landwirtschaftlichen Produktionsbereichen auch nicht viel anders. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass sich auch beim Biogas die Schere schnell zu schließen beginnt. Nur wer seine Biogasanlage mit optimaler Ausbeutung und günstigen Kosten fahren kann, wird künftig noch eine akzeptable Rendite erwirtschaften. Inflation nicht vergessen! Leider müssen wir noch einen weiteren Schuss Wasser in den Wein gießen. Denn in den meisten Biogas-Kalkulationen wird bisher ein wichtiger Faktor schlichtweg vergessen: Die Inflationsrate. Anders gesagt: Es geht um die Frage, ob die 20-jährige Erlösfestschreibung für die Stromlieferung über das EEG als Segen oder als Fluch bezeichnet werden muss. Tatsache ist, dass die Stromerlöse für die Laufzeit von 20 Jahren nominal festgeschrieben sind. Höhere Umsätze lassen sich also künftig nicht durch bessere Preise, sondern nur durch Produktivitätssteigerungen in der Gasausbeute erzielen. Dies ist aber oft nur mit Kofermenten möglich, deren Einsatz den Verzicht auf den Nawa- Ro-Bonus bedeuten würde. Wichtiger noch: Die Kosten für den Betrieb der Anlage werden mit Sicherheit nicht 20 Jahre lang konstant bleiben. Dies betrifft vor allem die laufenden Wartungsund Unterhaltskosten. Diese werden sich gemäß der jeweiligen Inflationsrate von Jahr zu Jahr erhöhen. Außerdem müssen Teile der Anlage vor Ablauf der 20-Jahresfrist erneuert werden. So liegt die Nutzungsdauer der technischen Anlagen und des BHKW-Generators bei ca. 10 Jahren, die des BHKW-Motors sogar nur bei 5 Jahren, was einer Laufzeit von insgesamt 40 000 Stunden entspricht. Zum Vergleich: Der gleiche Motor im Lkw kommt bei 1 Mio. km Laufleistung auf rund 16 000 Stunden. Wenn diese Anlagegüter in fünf, zehn oder 15 Jahren ausgetauscht werden müssen, werden sie im Preis weiter gestiegen sein. Die Folge: Zu den Ersatz-Zeitpunkten entstehen erhebliche Kostensprünge. Unser Übersicht 2 zeigt, wie sich die Einrechnung der Inflationsrate auf den jährlichen Geldüberschuss der 160 kWAnlage auswirkt. Dabei sind wir von folgenden Annahmen ausgegangen: ? Die Unterhalts- und Wartungskosten erhöhen sich um 1,5 % pro Jahr, ebenso die Kosten der Wiederbeschaffung für den BHKW-Motor und die übrigen technischen Anlagen. Das ist ein sehr moderater Ansatz. Wir haben auch schon Zeiten mit 4 5 % Inflation und mehr erlebt. ? Die zur Fremdfinanzierung aufgenommenen Darlehen entsprechen in ihrer Laufzeit der Nutzungsdauer der jeweils mit ihnen finanzierten Anlagegüter. ? Die in 2005 abgeschlossenen Annuitätendarlehen haben einen Zinssatz von 5,75 %, die der Folgejahre müssen mit 6 % verzinst werden. ? Die Substratkosten haben wir nicht dynamisiert, also ohne Inflation gerechnet. Hier ist unterstellt, dass dies durch entsprechende Produktivitätsteigerungen im Ackerbau aufgefangen werden kann. Das Ergebnis dieser Berechnung, die praktisch einen Liquiditätsplan darstellt, ist ernüchternd. Selbst bei moderater Inflationsrate verringert sich der erzielte Geldüberschuss von Jahr zu Jahr. Besonders sprunghaft nimmt er in den Jahren ab, in denen größere Ersatzinvestitionen erforderlich sind. Dies ist z. B. im 11. Jahr der Fall, in dem technische Anlagen, der BHKW-Generator und der BHKW-Motor gleichzeitig ersetzt werden müssen. Im Durchschnitt aller 20 Jahre beläuft sich der Geldüberschuss auf rund 12600 E pro Jahr. Das hört sich besser an als es ist. Denn der Geldüberschuss sollte eigentlich ausreichen, um mindestens das eingesetzte Eigenkapital (30 000 E) mit 3,5 % zu verzinsen, die geleistete Arbeit mit 15 E/h zu entlohnen und die Rückbau-Rücklage von 2 000 E pro Jahr zu bilden. Dafür müsste der Geldüberschuss im Schnitt der Jahre aber mehr als 16 000 E betragen und das noch ohne Inflation gerechnet! Es wird also eng, besonders in den letzten Jahren der 20-jährigen Betriebszeit. Zwar könnte der Landwirt, soweit er die Arbeiten in der Biogasanlage selbst erledigt, dann theoretisch auf einen Teil seines Lohnanspruchs verzichten. Wird jedoch ein Mitarbeiter beschäftigt, sieht die Rechnung noch schlechter aus. Die Lohnkosten senken den Geldüberschuss weiter, sind ebenfalls zu inflationieren und führen dazu, dass der Betrieb der Anlage in den letzten Jahren nur noch durch Kapitalzufluss von außen aufrecht erhalten werden könnte. Das gleiche gilt, wenn die kalkulierte 160 kW-Anlage im Jahr 2005 ohne den Investitionszuschuss von 90 000 E gebaut werden müsste. Dann würde der durchschnittliche Geldüberschuss von 12 600 E auf 4 900 E/Jahr sinken. Ab dem 12. Jahr wäre der Saldo sogar negativ die Liquidität müsste vom restlichen Betrieb gesichert werden. Wir halten fest Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Bau neuer Biogasanlagen haben sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Dies gilt vor allem für viehintensive Regionen und die Einschränkung bzw. den Wegfall der staatlichen Investitionsförderung. Welche Folgen der Biogas-Boom in einigen Regionen schon für den Pachtmarkt hat und wie wichtig es ist, bei den Pachtpreisen auf dem Teppich zu bleiben, zeigt der folgende Beitrag.

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