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Der Subventions-Verweigerer

Lesezeit: 4 Minuten

Juan-Carlos Allende erweitert die Charaktereigenschaft „eigensinnig“ um eine sympathische Variante: Der Mann ist Subventions-Verweigerer aus Überzeugung.


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Wir treffen den Ackerbauern und Milchviehhalter auf seinem Betrieb in Bulnes, etwa 400 km südlich von Santiago. Die Ackerbauregion ist von 1 000 mm Regen pro Jahr geprägt, der sich allerdings weitgehend auf den chilenischen Winter von Mai bis September konzentriert.


Allende ist ein bekannter Name in Chile: Salvador Allende wandelte das Land in seiner Regierungszeit von 1970 bis 1973 in einen sozialistischen Staat nach kubanischem Vorbild um. Viele große Landwirte wurden enteignet. So auch der Vater von Juan-Carlos. Der Sohn weist sofort darauf hin, dass seine Familie nicht verwandt ist und zu den „guten Allendes“ zählt.


Augusto Pinochet beendete die sozialistische Regierung durch einen Militärputsch. Unter Pinochets Diktatur kam es zu schweren Menschenrechts-Verletzungen. Erst 1988 wurde der General abgesetzt. Bis heute ist die Gesellschaft in Chile in zwei Lager gespalten: Die einen halten den verstorbenen Pinochet für einen Verbrecher, die anderen finden, dass der wirtschaftliche Aufschwung des Landes auf diese Zeit zurückgeht.


Juan-Carlos – der gute Allende – bewirtschaftet heute 800 ha. Der Betrieb ist seit fünf Generationen im Besitz der Familie. Er war früher deutlich größer, doch nach der Enteignung blieben noch 130 ha. Seit dem Ende der Diktatur kauft die Familie Flächen nach und nach zurück. Ein Entschädigungsprogramm existiert nicht. Von staatlichen Subventionen – die es in Chile ohnehin kaum gibt – hält er nichts. Die Regierung sponsert nur Bewässerungsprojekte, die Höhe des Zuschusses muss am Feldrand auf einer großen Tafel für jedermann lesbar aufgelistet werden.


Allende lehnt auch diesen Zuschuss ab. Er sei von kleinauf gewohnt, für seinen Verdienst zu arbeiten und für sich selbst zu rechnen. Permanent überprüft er seinen Betrieb auf Wirtschaftlichkeit. Und wie viele seiner chilenischen Kollegen hat er kein Problem, auch kurzfristig aus einzelnen Produktionszweigen auszusteigen. Der Raps brachte keinen Gewinn? Dann bau’ ich im nächsten Jahr was anderes an – Fruchtfolge hin oder her. Dieses weit verbreitete Denken macht die Planung der chilenischen Landwirtschaft schwer. Gerade mussten zwei Zuckerfabriken dichtmachen – wegen des schlechten Preises im letzten Jahr waren viele Landwirte aus dem Rübenanbau ausgestiegen. Die Anbaufläche ist von insgesamt 50 000 ha innerhalb von 10 Jahren auf 15 000 ha zurückgegangen. Jetzt fehlen die Rüben. Durch das knappe Angebot ist der Rübenpreis in diesem Jahr von umgerechnet 42 €/t auf ca. 54 € deutlich gestiegen – Allende setzte aufs richtige Pferd: Er hat 60 ha Rüben. Raps glücklicherweise nicht. Nach einer Preisrallye im letzten Jahr – die boomenden Fischfarmen in den Fjorden am Pazifik nahmen die komplette Ernte auf – hat jetzt ein Lachs-Virus den Raps-Absatz komplett einbrechen lassen.


Ansonsten baut Allende 250 ha Weizen, 30 ha Chicorré und 30 ha Bohnen zur Saatgutvermehrung an. Dazu kommen rund 130 ha mit Gras und Luzerne. Außerdem hat er 300 ha Mais, den er teils häckselt oder als Körnermais vermarktet. Einer der größten Körnermais-Abnehmer in Chile überhaupt ist übrigens der Agrar-Multi AgroSuper. Das Unternehmen produziert und vermarktet 65 % des gesamten Schweinefleisches, 55 % des Hähnchenfleisches und 70 % der Puten. Mit der gesamten chilenischen Maisproduktion soll AgroSuper nur 70 % seines Bedarfs decken können, erzählt Allende.


Sein Mais wächst teils auf Dammkulturen, die man zum Bewässern einfach flutet. Die Pflanzen sind gut 4 m hoch und mit reichlich Kolben gesegnet. Man sieht dem Mais an, dass er in Südamerika zu Hause ist.


Zu Allendes Betrieb gehört eine Herde mit 300 Milchkühen, die er in einem einfachen Offenstall hält – im Winter stören keine Minusgrade, sondern der dauernde Regen. Als vor zwei Jahren der Milchpreis hoch war, forderte die Molkerei ihn auf, massiv zu investieren. Jetzt ist der Preis von rund 250 Pesos (32 Cent) auf unter 150 Pesos (19 Cent) gefallen. Allende rief die Molkerei an, um zu fragen, was denn wäre, wenn er wirklich auf sie gehört hätte. Er liefert jetzt nicht mehr an diese Molkerei. Man merkt ihm an, dass er auf seine Gradlinigkeit stolz ist.


Die Gastfreundschaft der Chilenen ist sprichwörtlich: Abends lädt uns Juan-Carlos Allende zu einem Rundflug über die weite Landschaft in seiner Cessna ein. Die braucht er, um am Wochenende zu seiner Familie zu kommen, die 400 km entfernt in Santiago lebt. Oder er fährt mit seinem Motorrad. Oder wenn es regnet mit dem Auto. Der gute Allende ist flexibel.

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