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Gülle in Ackerbauregionen bringen: Rechnet sich das?

Lesezeit: 10 Minuten

Die Nährstoffüberschüsse in Nordwest-Deutschland steigen weiter. Mit der neuen Düngeverordnung droht das Fass vollends überzulaufen. Ob sich der Gülletransport in Ackerbauregionen lohnt, hat Dr. Hans-Heinrich Kowalewsky, LWK Niedersachsen, nachgerechnet.


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Viele Schweine- und Geflügelhalter in Weser-Ems und im Münsterland stecken mächtig in der Klemme. Immer mehr Gülle und Gärreste müssen auf den knappen Flächen untergebracht werden. Von den Niederlanden drücken – zumindest in Nordrhein-Westfalen – zusätzlichen Mengen organischen Düngers in die Region.


Die Folge:

Mancherorts steigen die Ni­tratwerte. Nicht zuletzt deshalb wird der Bund in den kommenden Monaten einen neue, strengere Düngeverordnung auf den Weg bringen. Das wird den Druck weiter erhöhen. Schon jetzt liegen die Entsorgungskosten zum Teil bei 15 €/m3 Gülle. Tendenz steigend.


Klar ist, wenn die Tierhalter in Weser-Ems und im Münsterland keine Stallkapazitäten verlieren wollen, muss ein erklecklicher Teil der in der Gülle enthaltenen Nährstoffe raus aus den Veredelungsregionen. Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gehen allein für Niedersachsen von mehreren Millionen Tonnen jährlich aus. Mit großen Augen schauen viele Veredler in die Ackerbauregionen. Dort werden die Nährstoffe gebraucht. Dort könnte der Wirtschaftsdünger Kosten sparen und sogar pflanzenbauliche Vorteile bringen (s. top agrar 2/2014, S. 66 und 3/2014, S. 74).


Und zusätzliche Wege gibt es auch nicht. Jedes Jahr werden Millionen Tonnen von Futtergetreide in die Veredelungsregionen verfrachtet. Würde man diese Nährstoffe als Gülle wieder zurückfahren, hätte man den Nährstoffkreislauf geschlossen, den Gülledruck beseitigt und zudem eine Leerfahrt gespart. Theoretisch ein wunderbares Konzept, aber rechnet es sich auch?


Was so bestechend einfach klingt, macht in der Umsetzung noch viele Probleme. Erstens ist der Gülletransport logistisch sehr aufwendig. Und zweitens ist die Nährstoffdichte der Rohgülle vergleichsweise gering. Das verteuert den Transport. Was noch hinzukommt: das Verhältnis von Stickstoff zu Phosphor ist in der Rohgülle nicht optimal. Das heißt: Wer als Veredler nur darauf achtet, den Phosphor loszuwerden, verliert dabei auch jede Menge Stickstoff und muss am Ende möglicherweise wieder N-Dünger zukaufen.


Teure Rohgülle:

Wie schnell die Kosten in die Höhe schießen können, zeigt folgendes Beispiel eines Schweinemästers. Um 1 000 kg Phosphat (P2O5) in die Ackerbauregion zu bringen, müssten etwa 500 m³ Mastschweinegülle transportiert werden. Das würde bei 100 km Transportentfernung bereits 17 €/t kosten, bei 300 km schon mehr als 35 €/t, wenn es keine Rückfracht gibt (Übersicht 1).


Zum Glück gibt es inzwischen Spe­zial-Lkw (sogenannte Kombitrailer), mit denen sowohl Futtergetreide als auch Gülle transportiert werden kann. Das ist möglich, weil hier der Laderaum für das Getreide strikt vom Güllelagerraum getrennt ist. Auf der Hinfahrt kann so Futtergetreide in die Veredelungsregion und auf der Rückfahrt Gülle in die Ackerbauregion transportiert werden.


Das kann die Transportkosten insbesondere auf langen Strecken durchaus merklich reduzieren. Aber nur dann, wenn keine weiteren Zwischenfahrten anfallen. Das ist aber fast immer der Fall, weil das Getreide bei einem Futtermittelhersteller abgeliefert werden muss und die Gülle bei einem Landwirt aufgenommen werden muss. So können an den Zielorten 20, 50 oder sogar 100 km an zusätzlicher Fahrstrecke anfallen, die den Transport von Rohgülle am Ende doch wieder teuer machen (Übersicht 1).


Dickgülle reduziert Kosten:

Deshalb wird mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet, die Nährstoffe in der Gülle zu konzentrieren. Eine Option ist die Eindickung der Gülle. Hierbei nutzt man die Schwerkraft der Gülle. Bei der Lagerung bildet sich bei Schweinegülle eine nährstoffreiche, dickere Phase in der unteren und eine nährstoffärmere Phase in der oberen Behälterhälfte des Güllesilos. Messungen der LWK Niedersachsen haben gezeigt, dass die Dickgülle etwa 11-mal so phosphatreich ist wie die Dünngülle und fast doppelt so phosphatreich wie die Ausgangsgülle. (Übersicht 2).


