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„Der Roboter passt zu mir“

Lesezeit: 5 Minuten

Viktor Schill holt mit seiner Familie, zwei Melkrobotern und einem ausgefeilten Management das Beste aus seinen Kühen. Ein Mitarbeiter könnte seinen Ansprüchen nur schwer genügen.


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Es liegt kein Körnchen Staub auf den Gängen des Boxenlaufstalls, durch den uns Viktor Schill stolz führt. Der 46-jährige Milchviehhalter aus Aalen im Osten Baden-Württembergs hat seinen 135 ha-Betrieb 2009 mit dem Neubau ganz auf die Milch ausgerichtet und dabei alles auf das automatisierte Melken ausgelegt.


Statt 7,5 Stunden täglicher Melkarbeit im alten Doppel-5er-Fischgrätenmelkstand übernehmen heute zwei Delaval-Melkroboter im selektiv gelenkten Tierverkehr die Melkarbeit. Der Stallgrundriss ist ganz auf die Technik abgestimmt und entsprechend entworfen worden. Die Tiere gehen vom jederzeit zugänglichen Fressbereich über ein intelligentes Selektionstor. Hier wird entschieden, ob die Kuh zur Melkung ansteht oder in den Liegebereich geleitet wird.


Bei durchschnittlich 2,7 Melkvorgängen pro Tier kommen die beiden Roboter auf rund 400 Einsätze am Tag bei einer Tagesleistung von rund 3 700 kg abgelieferte Milch. In dem Neubau hält die Familie zurzeit 170 Fleckviehkühe plus Nachzucht bei einer Milchleistung von mehr als 8 000 kg/Kuh/Jahr (4 500 kg aus dem Grundfutter). Mittelfristig bietet der Stall Kapazitäten für 200 Tiere. Diese Bestandsgröße erscheint mit der jetzigen Technik als ambitioniertes, aber machbares Ziel, da nur die verkehrsfähige Milch automatisch gemolken wird.


Alles hängt an allem:

Der Milchprofi hat sich akribisch in die neue Technik eingearbeitet, kennt das System. Täglich überwacht er alle wichtigen Leistungszahlen und Herdenparameter bei seiner halbstündigen Morgenkontrolle am PC. Geht die Milchleistung bei einer Kuh in den Keller, sieht er dies zeitnah, versucht die Ursache auszumachen und leitet Gegenmaßnahmen ein. Entsprechend verlagern sich die Arbeitsabläufe, weg von der klassischen Handarbeit am Tier, hin zu mehr Kontroll- und Auswertungsaufgaben am Rechner. Schill bekommt einen genaueren Einblick in seine Herde und gewinnt zeitliche Flexibilität. Dafür werden viele Aufgaben komplizierter. „Alles hängt viel mehr zusammen“, bringt es der Landwirt auf den Punkt. Für ihn zählen Kostenkontrolle und gute Leistungen mehr als schlanke Strukturen und einfache Abläufe.


Viktor Schill hat mit seinen Söhnen zwar eine gute Vertretung für den Urlaub oder den Krankheitsfall, im Normalbetrieb bleibt die Überwachung von Herde und Technik aber Chefsache. Anstatt die Vielzahl der gewonnenen Informationen an einen Mitarbeiter weiterzugeben, liegen sie gebündelt beim Betriebsleiter vor. Dafür hält ihm seine Familie an anderer Stelle den Rücken frei. So zeichnet sich Ehefrau Gisela für die Kälberaufzucht verantwortlich. Kommt es in der Ernte hart auf hart, steigen auch die Töchter auf den Schlepper und helfen beim Festfahren oder den Schwade-Arbeiten.


An die Söhne und den 75-jährigen Betriebssenior ist die sonstige Außenwirtschaft des Betriebes „ausgelagert“, wie es Viktor Schill augenzwinkernd verrät. Für 4 Grünlandschnitte und die Arbeiten im Ackerbau (60 ha mit Mais und Weizen) kommen die Schills auf einen Arbeitszeitbedarf von rund 1 600 Stunden pro Jahr. Jeweils ca. 700 Stunden summieren sich hinzu durch die Futtervorlage für den Gesamtbestand, die Kälberaufzucht und die restlichen Arbeiten im Milchviehbereich (Liegeboxenpflege, Herdenmanagement und die Betreuung am PC).


Mitarbeiter oder Melkroboter?

Die Einstellung eines Mitarbeiters ist für Viktor Schill keine ernsthafte Option. „Ich bin einfach nicht der Typ, der gerne einen Mitarbeiter beschäftigt“, spricht es Viktor Schill offen aus. Sollte es einmal arbeitswirtschaftlich eng werden, würden er und seine Familie eher Arbeiten im Außenbereich abgeben und sich noch weiter auf das Kerngeschäft konzentrieren. „Für uns als Familienbetrieb ist die automatische Technik ideal“, ist Viktor Schill überzeugt, „zumal hier im Raum Stuttgart gute Leute gefragt und teuer sind.“


Das findet auch Dr. Ralf Over nachvollziehbar. Er ist zuständig für den Bereich Ökonomik Tierischer Erzeugung an der LEL Schwäbisch-Gmünd, und weist auf die Weichenstellung hin, die der Betrieb mit der Investition in die Roboter-Technik hinter sich gebracht hat: Den Schritt zum Mitarbeiter oder die Investition in den Familienbetrieb mit AMS. „Wir haben viele Betriebe in Baden-Württemberg, die den Schritt von 60 auf 120 bis 150 Kühe machen wollen“, erklärt der Berater, „dafür eignet sich neben dem Melkroboter auch die Investition in effiziente konventionelle Melktechnik.“ Laut Over ermögliche diese den Betrieben ein flexibleres Wachstum. Da auch ungelernte Kräfte schnell die Arbeiten im Melkstand übernehmen könnten, sei auch die Beschäftigung von Teilzeitmitarbeitern mit konventioneller Technik deutlich besser vereinbar.


Aus wirtschaftlicher Sicht liegen seiner Erfahrung nach sowohl die Investition in Melkroboter als auch der Schritt zum Mitarbeiter eng beieinander. „Die Unterschiede in der Rentabilität sind zwischen beiden Varianten gering“, so Over. „Entscheidend für die Rentabilität sind letztlich nicht die Technik, sondern gute Leistungen und geringe Produktionskosten je kg Milch.“


Die Liquidität falle bedingt durch die hohen Investitionskosten für das AMS zunächst niedriger aus, steige nach einigen Betriebsjahren aber entsprechend stärker an. Als weitere Variante verweist Over auf die Möglichkeit der Kooperation von Familienbetrieben. Hierfür gäbe es gerade im kleiner strukturierten Baden-Württemberg einige erfolgreiche Beispiele.


Das weiß auch Viktor Schill, der alle drei Varianten für seinen Betrieb abgewogen hat. Er möchte mit seinen Söhnen in den kommenden Jahren das Leistungsniveau seiner Fleckviehherde weiter steigern und die Herde langfristig auf 200 Tiere aufstocken. Sollte es in der Arbeitswirtschaft dann doch mal eng werden – etwa weil der Altenteiler Viktor Schill Senior kürzer treten muss – sind schon erste Lösungen in Sicht. Nach der Automatisierung der Melkarbeiten liebäugeln die Schills inzwischen mit vergleichbaren Lösungen für die Futtervorlage.Matthias Schulze Steinmann

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