Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Eurotier 2024 Seelische Gesundheit Wolf

Aus dem Heft

„Es kommt kein Hormonfleisch in die EU!“

Lesezeit: 6 Minuten

Brüssel erwartet vom Freihandelsabkommen mit den USA zusätzliche Exportmöglich-keiten für EU-Agrarprodukte. Aber kommt im Gegenzug Hormonfleisch und Gen-Food auf unsere Teller? top agrar sprach mit EU-Handelskommissar Karel de Gucht.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Was haben die deutschen Landwirte vom Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA?


de Gucht: Die deutschen Agrarausfuhren in die USA sind seit 2008 um 42 % gestiegen. 2013 wurden Waren im Wert von 1,6 Mrd. € exportiert. Dennoch gibt es nach wie vor Handelshemmnisse. So liegen die US-Zölle auf Kakao- und Milchprodukte noch immer bei 60 %. Wenn wir diese abbauen, schafft das neue Spielräume z. B. für Milchprodukte. Das kann das Softlanding beim Ausstieg aus der Milchquotenregelung erleichtern. Natürlich stellen uns auch die US-Exporte zum Teil vor große Herausforderungen, vor allem bei den sog. sensiblen Produkten (Anm. d. Red.: z. B. Rindfleisch). Vor dem Wettbewerb müssen wir keine Angst haben. Die EU ist ein starker Agrar-Exporteur geworden, weil wir sehr hochwertige Lebensmittel produzieren.


In der öffentlichen Diskussion spielen diese Argumente kaum eine Rolle. Stattdessen sorgen sich viele, dass Hormonfleisch, Chlorhühnchen und gentechnisch veränderte Lebensmittel in die EU kommen. Wie real ist das?


de Gucht: Diese Sorge ist unbegründet. TTIP wirkt sich nicht darauf aus, was die EU in ihren Gesetzen zur Lebensmittelsicherheit festlegt. Wir werden weder das Verbot von Hormonfleisch aufgeben, noch unsere Rechtsvorschriften über gentechnisch veränderte Organismen anpassen. Das wissen die Amerikaner und sie erwarten das auch nicht. So sind wir übrigens auch beim Freihandelsabkommen mit Kanada verfahren. Wir haben den Kanadiern einen besseren Marktzugang für ihr Rindfleisch eingeräumt, aber nur, wenn sie hormonfrei liefern.


Die USA und die EU haben unterschiedliche Verbraucherstandards. Wie lässt sich da ein Kompromiss finden?


de Gucht: Nach dem WTO-Abkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen (SPS) darf jedes Land eigene Schutzniveaus für Menschen, Tiere und Pflanzen definieren. Entsprechend gibt es Bereiche, in denen die EU strengere Maßstäbe anlegt und umgekehrt. Das müssen und werden wir auch in Zukunft respektieren. Unser Hauptziel ist es, beim Warenverkehr die Abläufe zu vereinfachen, die Bürokratie zu reduzieren, indem wir z. B. doppelte Inspektionen abschaffen und die Genehmigungsverfahren insgesamt berechenbarer machen.


Was jetzt verboten ist, bleibt also verboten?


de Gucht: Genau, das Verbot von Hormonen bei Rindfleisch bleibt bestehen.


Höchst umstritten sind die sogenannten Investorenschutz-Regelungen. Brauchen wir diese weiterhin?


de Gucht: Investorenschutz-Abkommen gibt es schon seit mehr als 30 Jahren. In der EU sind aktuell 1 400 Verträge mit solchen Regelungen in Kraft, davon 130 in Deutschland. Keine dieser Vereinbarungen hat die EU jemals daran gehindert, strenge Verbraucher- und Umweltschutzstandards festzulegen. Dennoch werden wir die gegenwärtigen Regeln klarer definieren, Schlupflöcher schließen und mehr Transparenz in den Entscheidungsprozess bringen. Dabei werden wir auch die Öffentlichkeit einbinden.


Durch die juristische Hintertür können also keine Produkte in die EU kommen, die wir hier nicht wollen?


de Gucht: Niemand kann über Schiedsverfahren die Regeln des Freihandelsabkommens außer Kraft setzen. Diese Verfahren gibt es, um einige sehr grundlegende Garantien abzugeben. Zum Beispiel werden wir den USA zusichern, US-Investoren nicht anders zu behandeln als unsere EU-Unternehmen und dass wir niemals ohne Entschädigung enteignen. Inhaltliche Festlegungen sind nicht Gegenstand von Schiedsverfahren.