Das heißt: Durch das gezielte Eindicken von Schweinegülle im Lagerbehälter lässt sich die Güllemenge, die den Veredelungsbetrieb zur Entlastung seiner Phosphatüberschusses verlassen muss, etwa halbieren. Gleiches gilt auch für die Transportkosten im Vergleich zur Rohgülle. Am Transport selber ändert sich durch die Eindickung nichts. Grundsätzlich kann auch Dickgülle mit den Kombilinern transportiert werden.


Separation nicht effizient:

Aber auch bei Dickgülle beträgt der Wasseranteil immer noch ca. 90 %. Das fällt insbesondere bei großen Transportentfernungen ins Gewicht. Deshalb setzen einige Betriebe zunehmend auf die Separation. In der Praxis kommen gegenwärtig hauptsächlich Pressschnecken-Separatoren zum Einsatz. Der Nachteil dieser Technik: Bei sehr trockener Abpressung sind häufig nur 20 % der zuvor in der Gülle enthaltenen Phosphatmenge im Feststoff enthalten. Bei feuchterer Abpressung mit Trockenmassegehalten unterhalb von 25 % und relativ frischer Gülle schaffen diese Separatoren auch Abscheideraten von über 30 %.


Veredelungsbetriebe, die ihre gesamte Gülle durch eine Pressschnecke schicken, werden über die Feststoffe also höchstens ein Drittel der Phosphatmenge los (Übersicht 3). Das reicht bei den Betrieben mit sehr großen Überschüssen nicht. Höhere Abscheideraten beim Phosphat sind über Zentrifugen machbar. Diese sind aber in Anschaffung und Betrieb sehr teuer.


Besser sieht es bei der Transportwürdigkeit aus. Durch die Separation ist der Phosphatgehalt des Feststoffs etwa 3-mal so hoch wie der der Rohgülle, sodass die Transportkosten für Feststoff nur etwa ein Drittel der Kosten für das Kutschieren der Rohgülle betragen.


Für Ackerbauern interessant:

Auch für den Ackerbaubetrieb ist es interessanter, mit eingedickter Gülle zu arbeiten statt mit Rohgülle. Die Nährstoffkonzentration und der Mineraldünger-Ersatzwert sind deutlich höher als die der Rohgülle. Und die Kosten für Lagerung und Ausbringung sind nur etwa halb so hoch.


Noch interessanter für viele Ackerbauern sind die Feststoffe aus der Separation, weil sie sich einfach zwischenlagern lassen und sehr gut in Biogasanlagen eingesetzt werden können. Mit einer Tonne Feststoffe lassen sich energetisch etwa 0,3 t Mais ersetzen.


Lagerkosten unterschiedlich:

Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sind aber nicht nur die Transportkosten entscheidend, sondern weitere Kostenpositionen: Was kostet die Eindickung bzw. Separation? Was die Lagerung und wie hoch sind die Ausbringungskosten? Übersicht 4 zeigt, welche Kosten im Einzelnen anzusetzen sind.


Die Eindickung der Gülle ist kaum mit zusätzlichen Kosten verbunden. Hauptsächlich fallen zusätzliche Aufwendungen für die Umrüstung des Lagerbehälters an. Hier muss eine eigene Saugleitung installiert werden, die es möglich macht, die Dünngülle getrennt zu entnehmen. Dafür sind Kosten von etwa 1 €/t Dickgülle zu veranschlagen.


Die Separation ist da deutlich teurer, weil für 1 t Feststoffe etwa 5 t bis 8 t Rohgülle separiert werden müssen. Für eine Tonne Feststoff fallen so schnell 17 € bis 28 € Separationskosten an.


Ferner fallen beim überregionalen Güllemanagement zusätzliche Lagerkosten an, und zwar beim Ackerbauern. Weil die Gülle vor Ort zum optimalen Zeitpunkt ausgebracht werden soll, muss sie zwischengelagert werden. Am besten vor Ort, weil dann die Anlieferung aus der Veredelungsregion kontinuierlich über das Jahr erfolgen kann und bei Bedarf genügend Mengen verfügbar sind.


Eine Lagerstätte für organische Dünger in einer Ackerbauregion zu bauen, ist in der Vergangenheit mitunter auf Vorbehalte bei den Genehmigungsbehörden gestoßen. Diese tun sich bisweilen schwer, den räumlich funktionalen Zusammenhang zwischen dem Düngerlager und der zu düngenden Fläche zu sehen. Dieser Zusammenhang ist von Bedeutung, wenn privilegiert im Außenbereich gebaut werden soll.


