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Ein Jahr nach der Flut

Lesezeit: 6 Minuten

Das Hochwasser im Juni 2013 hat die Betriebe Pfeffer und Bleis verwüstet. Noch heute kämpfen die Landwirte mit den Folgen. top agrar war vor Ort.


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Der Schock sitzt noch immer tief. Auch ein Jahr nachdem das Hochwasser auf den Betrieben gewütet hat, leiden Milchviehhalter Christian Bleis und Herbert Pfeffer unter den Auswirkungen.


Ein Rückblick: Während des Hochwassers musste Betriebsleiter Bleis (48) aus Schönhausen in Sachsen-Anhalt seine 380 Kühe auf teils weit entfernte Betriebe evakuieren (siehe top agrar 9/2013, S. 22). Nach der Rückkehr verdreifachten sich die Zellzahlen, die Milchleistung sank von 29 auf 25 kg/Tag. Die Tiere hatten sich mit Mycoplasmen-Erregern infiziert.


„Allein in den ersten drei Monaten musste ich 80 Kühe und 40 Kälber zum Schlachter geben. Es war schrecklich“, so Bleis. Erst als er im Oktober sein Melkzeug mit einer automatischen Spülung ausstattete, stoppten die Neu­infektionen und die Zellzahlen sanken. Die Kosten der neuen Technik von ca. 18 000 € musste er selbst tragen.


Daher traf es ihn umso härter, als im Frühjahr weitere 20 Färsen erkrankten. Seitdem scheint Ruhe eingekehrt zu sein. Trotzdem ist Bleis verunsichert: „Ich habe ständig Angst, die Krankheit könnte wieder ausbrechen.“ Und auch wenn die Milchleistung seit Anfang des Jahres wieder stimmt, so gut wie vor dem Hochwasser geht es den Tieren nicht: Viele werden nur schwer trächtig, haben Klauen- und Gelenkentzündungen und es kommt oft zu Verkalbungen. „Die Tiere leiden noch heute unter den Ereignissen“, ist Bleis sicher.


Das Hochwasser zerstörte zudem die Ernte von 180 ha Acker- und 90 ha Grünland. Die Flächen musste Bleis umbrechen und neu einsäen. Auch seine Futtervorräte vergammelten.


Zögerliche Auszahlung:

Ein Gutachter bezifferte die Schäden auf 750 000 €. Eingerechnet hat er z. B. den Milchgeldausfall während der Evakuierung, Aufwuchs- und Maschinenschäden, Kosten für die Sanierung der Flächen und Neubeschaffung des Futters. Davon entschädigt wird maximal 80 %. Erhalten hat Bleis bis heute nur ca. 160 000 €. „Zum Weitermachen musste ich Kredite aufnehmen und Kälber verkaufen. Ich hätte dringend mehr Hilfsgelder gebraucht. Dass die Bearbeitung so lange dauert, verstehe ich nicht“, kritisiert Bleis.


Ob er am Ende Gelder in Höhe der vollen 80 % bekommt, ist auch noch unklar. Das Landwirtschaftsamt bearbeitet seinen Fall noch immer. Aber eins ist klar: Auf 20 % der Schäden bleibt Bleis in jedem Fall sitzen.


Inzwischen gibt es weitere Schäden: Am Stall und im Melk­stand sind nach dem Winter tiefe Risse aufgetaucht. Hinzu kommen die Tier- und Leistungsverluste aufgrund der Mycoplasmen-Infektion. Insgesamt rechnet der Landwirt heute mit einem Gesamtschaden von ca. 900 000 €. Bis Ende des Jahres wird er daher ein zweites Gutachten einreichen, das diese zusätzlichen Schäden bemisst.


Glücklicherweise hat Bleis eine Ertragsschadenversicherung, die zumindest ca. 60 % der Folgekosten der Mycoplasmen-Infektion übernimmt. Ob das Landwirtschaftsamt die restlichen erstattet, ist fraglich. Geld gibt es nur, wenn der Amtstierarzt überzeugt ist, die Krankheit sei eindeutig auf Hochwasser und Evakuierung zurückzuführen.


