Entwicklungshilfegruppen, Verbraucherschützer, Landwirte und auch Politiker bis hin zum Bundespräsidenten irren, wenn sie glauben, dass es ohne Spekulation mit Agrarrohstoffen weniger Hunger auf der Welt gäbe. Das Gegenteil ist der Fall.
Seit der historischen Umstellung von der Selbstversorgung auf den Handel mit Lebensmitteln haben Landwirte ein grundlegendes Problem: Sie wissen nicht, was sie morgen für ihr Getreide oder ihre Milch bekommen. Diese Unsicherheit erschwert die Kalkulation und belastet viele Bauern.
Terminmärkte können Landwirte von dieser Last befreien. Sie sind eigentlich nichts anderes als eine besondere Form der Versicherung: Landwirte agieren hier als Versicherungsnehmer, die sich gegen Preisschwankungen absichern wollen. Ihnen stehen Versicherungsgeber gegenüber, die fälschlicherweise als „böse Spekulanten“ bezeichnet werden. Diese spezialisieren sich darauf, Risiken zu übernehmen, die ihre Vertragspartner, die Landwirte, nicht selbst schultern wollen. Das geht nicht zum Nulltrarif.
Wer seine Erntemenge gegen Preisänderungsrisiken absichern will, erhält auf dem Terminmarkt eine Festpreisgarantie und zahlt dafür eine Art Versicherungsprämie. Das ist nichts anderes als der Frühbucherrabatt, den Reiseunternehmen ihren Kunden gewähren, um sich gegen das Risiko von Leerständen abzusichern. Ist das verwerflich?
Besonders kritisch wird es gesehen, wenn Banken und Versicherungen über Indexfonds als „Spekulanten“ auftreten. Ihre Terminmarktgeschäfte seien für die starken Agrarpreissteigerungen der letzten Jahre verantwortlich, heißt es. In der Öffentlichkeit werden sie als „Hungermacher“ und „Spekulanten des Todes“ beschimpft. Wissenschaftlich belegen lässt sich das nicht. Die öffentliche Aufregung beruht auf einem falschen Alarm.
Die Finanzinvestoren erfüllen eine wichtige volkswirtschaftliche Solidar-Aufgabe. Sie versorgen die Terminmärkte mit Geld. Nur wenn die Agrarbörsen liquide sind, finden die Landwirte einen Vertragspartner, der ihnen das Preisrisiko abnimmt. Ohne Indexfonds würden die Terminmärkte also nicht besser, sondern schlechter funktionieren.
Nur wenn die Landwirte sicher sein können, dass sie ihre Produkte zu kostendeckenden Preisen absetzen können, werden sie auch produzieren. Terminmärkte sind dafür ein wichtiges Instrument. Denn am Ende gibt es im Kampf gegen den Hunger in der Welt nur eine Lösung: Wir müssen das Nahrungsangebot nachhaltig steigern.
Prof. Dr. Ingo Pies, Lehrstuhl für Wirtschaftsethik, Universität Halle