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„Der DBV liegt mit seiner Kritik daneben“

Lesezeit: 5 Minuten

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zur Zukunft der EU-Agrarpolitik ist von Berufstand und Agrarpolitikern heftig kritisiert worden. top agrar sprach mit dem Vorsitzenden des Beirats, Prof. Folkhard Isermeyer, Präsident des Johann-Heinrich-von-Thünen-Institutes in Braunschweig.


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top agrar: Der Bauernverband spricht davon, dass sich der Beirat gegen eine gestalterische Agrarpolitik sperrt. Hat Sie die Deutlichkeit der Kritik überrascht?


Isermeyer: Die Kritik des Bauernverbands war zu erwarten, schließlich geht es um fast 6 Mrd. € pro Jahr. Allerdings liegt der DBV mit seiner Behauptung, der Beirat sperre sich gegen eine gestalterische Agrarpolitik, völlig daneben. Wir sprechen uns doch gerade dafür aus, zielorientierter vorzugehen und die bisherige „Gieß­kannen-Förderung“ zurückzufahren.


Von den Agrar­politikern gab es kritische Stimmen, aber auch viel Anerkennung. Offiziell hält man sich verständlicherweise zurück. Bund und Länder haben sich frühzeitig darauf verständigt, die EU-Agrarpolitik nach 2013 möglichst wenig zu verändern, und da wollen alle auf Linie bleiben.


top agrar: Ist das Gutachten überhaupt richtig verstanden worden? Geht es Ihnen wirklich um den Abbau der finanziellen Mittel?


Isermeyer: Eindeutig nein! In unserem Gutachten schlagen wir doch keinen ersatzlosen Abbau, sondern einen Umbau der Agrarpolitik vor. Man kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sagen, dass derzeit zu viele Mittel in die EU-Agrarpolitik fließen. Im Gegenteil: Wir haben deutlich gemacht, dass angesichts der Probleme möglicherweise noch mehr Mittel als bisher benötigt werden. Also: Öffentliche Mittel ja, aber bitte für zielgerichtete Maßnahmen.


top agrar: Die Forderung, die Direktzahlungen zu kürzen, löst im Berufsstand große Ängste aus, weil gegenwärtig bis zu 70 % der Einkommen aus den Flächenprämien stammen. Drohen bei einem Abbau der Direktzahlungen Strukturbrüche?


Isermeyer: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Strukturwandel trotz der Milliarden-Zahlungen schnell voranschreitet. Er wird getrieben vom technischen Fortschritt und vom Wettbewerb zwischen den Landwirten. Höhere Zahlungen würden zu höheren Pachtpreisen führen. Bei geringeren Zahlungen ist es umgekehrt. In beiden Fällen geht der Strukturwandel weiter.


Wenn allerdings die Direktzahlungen von heute auf morgen entfallen würden, könnte es kurzfristig durchaus Liquiditätsprobleme in den Betrieben geben. Deshalb empfehlen wir, schrittweise vorzugehen.


top agrar: Viele Kritiker – auch top agrar – bemängeln, dass der Beirat in seinem Gutachten für die geforderte neue EU-Agrarpolitik keinen Bauplan geliefert hat. Eine berechtigte Kritik?


Isermeyer: Wir haben Punkt für Punkt gezeigt, dass die derzeitige Politik nicht geeignet ist, z. B. die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft nachhaltig zu verbessern oder ländliche Problemregionen nach vorne zu bringen. Also muss man sich vier zentrale Fragen stellen: Welche Ziele verfolgen wir mit der EU-Agrarpolitik? Mit welchen Instrumenten können wir diese erreichen? Welche Ebene (EU, Mitgliedstaat oder Region) kann sie am besten umsetzen? Und wie viel Geld brauchen wir dafür? Hierzu haben wir eine Skizze entworfen, über die man diskutieren kann. Wer das nicht will und sagt, erst einmal müsse ein perfekter Bauplan her, trägt nicht zur Lösung der Probleme bei.


top agrar: Haben Kommission und Mitgliedstaaten überhaupt die gestalterische Kraft, bis 2020 eine neue EU-Agrarpolitik zu entwerfen?


Isermeyer: Politik ist immer die Kunst des Möglichen, und einige Künstler sind begabter als andere. Die EU-Kommission hat es in den letzten 20 Jahren trotz aller Wider­stände geschafft, einen grundlegenden Wandel der EU-Agrarpolitik zu gestalten. Und zwar durchaus erfolgreich. Viele hatten das für unmöglich gehalten.


Nun stehen wir erneut an einem Punkt, an dem grundlegende Weichenstellungen erforderlich werden. Bis 2013 ist das illusorisch, weil fundamentale Veränderungen im Politiksystem der EU-27 einfach mehr Zeit brauchen. Deshalb empfehlen wir der Politik, parallel zu dem absehbaren „Reförmchen 2013“ schon jetzt die EU-Kommission zu beauftragen, bis zur Mitte des Jahrzehnts ein Konzept für eine große Reform auszuarbeiten, die dann spätestens 2020 greifen könnte.


top agrar: Agrarkommissar Dacian Ciolos will im Herbst seine Eckpunkte für die EU-Agrarpolitik nach 2013 vorlegen. Was würden Sie tun, wenn Sie auf dem Stuhl des Kommissars säßen?


Isermeyer: Der Kommissar steckt in einer Zwickmühle. Das alte Direktzahlungssystem wird sich künftig immer schlechter begründen lassen. Wenn er es „nur“ verteidigt, riskiert er, einen erheblichen Teil der Agrargelder zu verlieren. Viele wetzen schon ihre Messer, um sich ein Stück vom großen Agrarkuchen abzuschneiden.


Um dies zu verhindern, könnte Ciolos auf die Idee verfallen, zur besseren Rechtfertigung der Zahlungen die Cross Compliance-Auflagen zu verschärfen. Dieser Weg ist nach Auf-fassung des Beirats eine Sack-gasse: Am Ende hätten die Bauern höhere Auflagen und geringere Einkommen zu ver-kraften, ohne dass die gravierenden Probleme im Politik-feld Ernährung, Landwirt-schaft und ländliche Räume wirklich gelöst würden.


Deshalb empfehlen wir den grundlegenden Umbau der Agrarpolitik. Dieser Weg hat auch seine Tücken, ist aber zukunftsfähig, weil er die Probleme an der Wurzel packt.-sp-

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