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„Einen Versuch war’s wert“

Lesezeit: 4 Minuten

Wie ein vorbestrafter bayerischer Landwirt nach der Wende schmutzige Geschäfte mit einer insolventen LPG trieb – oder tat man ihm Unrecht?


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Die Euphoriewelle, die nach der Wende über Ostdeutschland schwappte, sie schlug binnen weniger Monate für viele in Skepsis um. Das lag auch an den westdeutschen „Glücksrittern“, die das Chaos nach dem Fall des Sozialismus schamlos für krumme Geschäfte ausnutzten.


Einer von ihnen war – möglicherweise – der Niederbayer Georg Nebauer. 1991 berichtete top agrar, wie der gelernte Landwirt eine insolvente LPG im brandenburgischen Beeskow übernahm und als GbR weiterführte. Ihn für diesen Folgebericht ausfindig zu machen, war alles andere als einfach.


Doch beginnen wir von vorne: Zum Zeitpunkt der LPG-Übernahme hätte Nebauer eigentlich noch im Gefängnis sitzen sollen. In Landshut war er 1988 zu vier Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem wegen Brandstiftung und Bestechung eines Kripo-Beamten. Wegen guter Führung wurde er aber pünktlich zur Wende entlassen. „Die Haft hat mich zu einem anderen Menschen gemacht“, sagte er kurz danach gegenüber top agrar.


Die nächsten Jahre müssen turbulent für ihn gewesen sein: Auf einer Veranstaltung lernte er den Vorsitzenden der insolventen LPG Beeskow kennen. Nebauer kaufte die „Milchproduktionsanlage“ mit 1 930 Kuhplätzen – und 720 leukosekranken Kühe. Weil in der DDR Tier- und Pflanzenproduktion meist strikt voneinander getrennt waren, verfügte der Betrieb über keinerlei Acker- oder Grünland. Nebauer übernahm gut 100 Mitarbeiter, pachtete und kaufte insgesamt ca. 1 000 ha Land zur Futtererzeugung und steckte viel Geld in Stall, Melkstand und Herde. Dennoch wurde der Betrieb 1997 insolvent. Nebauer hinterließ rund 30 Mitarbeiter und angeblich 7 Millionen DM Schulden.


Alles nur Stimmungsmache?

Seither war Nebauer an verschiedenen Unternehmen beteiligt, die allesamt keine Telefonnummer haben. Als wir ihn schließlich doch erreichen, ist seine Sicht der Dinge naturgemäß anders. In einem lockeren Plausch berichtet er u.a., wie der Landrat den Eindringling aus Bayern unbedingt loswerden wollte.


In der Tat könnte man den Eindruck bekommen, dass gezielt gegen Nebauer Stimmung gemacht wurde. Eine Lokalzeitung schoss sich auf ihn und seine Vergangenheit ein. 1991 verbrachte Nebauer wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug einige Tage in Untersuchungshaft. Nachweisen konnte man ihm nichts. „Man wollte damals meinen schlechten Ruf gegen mich verwenden“, hat Nebauer nicht vergessen.


Milchkrise schlug zu:

All das sei aber nicht der Grund gewesen, warum seine GbR nicht überlebt habe, so Nebauer. Vielmehr sei es die Kombination aus hohen Mitarbeiterzahlen, abstürzenden Milchpreisen und der Insolvenz mehrerer Molkereien gewesen, die ihm das Genick gebrochen habe. „Wenn ich z. B. 30 Mitarbeiter allein in der Küche weiterbeschäftigen muss, komme ich mit einem Milchpreis von 25 Pfennig kaum über die Runden“, erläutert er sein Dilemma. Ein Forderungsausfall von 3 Millionen DM gegenüber den Molkereien habe dann sein Übriges getan.


Erstaunlich spurlos scheint das letzte Vierteljahrhundert übrigens an den Mitarbeitern vorbeigegangen zu sein. Eine von ihnen, Doreen Baltzer (45), war bereits zu LPG-Zeiten als Lohnbuchhalterin beschäftigt. Mittlerweile arbeitet sie bei der Mangelsdorf und Perlitz GbR, die den Nebauer-Betrieb 1997 übernahm. „Nach der Wende waren wir einfach froh, dass wir unsere Jobs behalten durften, und nach der Nebauer-Pleite war das nicht anders“, so Baltzer. Die Mitarbeiter hätten von den Machtkämpfen ihres Chefs mit den Behörden ohnehin wenig mitbekommen. Die meisten der ehemaligen LPG-Kollegen seien bereits im Ruhestand. Unfreiwillig entlassen worden sei keiner.


Baltzer freut sich, dass die Geschichte für Mitarbeiter und Betrieb so gut ausgegangen ist. Im Stall stehen heute 700 gesunde Kühe, die rund 10 000 kg Milch pro Tier und Jahr liefern.


Nebauer zieht ein ähnlich versöhnliches Fazit: „Einen Versuch war’s wert.“ Er bewirtschaftet heute große Ländereien in Osteuropa. „Was ich damals gelernt habe, kann ich hier gut anwenden,“ berichtet er ohne Wehmut.-cm-

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