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Berufsschule und Berichtsheft in der Kritik

Lesezeit: 7 Minuten

Ausbildungsbarometer, Teil 2


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Die Berufsschule muss praxisnäher und das Berichtsheft moderner werden, fordern Azubis und Ausbilder in der top agrar-Ausbildungsumfrage. Dafür haben sie konkrete Vorschläge.


Einige Schüler haben den Unterricht gestört, Lehrer sind ständig vom Stoff abgeschweift und statt Unterricht in Tierproduktion gab es Vorbereitungen für außerschulische Veranstaltungen“, ärgert sich Marc Ellertmann (20). Der Auszubildende aus Ascheberg in Westfalen war so unzufrieden, dass er die Berufsschule gewechselt hat. „An der neuen Schule ist es jetzt deutlich besser“, sagt Ellertmann.


Mit seiner Kritik an der Berufsschule steht der Azubi nicht allein. In der top agrar-Umfrage benoten die Lehrlinge die Berufsschule mit 2,7 und damit schlechter als die Ausbildung auf den Höfen. Mit der Note 2,9 beurteilen die Azubis im Norden den Unterricht besonders kritisch. Die Berufsschulen in den neuen Bundesländern (2,5) und in Süddeutschland (2,6) schneiden dafür besser ab als der Durchschnitt.


„Zu wenig Praxisbezug“


Häufiger Kritikpunkt ist der mangelnde Praxisbezug. So meinen 72 % der Lehrlinge, der Untericht sei nur teilweise oder gar nicht praxisnah. Als Ursache sehen sie die mangelnde Qualifikation mancher Lehrer. „Deren Praxiserfahrungen liegen so lange zurück, dass ihnen der Bezug zur Realität fehlt“, kritisiert etwa ein Azubi. Ein anderer Lehrling drückt es drastischer aus: „Alte Lehrer versuchen mit Methoden aus der Steinzeit uns auf die Zukunft vorzubereiten.“


Die Lehrmethoden sind aus Sicht der Lehrlinge das größte Manko der Berufsschule. 79 % der Azubis bescheinigen dem Unterricht einen Mangel an Lebendigkeit. „Man könnte theoretische Inhalte durch Feldexperimente ergänzen“, schlägt ein Azubi vor. Ein anderer empfiehlt, mehr Praktiker in den Unterricht zu integrieren. Auch die Lehrmaterialien halten einige Schüler für veraltet.


Oftmals sind auch strukturelle Probleme die Ursache für Mängel. So spielt der Fachbereich Landwirtschaft an vielen Berufsschulen nur noch eine Nebenrolle. Unterrichtsausfälle werden nicht kompensiert, weil keine Ersatzkräfte vorhanden sind. Zum Teil sind Lehrer auch gar nicht in den Fächern ausgebildet, die sie unterrichten.


An einer bayerischen Berufsschule ist das Schattendasein, das der Fachbereich Agrar dort fristet, wörtlich zu nehmen: Der Unterricht für die Landwirtschaftsschüler findet im Keller statt, obwohl dies gar nicht zulässig ist.


Die Umfrage macht jedoch auch deutlich, dass man die Lehrer an den landwirtschaftlichen Berufsschulen nicht über einen Kamm scheren darf. Die Azubis weisen auf „große Qualitätsunterschiede zwischen den Lehrern“ hin. Viele von ihnen seien fachlich sehr gut qualifiziert und hochmotiviert.


Auch positive Beispiele


Auch die Unzufriedenheit mit der Berufsschule ist nicht flächendeckend. „Der Unterricht ist weder veraltet noch zu theo­retisch“, urteilt z. B. Robert Stach (18) aus Friedrichsruhe in Mecklenburg-Vorpommern. Er geht gerne in die Schule in Güstrow, wo er neben der Qualifikation zum Landwirt auch die Fachhochschulreife erwerben will.


Manche Kritik zielt auch nicht auf die Lehrer oder die Schulen direkt, sondern auf die Lehrpläne. Der am häufigsten genannte Punkt: Bestimmte Betriebszweige oder Produktionsrichtungen, z. B. die Biogaserzeugung oder die Geflügelhaltung, sind nur Randthemen. Zudem wünschen sich viele Schüler mehr betriebswirtschaftliche Inhalte im Unterricht.


Einige Azubis und Ausbilder regen die Gründung von Schwerpunktschulen an, damit sich Azubis bei Bedarf stärker auf den Betriebszweig Rind oder Schwein spezialisieren können. Allerdings spricht sich eine Mehrheit der Auszubildenden (66 %) und der Ausbilder (60 %) gegen eine frühe Spezialisierung und für einen breiten, alle Betriebszweige abdeckenden Unterricht aus.


Schwerpunkte bilden


Ein Kompromiss könnte der in Bayern praktizierte Weg sein, Schwerpunkte in Ackerbau- und Grünlandregionen zu bilden. Der Lehrplan erlaubt, die Anzahl der Unterrichtsstunden für Rinderzucht und -haltung in der Grünlandregion auf 90 Stunden zu erhöhen, während in der Ackerbauregion dafür nur 55 Stunden vorgesehen sind. Etliche Schulen machen davon Gebrauch.


Viele Klagen kommen von Azubis, die während ihrer Ausbildung das Bundesland gewechselt haben. Das Problem: Die Lehrpläne der Länder sind nicht aufeinander abgestimmt. Einen Teil des Stoffes hören sie doppelt, andere Unterrichtsinhalte verpassen sie dafür komplett.