Auch Herbert Pfeffer (40) aus Fischerdorf in Bayern wird noch ein Jahr später täglich an das Hochwasser erinnert. So baut er gerade zwei Wohnhäuser neu auf, die nach der Flut abgerissen werden mussten. Im Betrieb konnte er inzwischen die meisten Schäden beheben. „Auch wenn ich viel Hilfe erfahren habe, war das eine riesige Kraftanstrengung“, erinnert sich Pfeffer. Aber immer noch treten neue Schäden, z. B. an Maschinen auf, die er beheben lassen muss.


Schnelle Hilfe in Bayern:

Während des Hochwassers musste der Betriebsleiter seine 60 Kühe auf nahegelegenen Betrieben unterbringen, da die Ställe türhoch unter Wasser standen (siehe top agrar 9/2013, Seite 20). Das Wasser überschwemmte auch seine Flächen, Futtersilos, Getreide- und Heulager. Von seinen 104 ha Acker und Grünland verschonte die Flut nur 1,5 ha. Die restlichen Flächen musste Pfeffer umbrechen und neu einsäen. Auch seine Futtervorräte waren verdorben. „Nur dank der vielen Futterspenden und weil wir noch 400 Rundballen nachkaufen konnten, sind wir über den Winter gekommen“, berichtet der Landwirt. Die Wassermassen machten auch vor seinen Maschinen nicht Halt. Viele konnte er reparieren. Beispielsweise Heupresse, Maispflücker und Kreiselegge musste Pfeffer hingegen komplett ersetzen. Und auch die Reinigungsanlage des Milchtanks und sein Melkroboter waren nicht zu retten.


„Gott sei Dank kamen die Hilfsgelder schnell“, so Pfeffer. Im Oktober zahlte das Landwirtschaftsamt 75 % der veranschlagten Entschädigungssumme. Die restlichen 25 % kommen, sobald alle Rechnungen und Verwendungsnachweise vorliegen, also erst, wenn alle Reparaturen abgeschlossen sind.


300 000 € selbst schultern.

Das Problem: Zwar wurde Pfeffer als Härtefall eingestuft und bekommt statt 80 % die vollen 100 % von z. B. Flur-, Aufwuchs-, Gebäude- und Maschinenschäden sowie zusätzlichen Futterkosten erstattet. Allerdings werden nur die Zeitwerte und zwar ohne Umsatzsteuer entschädigt. Die tatsächlichen Anschaffungskosten, die Pfeffer z. B. für den neuen Melk­roboter aufbringen musste, lagen daher deutlich höher. Außerdem entschädigt Bayern grundsätzlich keine Leistungsausfälle.


So hat das Landwirtschaftsamt Pfeffer keinen Ausgleich für den Milchgeldausfall während der Evakuierung gezahlt. Zudem fehlen dem Betriebsleiter die Einkünfte aus Lohnarbeiten, die er sonst für andere Landwirte ausführt, da Heupresse und Mähdrescher während der letzten Ernte defekt waren. Auch hierfür gibt es keinen Ausgleich. Was noch stärker wiegt: Seine Kühe haben fast ein ganzes Jahr gebraucht, um wieder das alte Leistungsniveau zu erreichen und noch heute kommt es oft zu Verkalbungen. Diese Einbußen werden Pfeffer ebenso nicht ersetzt. Eine Ertragsschadenversicherung hatte er nicht. „Alles zusammen gerechnet, bleibe ich bestimmt auf rund 300 000 € an Kosten sitzen“, zieht Pfeffer eine bittere Bilanz.


Pfeffer und Bleis müssen aber nicht nur die finanzielle sowie die hohe Arbeitsbelastung stemmen, um alles wieder instand zu setzen. Sie müssen auch die psychische Last bewältigen. So berichtet Bleis, dass besonders der Winter hart war, als er erstmalig Zeit zum Nachdenken hatte: „Da kamen die ganzen Ängste während des Hochwassers wieder hoch, aber auch die Zweifel: Packe ich das wieder? Was ist, wenn mir so etwas Schreckliches wieder passiert?“


Trotzdem lassen sich die Milchviehhalter nicht unterkriegen. Sobald er die Zeit dafür hat, will Bleis seinen Betrieb durch einen eigenen Deich schützen. Pfeffer hat seinen Melkroboter gegen Elementarschäden versichert und überlegt, das auch für seine Gebäude zu tun – allerdings sind die Versicherungen sehr teuer. Johanna Garbert

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