...hört man allerorts. Obwohl auch ich mich auf diese „Schmerzgrenze“ zu bewege, hält sich der Schmerz in Grenzen. Die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben ist bei mir, wie bei so vielen Kollegen, fließend. Ich tue, was ich liebe und muss lieben, was ich tue, wenn der Hof überleben soll. Das ist auch in Ordnung so.
Dauerreisen als Rentner ist für mich keine Option, weil es nirgends billiger und schöner ist, als bei uns daheim. Ich bin zuversichtlich, dass es dann noch einen umfangreichen Hausmeisterjob mit mehr Narrenfreiheit für mich auf dem Hof gibt. Mein Problem ist, dass immer mehr Kumpels aus Jugendtagen in „normalen“ Berufen das Rentenalter erreichen – manche sogar vorzeitig. Die können endlich tun, was sie wollen. Und sie haben plötzlich viel Zeit. Und die wollen sie am liebsten bei uns auf dem Bauernhof totschlagen. Ohne sich anzumelden natürlich – ist ja immer wer da. Sie sind natürlich alle sehr rücksichtsvoll und kommen nur, wenn es regnet, weil die Bauern da ja eh nichts zu tun haben. Wo ich schon so lange auf einen Regentag warte, um endlich die Futterstation zu reparieren. Oder sie kommen im Winter, weil der Bauer da ja hinter dem Ofen sitzt. Und die Anträge, die ich unbedingt ausfüllen wollte, was ist damit? Einer kommt gar am Sonntag, als ich gerade am Schreibtisch sitze, um mir endlich meinen Frust von der Leber zu schreiben. Nicht mal das gönnen sie mir. Neulich jammert mir einer die Ohren voll, weil er sich eine Rippenprellung zuzog beim Sturz aus dem Fernsehsessel, in dem er eingeschlafen war. Ein anderer stolperte auf Reisen gar aus seinem Wohnwagen und zog sich einen Bänderriss zu. Kurz vorher empfahl er mir noch, ich solle doch auch bald den Hof übergeben und mein Leben genießen. Reisen zum Beispiel. Ob das wirklich so gesund ist, wenn der nicht mal in seinem Caravan die Balance halten kann? Da ist mir meine „Work-Life-Balance“ auf dem Hof schon lieber! Wenn mich nur nicht immer diese gelangweilten Rentner aufhalten würden. Ich singe also nicht ein „Hoch auf…“ sondern „Hoch das Rentenalter“! Und zwar so hoch wie möglich!
Und wenns bei mir mal soweit ist, werde ich ganz bestimmt nicht den Kollegen auf ihren Höfen bei der Arbeit zuschauen. Das auf keinen Fall – versprochen!Ihr Hans Neumayer