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das Aktuelle Interview - „Wie wollen wir in Zukunft mit unseren Nutztieren umgehen?“

Lesezeit: 4 Minuten

Politik, Berufsstand und Wirtschaft haben keine gemeinsame Nutztierstrategie. So bleiben Lösungsansätze Stückwerk und die Kritik der ­Verbraucher bestehen, befürchtet Prof. Dr. Folkhard Isermeyer.


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Die Forscher entwickeln eine Nutztierstrategie, die Branche ruft die Initiative Tierwohl ins Leben und die Politik macht Tierschutzpläne. Wie passt das alles zusammen?


Isermeyer: Der gemeinsame Nenner lautet: In der Nutztierhaltung muss sich einiges ändern. Verschiedene Akteure sind allerdings mit unterschiedlichen Motiven unterwegs. Meine Sorge ist, dass wir mit den unkoordinierten Aktivitäten letztlich das Ziel verfehlen, für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung zu sorgen.


Warum ist ein Wettbewerb um die besten Konzepte beim Thema Nutztierhaltung von Nachteil?


Isermeyer: Wettbewerb ist sinnvoll, wenn es um neue technologische Lösungen geht, etwa zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei. In der aktuellen Nutztierdebatte müssen wir aber einen ganzen Wirtschaftssektor schrittweise an veränderte gesellschaftliche Wünsche anpassen. Da droht Stückwerk, wenn sich verschiedene Akteure mit halbgaren Konzepten an die Praxis wenden. Nehmen Sie das Beispiel Schwanzkupieren. Gut möglich, dass es 2015 zwei parallele Prämiensysteme für Ringelschwänze gibt, eines über die Brancheninitiative Tierwohl und eines über einzelne Bundesländer. Das wirft viele Fragen auf: Kommen dann zwei verschiedene Kontrolleure auf den Betrieb, jeder mit einer unterschiedlichen Definition, was ein unversehrter Ringelschwanz ist? Gibt es die Prämie dann doppelt? Muss das ganze Konzept nicht erst einmal in einigen hundert Betrieben in der Praxis erprobt werden?


Was fehlt Ihnen bei den laufenden Aktivitäten?


Isermeyer: Erstens die Verzahnung untereinander. Es wäre doch naheliegend, den Tierschutzplan Niedersachsen bundesweit auszurollen und nicht in jedem Land das Rad neu zu erfinden. Warum gibt es keine länderübergreifend abgestimmten Forschung-Praxis-Verbünde? Die wurden von der Forschung schon vor zwei Jahren vorgeschlagen, und doch kocht nun wieder jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Das zweite große Defizit ist die Strukturfrage. Wenn wir versuchen, das Reizthema „Massentierhaltung“ auszublenden, laufen wir Gefahr, am Kern der gesellschaftlichen Debatte vorbei zu agieren.


Wie kommt die Agrarbranche wieder in die Offensive?


Isermeyer: Beeindruckend finde ich die vielen Aktivitäten einzelner Landwirte vor Ort. Das ist mühsam, aber glaubwürdig und nachhaltig. Dennoch wird das aber vermutlich nicht ausreichen, um auch in Metropolen und Massenmedien gehört zu werden. Hier hat der Agrarsektor die Deutungshoheit verloren. Da reicht es nicht, die Kritik an der Massentierhaltung für abwegig zu erklären und zu fordern, die Gesellschaft solle die Zukunft unserer Nutztierhaltung den Experten überlassen. Wir benötigen einen nationalen Dialog zur Frage: Wie wollen wir in Zukunft mit unseren Nutztieren umgehen? Wenn wir die Menschen ehrlich einbeziehen und ihnen die Konsequenzen ihres Handelns aufzeigen, lassen sich durchaus vernünftige Wege in die Zukunft finden.


Was müssen wir dafür tun?


Isermeyer: Erstens muss der Prozess überparteilich und langfristig organisiert werden. Zweitens brauchen wir ein konkretes Zukunftsbild für unsere Nutztierhaltung, das sich gut kommunizieren lässt und gesellschaftliche Akzeptanz findet. Und drittens müssen Bund, Länder und Wirtschaft gemeinsam und konsequent auf Etappenziele hinarbeiten, die sich schlüssig in die Gemeinschaftsstrategie einfügen. Von all dem sind wir derzeit weit entfernt, auch weil jeder mit seiner eigenen Strategie losgelaufen ist.


Wer muss an der Diskussion beteiligt werden?


Isermeyer: Alle, v. a. die Umwelt- und Tierschutzorganisationen, sofern sie kooperationsbereit und nicht grundsätzlich gegen Nutztierhaltung sind.


Kann der von Minister Schmidt einberufene „Kompetenzkreis Tierwohl“ solche Strategien entwickeln?


Isermeyer: Bezüglich aktueller Tierschutzthemen wie z. B. Schwanzkupieren oder Stalltechnik-TÜV glaube ich schon, das der Kreis in der Lage ist, Empfehlungen zu erarbeiten, die Wirkung entfalten. Ob sich das Gremium auch an die genannten Grundsatzfragen zur Zukunft der Nutztierhaltung heranwagt, bleibt abzuwarten.


Wie würden Sie das Thema inhaltlich und organisatorisch angehen?


Isermeyer: Solange in Politik und Wirtschaft nicht die Einsicht wächst, dass wir eine nationale Strategie zur Zukunft der Nutztierhaltung brauchen, ist es müßig, an einer möglichen Ausgestaltung zu arbeiten.


Was droht uns, wenn wir so weitermachen wie bisher?


Isermeyer: Eine Fortsetzung des Dauerstreits mit den ewig gleichen Fronten und Argumenten. Früher oder später wird die heimische Produktion sinken. Dann steigt der Anteil importierter Lebensmittel, ohne dass es die Verbraucher nennenswert bekümmert. Viele Landwirte werden dann noch mehr auf die Verbraucher schimpfen, aber wirklich helfen tut das nicht.-sp-

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