Warum finden die Kritiker von TTIP so viel Gehör?


de Gucht: Ich begrüße die intensive öffentliche Debatte und nehme die Sorgen der Menschen sehr ernst. Wir müssen deutlich machen, worum es bei TTIP wirklich geht. Dabei zählen nur Fakten. Gerüchte, falsche Annahmen oder ein kaum verborgener Anti-Amerikanismus helfen uns nicht weiter. Ich habe den Eindruck, dass einige Kritiker grundsätzlich gegen den Freihandel sind und das EU-USA-Freihandelsabkommen als Symbol der Globalisierung torpedieren wollen. In Deutschland kommt noch der NSA-Skandal hinzu, der die Diskussion sicher nicht versachlicht hat. Es gibt aber auch viele, die TTIP unterstützen. Dazu zählen die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Wirtschaft. Rückenwind kommt übrigens nicht nur von der Großindustrie, sondern von auch den kleinen und mittleren Unternehmen.


Was tut die Kommission, um Verbrauchern und Bauern die Chancen und Risiken von TTIP zu erläutern?


de Gucht: Wir machen TTIP so transparent wie möglich. Erstens gab es vier öffentliche Konsultationen, bei denen wir die Meinungen der Bürger eingeholt haben. Zum strittigen Thema Investorenschutz haben wir z. B. 150 000 Eingaben erhalten, die wir jetzt sehr sorgfältig auswerten werden. Zweitens informieren wir regelmäßig über einzelne Aspekte der laufenden Verhandlungen (http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/). Und drittens stehen wir im regelmäßigen Austausch mit Verbraucherverbänden, Gewerkschaften, Umweltgruppen und anderen Organisationen – auch mit dem Deutschen Bauernverband. Ende Juni war mein Stellvertretender Kabinettschef, Dr. Frank Hoffmeister, auf dem Deutschen Bauerntag in Bad Dürkheim und hat die Delegierten über den Stand der Verhandlungen und die Hintergründe von TTIP informiert.


Die Öffentlichkeit erfährt kaum etwas über die Verhandlungen. Müssen Sie nicht viel offensiver informieren, um mehr Vertrauen zu schaffen?


de Gucht: Das tun wir doch. Jeder kann sich auf unserer Website über die Ergebnisse nach der 6. Verhandlungsrunde informieren. Den deutschen Bürgern habe ich vor Kurzem in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung den Sachstand von TTIP erläutert. Wir können natürlich nicht vollkommen offen verhandeln. In jeder Verhandlung muss es ein gewisses Maß an Vertraulichkeit geben. Klar ist, dass wir uns nur im Rahmen des Mandats bewegen, das uns die 28 Mitgliedstaaten gegeben haben. In jedem Fall wird es am Ende eine öffentliche Kontrolle geben. Rat und EU-Parlament müssen dem Verhandlungsergebnis zustimmen, bevor es in Kraft treten kann.


Sind Sie noch im Zeitplan?


de Gucht: Auf jeden Fall. Mitte Juli fand in Brüssel die 6. Runde statt. Nach der Sommerpause geht es weiter. Im Oktober werde ich mich mit dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman treffen und eine politische Zwischenbewertung vornehmen.


Wann soll das Abkommen unterschriftsreif sein?


de Gucht: Wenn wir im derzeitigen Tempo weitermachen, könnten wir den Vertrag bis Ende nächsten Jahres unter Dach und Fach haben.


Erschweren bilaterale Abkommen nicht den WTO-Abschluss?


de Gucht: Unser Ziel bleibt ein WTO-Abschluss. Die bilateralen Verhandlungen, auch die mit den USA, beeinträchtigen dieses Ziel nicht. Im Gegenteil: Ein ehrgeiziges EU-USA-Abkommen zeigt den anderen, dass wir bereit sind, Märkte zu öffnen und komplexe Fragen zu lösen. Das kann den Boden für die nächste Stufe der multilateralen Liberalisierung bereiten.


Ist ein WTO-Abschluss überhaupt noch realistisch?


de Gucht: Die WTO ist in einer schwierigen Phase. Wir hatten im Dezember letzten Jahres einen großen Durchbruch auf Bali. Jetzt blockiert Indien die Annahme dieses Abkommens über Handelserleichterungen. Das ist ein Rückschlag. Wir werden aber weiter alles dafür tun, die Doha-Runde erfolgreich abzuschließen.-sp-

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.