In manchen Fällen ist aber auch der Bau auf größeren Hofstellen oder in entsprechend ausgewiesenen Gewerbegebieten möglich. Die Kosten für den Bau eines Güllebehälters einschließlich Abdeckung liegen derzeit je nach Größe und Behältermaterial zwischen 50 €/m³ und 80 €/m³ nutzbaren Lagerraums. Daraus resultieren jährlich Kosten, die je nach Nutzungshäufigkeit um 4 €/t gelagerter Gülle oder Dickgülle betragen (Übersicht 4). Die Feststoffzwischenlagerung ist dagegen deutlich billiger (0,50 €/t).


Wenn der Ackerbauer organische Dünger einsetzt, sind auch die dort entstehenden Kosten für die Ausbringung zu berücksichtigen. Diese schlagen je nach Entfernung zwischen Lagerstätte und zu düngender Fläche mit 2 € bis 5 €/t zu Buche. Billiger ist die Feststoffausbringung. Das gilt aber nur, wenn die Feststoffe am Feldrand lagern.


Was hat der Ackerbauer davon? Den Kosten für die überregionale Nährstoffverbringung steht der Nutzen gegenüber, der sich für die aufnehmenden Ackerbaubetriebe ergibt. Daraus errechnet sich der Preis, den der Ackerbauer für den organischen Dünger zu zahlen bereit ist. Ein Nutzen für den Ackerbaubetrieb entsteht aus dem Düngewert und ggf. auch dem Energiewert, wenn die organischen Dünger in der Ackerbauregion energetisch in Biogasanlagen genutzt werden.


Derzeit ist von Mineraldünger-Ersatzwerten von etwa 7 €/t bei Rohgülle, von etwa 11 €/t bei eingedickter Gülle und von etwa 15 €/t bei Feststoffen aus der Gülleseparation auszugehen. Für den Ackerbaubetrieb ist aber nur die Nährstoffmenge von Wert, die er sonst durch Mineraldüngerzukauf abdecken würde. Weil es außerdem höhere Stickstoffverluste geben kann, liegt der tatsächliche Nährstoffwert für die organischen Dünger oftmals nur bei etwa der Hälfte des genannten Mineraldünger-Ersatzwertes.


Ähnlich hoch wie der Nährstoffwert ist der Energiewert. Damit ist der Wert gemeint, den ein Biogasanlagenbetrieb in einer Ackerbauregion zahlen könnte, wenn er bei seiner Biogasproduktion Mais durch organische Dünger ersetzt und dabei auch noch einen finanziellen Vorteil haben möchte. Bei Rohgülle ist der Energiewert gering, weil mit dieser Gülle nur wenig Gas erzeugt wird. Aufgrund der Festlegungen im EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) kann es beim Einsatz von organischen Nährstoffträgern in Biogasanlagen unter bestimmten Voraussetzungen einen „Güllebonus“ geben. Wenn dieser Bonus realisiert werden kann, macht das bei einer 500 kW-Biogasanlage, die vor 2012 in Betrieb gegangen ist, umgerechnet auf eine Tonne organischen Düngers einen finanziellen Vorteil von etwa 10 €/t aus. Im neuen EEG, das gerade im Bundestag diskutiert wird, soll der Güllebonus allerdings wegfallen. Altanlagen sollen jedoch Vertrauensschutz genießen.


Vorteil Dickgülle:

Stellt man den Gesamtkosten für die verschiedenen Verfahren der überregionalen Nährstoffverbringung den Nutzen für die Ackerbaubetriebe gegenüber, erhält man die Differenz, die der Veredlungsbetrieb zu tragen hat, damit das Verfahren auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht läuft. Diese Kosten sind für die verschiedenen Verfahren und für unterschiedliche Transportentfernungen in Übersicht 5 zusammengestellt.


Aus der Übersicht 5 wird deutlich, dass die Verbringung von Nährstoffen aus der Veredelungs- in die Ackerbauregion mit dem Rohgülleverfahren ein sehr teures Verfahren ist. Nur wenn beim Transport von Rohgülle anschließend eine energetische Nutzung in der Ackerbauregion stattfindet und dabei der „Güllebonus“ realisiert werden kann, ist bis etwa 100 km Transportentfernung eine wirtschaftlich vertretbare Umsetzung möglich.


In allen anderen Varianten wird zu viel Wasser transportiert. Dickgülle ist bei Transportentfernungen bis 200 km der Separation überlegen, darüber hinaus schlagen die höheren Transportkosten gegenüber dem Feststoff negativ zu Buche. Je größer die Entfernung, desto interessanter wird die Separation.

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