Harmonisierungsbedarf gibt es auch bei den überbetrieblichen Lehrgängen, von denen jeweils drei Wochen Landtechnik und drei Wochen Tierhaltung vorgeschrieben sind. Das Problem: Die Bundesländer bieten die Lehrgänge zum Teil in unterschiedlichen Ausbildungsjahren an.


Im allgemeinen schneidet die überbetriebliche Ausbildung aber gut ab. Die Azubis benoten die Techniklehrgänge mit 2,1 und die Tierhaltungslehrgänge sogar mit 1,9. Dass rund 80 % der Lehrlinge für diese Lehrgänge eine 1 oder 2 vergeben, hat sicher viel mit deren Praxisnähe zu tun. Es ist aber auch als Hinweis darauf zu werten, dass die Konzepte für die Lehrgänge stimmen und die Lehrkräfte kompetent sind.


Aufreger Berichtsheft


Änderungsbedarf sieht die Mehrzahl der Azubis bei den Berichtsheften. Unsere Umfrage zeigt: Dieses Thema ist ein ähnlicher Aufreger wie die Berufsschule. Nur 38 % der Lehrlinge halten das Berichtsheft für zeitgemäß. 41 % sind dafür, es zu überarbeiten. Und 21 % der Azubis würden es sogar am liebsten ersatzlos abschaffen.


Die Kritik der befragten Auszubildenden betrifft alle drei Teile des Berichtsheftes. So sehen viele Lehrlinge das Schreiben von ausführlichen Tages- und Wochenberichten als wenig sinnvoll an. „Das ist stupide, weil sich viele Arbeiten wiederholen“, so der Kommentar eines Auszubildenden.


Etliche der befragten Lehrlinge plädieren dafür, den Umfang der Tages- und Wochenberichte in Teil I zu beschränken. Stattdessen sollte man Schwerpunkte setzen und – wie bei Erfahrungsberichten –bestimmte Arbeiten im Betrieb detaillierter darstellen.


Ganz entfallen können die Tages- und Wochenberichte jedoch nicht, weil das Berichtsheft als Ausbildungsnachweis gilt. Dieser ist laut Gesetz Voraussetzung für die Abschlussprüfung. Martin Lambers, Bildungsreferent des Deutschen Bauernverbandes, empfiehlt deshalb, die Mindestanforderungen bei den Tages- und Wochenberichten zu erfüllen. „Wichtiger für die Qualität der Ausbildung sind jedoch die Erfahrungsberichte und die Betriebsbeschreibung“, so Lambers.


Die Leittexte in Teil II des Berichtsheftes halten etliche Azubis ebenfalls für verbesserungswürdig. Sie meinen, einige Texte seien nicht mehr aktuell, zuwenig praxisnah und zu lang.


Auch die Betriebsbeschreibung (Teil III) ist aus Sicht mancher Lehrlinge zu ausführlich. Andererseits wird bemängelt, dass sie nur Vordrucke für einen Lehrbetrieb enthält. Auch für neue Betriebszweige wie Biogas fehlen Formblätter. Kritik gibt es zudem an den zu kleinen Ackerschlagkarteien und an den Rationsplänen, die von Hand zu berechnen sind. Hier verwenden viele Azubis Vorlagen von Beratungsorganisationen.


Warum kein digitales Berichtsheft?


Viele Azubis fragen sich, warum sie das Berichtsheft nicht digital führen können. „Wir hatten schon einmal einen Versuch mit einem digitalen Berichtsheft, aber der ist fehlgeschlagen“, erklärt Richard Didam, Referent für Aus- und Fortbildung an der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und bundesweit zuständig für die Redaktion des Berichtsheftes. Probleme gab es vor allem mit der Technik und dem Kopierschutz, den einige Schüler schnell knackten.


Abgesehen von illegalen Raubkopien sehen Berater die große Gefahr, dass die Lehrlinge nur noch Dateien von früheren Azubis kopieren und sich kaum noch etwas selbst erarbeiten.


Andererseits akzeptieren es die meisten Ausbildungsberater, wenn Lehrlinge in der jetzigen Version des Berichtsheftes Wochen- und Erfahrungsberichte auf Word-Dokumenten schreiben, die Ausdrucke vom Ausbilder unterzeichnen lassen und ins Berichtsheft einordnen.


Die kritische Haltung gegenüber dem Berichtsheft liegt nicht nur an dessen Form und Inhalt. Manchen Lehrlingen wird in ihren Ausbildungsbetrieben oftmals nicht die Zeit für das Führen der Hefte eingeräumt. „Bei 50 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche fehlt einfach die Motivation, noch ein ausführliches Berichtsheft zu schreiben“, gibt ein Azubi zu bedenken.


„Zumindest in Zeiten mit weniger Arbeitsdruck sollten die Lehrlinge auch einmal während des Tages schreiben können“, fordert Ausbildungsberater Didam. „Noch besser wäre es, wenn der Chef seinen Auszubildenden beim Führen des Berichtsheftes zur Seite steht.“


Für Ausbilder Markus Gmelch (30) aus Auerbach in der Oberpfalz ist das selbstverständlich. Er räumt seinen Lehrlingen ausreichend Zeit ein, das Heft gründlich zu führen, und betreut sie dabei auch. „Mir liegt das ordentliche Führen des Berichtsheftes sehr am Herzen, weil die Azubis dabei lernen, die Abläufe im Betrieb zu dokumentieren“, so Gmelch. „Später als Betriebsleiter müssen sie das beherrschen.“ Klaus Dorsch,


Matthias Schulze Steinmann

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